Schweitzer Fachinformationen
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Bevor es hier losgeht, macht es Sinn, Ihnen etwas über die eigentliche Aufgabe eines CIO und insbesondere meine Aufgabe bei speziell diesem Job zu erzählen. Nun, das IDW, also das Institut der Deutschen Wirtschaftsentwicklung, kann man als das deutsche Lobbyistensprachrohr überhaupt bezeichnen. Unter dem Deckmäntelchen der Wissenschaftlichkeit geht es dieser Firma mit seinen gut 250 Mitarbeitern nur um das Eine: durch gezielte Meinungsmache politische Entscheidungen so zu beeinflussen, dass sie im Sinne der mächtigen Wirtschaftsvertreter gefällt werden. Pseudo-Studien wurden in Auftrag gegeben, Statistiken gefälscht, ernsthafte Wissenschaftler mit anderen Meinungen diffamiert und die ganze Maschinerie aus sozialen Medien, Fernsehen und Presseberichten genutzt, um gezielt Interessen durchzusetzen. Und, wie ich ja schon erwähnte, bin ich der Leiter und Pressesprecher des Zentralbereiches >Kommunikation< dieses Ladens. Der Mann, der das öffentliche Gesicht des IDW ist, der Mann, auf den alle schauen, der Mann, der sich heute wieder in die Schlacht stürzen sollