GUTEN MORGEN SONNENSCHEIN!
Wie Hunde sich ein normales Zusammenleben vorstellen und welche Regeln ihnen dabei wichtig sind.
Im ersten Kapitel geht es um den Hund und sein Verhalten im Haus und in Kommunikation mit dir, was für Grundsätze des Zusammenlebens für Hunde wichtig sind, welche Regeln Hunde untereinander haben und wie sie sich normalerweise strukturieren, denn als Rudeltiere haben Hunde eine sehr genaue Vorstellung davon, wie ein Zusammenleben aussehen sollte und wie der Tag gemeinsam bestritten werden kann.
Es beginnt morgens mit dem Aufstehen. Jedes Mal, wenn Hunde morgens aufwachen, beginnt für sie ein neues Leben, ähnlich wie bei Kindern. Es ist eben nicht selbstverständlich, morgens die Augen aufzumachen und irgendwie hat sich die Welt gerade einige Stunden ohne einen weitergedreht. Was sich wohl verändert hat und was sich heute für Möglichkeiten ergeben werden? Die Begrüßung des neuen Tages fängt für Hunde damit an, abzuklären, ob alles ist wie es war, bevor sie eingeschlafen sind. Junge Hunde tun das oft sofort, während erwachsene Hunde auch gemütlich liegen bleiben und erst später den Rest der Familie begrüßen. Manche Hunde brauchen diese Abklärung der Situation auch gar nicht, weil sie entweder ganz sicher in ihrer Position sind oder nur mit sich selbst beschäftigt und daher kaum Interesse für die sozialen Zusammenhänge im Haus hegen.
Weshalb ein Hund mit sich beschäftigt ist, kann viele Gründe haben. Die Rasse spielt hier eine Rolle, genau wie eventuelle Schmerzen oder einfach die Tatsache, dass der Hund bisher ohne Menschen aufgewachsen ist. Auf jeden Fall ist es nicht direkt ein Hinweis auf mangelnde Liebe oder ein Desinteresse am Menschen persönlich, wenn der Hund ihn nicht begrüßt. Hier gilt es zu differenzieren. In den meisten Fällen beginnt der Tag aber mit einer früher oder später ablaufenden Begrüßung.
Illustrationen der Hundesilhouetten © AdobeStock/zolotons
Dominanzbeziehungen sind individuell zueinander und kein Wesenszug.
IST ALLES NOCH WIE IMMER?
Wer wen begrüßt und wer sich dabei wie zeigt, ist nicht nur ein Ausdruck von Wiedersehensfreude, sondern bestätigt auch immer wieder aufs Neue, dass jeder mit seiner sozialen Stellung zueinander zufrieden ist oder eben nicht. Die Begrüßung wird dafür genutzt, Beziehungen in Frage zu stellen, Themen über Führungsqualitäten auf den Tisch zu bringen oder zu unterstreichen, dass man gern weiterhin folgen wird.
WUSSTEST DU, .
dass es keine Rangfolge bei Hunden gibt, die wie eine Leiter hoch oder runter geht, sondern dass immer nur die einzelnen Beziehungen von einem zum anderen zählen und jede Beziehung eine andere Qualität und Stellung im Leben des Hundes hat?
WAS EINE BEGRÜSSUNG ÜBER DIE BEZIEHUNG VERRÄT
Will der Hund unterstreichen, dass er sich in der Position des Folgsamen, also des angepassten Parts der Beziehung sieht, dann tut er dies über kleine Gesten aus dem Demutsverhalten. (Auf das Thema Demut werde ich später noch mehr eingehen, da dieser Begriff durch unsere Umgangssprache zu Unrecht negativ belegt ist.) Aktive Demut bedeutet, dass sich jemand annähern möchte und das möglichst höflich, deeskalierend und so süß, dass der andere ihm nichts abschlagen kann und die Nähe zulässt.
© Anna Auerbach/Kosmos
Sich windende, weiche Bewegungen gehören zur aktiven Unterwerfung dazu.
AKTIVE DEMUT
Jeder Hund kann und sollte aktive Demut zeigen können. Sie wird immer demjenigen gegenüber gezeigt, dem der Hund freundlich, friedlich und unterwürfig begegnen möchte.
Aktive Demut ist sehr bewegt und lebendig, und der Hund biegt den Körper dabei weich von einer Richtung in die andere. Beim Wedeln wedelt der ganze Hintern mit, die Ohren sind eng nach hinten angelegt und der Hund ist etwas aufdringlich und schmeichelt sich, teilweise richtig belästigend, bei dem sozial höher gestellten Menschen oder Hund ein. Er leckt die Hände des Menschen oder das Maul des anderen Hundes, verfolgt ihn tanzend und tippelnd und bietet oft auch immer wieder von sich aus an, sich auf den Rücken zu rollen oder ganz still stehen zu bleiben, damit der andere ihn beschnuppern oder anfassen kann.
Je jünger der Hund ist, desto häufiger und ausgeprägter zeigt er aktive Demut. Ganz junge Hunde pinkeln auch oft in ihrem Demutstänzchen, was nett gemeint ist und niedlich wirken soll. Es ist eine kindliche Geste, die den morgens aufstehenden Menschen froh und gnädig stimmen soll, aber oft eher zu Ärger führt. Je harscher der Mensch dann allerdings reagiert, desto mehr denkt der Hund, sich einschmeicheln und Mühe geben zu müssen, um Ärger zu vermeiden und pinkelt beim nächsten Mal erst recht während der Begrüßung.
© Anna Auerbach/Kosmos
Geschlossene Augen, lockeres Wedeln mit niedrig gehaltener Rute und das Lecken mit einer entspannten Zunge über die eigene Schnauze sind Demutssignale, um zu bekunden: "Ich komme in friedlicher Absicht!"
© Anna Auerbach/Kosmos
Von unten herankriechen und das Maul des ande- ren anstupsen oder belecken gehört zu den höflichen Gesten einer respektvollen Annäherung. Hier wird es von einem jungen Hund gezeigt.
Wird der Hund erwachsen, so werden seine aktiv demütigen Gesten weniger stark ausgeprägt gezeigt und seltener. Fremden Hunden gegenüber zeigen die meisten erwachsenen Hunde kaum noch aktive Demut, es sei denn, sie sind sehr früh kastriert und deswegen nicht richtig erwachsen geworden.
Am häufigsten kann man aktive Demut beobachten, wenn Hunde ihre Menschen nach einer Trennung wiedersehen und begrüßen, denn an dieser Stelle ist es wichtig, die Position wieder zu klären, seine Absichten zu unterstreichen und Konflikte zu vermeiden.
Aktive Demut wird immer in mehr oder weniger ausgeprägter Form gezeigt und ist etwas Gesundes und Freundliches, das keinesfalls zu bemitleiden wäre. Auch wir Menschen erhöhen in einer freundlichen Begrüßung, bei der wir auf jemanden zugehen und den Kontakt herstellen wollen, etwas unsere Stimme, legen den Kopf leicht schief und gehen etwas langsamer. Oft drehen wir auch die Schultern leicht ein, belasten abwechselnd den einen Fuß mehr als den anderen. Wir formen mit dem Mund kleine Gesten wie das Lippenzusammendrücken, lächeln oder räuspern uns. All das ist vergleichbar mit dem Einrollen und Biegen des Hundekörpers, dem Lippenlecken oder Nasenschlecken, dem Pföteln und Tänzeln und dem Blick-Abwenden, Blinzeln und Maulwinkel-Zurückziehen.
© Anna Auerbach/Kosmos
Die Beine sind abgeknickt und der Körper des Hundes rund. Der Blick geht von unten nach oben.
© Anna Auerbach/Kosmos
Die Rute wird bei der aktiven Demut unten getragen und wedelt ausladend mit der Spitze.
© Anna Auerbach/Kosmos
Das Belecken des Gesichts und der Hände in demütiger Körperhaltung wird auch Menschen gegenüber gezeigt.
VERHALTENSWEISEN DER AKTIVEN DEMUT
-
Zum Menschen hingehen, liegen oder stehen bleiben, wenn sich der Mensch zur Begrüßung nähert.
-
Mit der Spitze der Rute schnell und weich wedeln oder mit der ganzen Rute kreisend und locker wedeln, wobei die Rute eher entspannt unten getragen ist oder sogar leicht eingerollt zwischen den Hinterbeinen. Auch ein propellerartiges Wedeln in großen, lockeren Kreisen gehört dazu.
-
Körper im Stehen leicht einrollen und den Rücken nach oben rund machen, den Kopf nach unten neigen und nach hinten biegen, sodass sich runde und weiche Formen durch den ganzen Hundekörper ziehen.
-
Weiche, entspannte Muskulatur und eher eingesackte Beine.
-
Schnelle, tippelnde Schritte und viel Bewegung.
-
Eventuell auch ein kurzes, schnelles Schlecken über die eigene Nase, über die Hände oder das Gesicht des Menschen.
-
Hektisches Hinterherlaufen und Tänzeln, Anstupsen mit der Nase und piepsende Geräusche.
KÖRPERSPRACHE DER AKTIVEN DEMUT
-
Lang nach hinten gezogene Lippen
-
"Niedlich" gucken, mit Kulleraugen und von unten nach oben
-
Eine glattgezogene, große Stirn machen
-
Ohren eng nach hinten an den Kopf anlegen
-
Quietschen, fiepen und sehr helle Belllaute machen
-
Beim Herankriechen unter sich pinkeln
Die aktive Demut soll "süß" und "niedlich" aussehen und löst bei uns genau diese Gefühlsreaktion aus, wenn wir sie sehen. Aktiv demütige Hunde empfinden wir als ungefährlich, freundlich und süß, als hilfsbedürftig und unselbständig. Das liegt daran, weil alle Verhaltensweisen und die Körpersprache darauf ausgelegt sind, möglichst babyhaft und kindlich zu wirken und uns damit geduldiger, gnädiger und zugewandt zu stimmen. Wer sich die Fotos dazu anschaut, wird merken, dass das ziemlich gut funktioniert.
© Anna Auerbach/Kosmos
Der typische "Dackelblick" ist ein Teil der Demutsgesten und soll niedlich wirken und besänftigen.
© Anna Auerbach/Kosmos
Wer demütig begrüßt wird und seine soziale Stellung untermauern möchte, verhält sich cool und überlegen.
© Anna Auerbach/Kosmos
Hier zeigt das Anheben der Pfote in demütiger Körperhaltung zusätzlich: Ich wäre bereit mich auf den Rücken zu werfen, wenn es erwartet wird.
©...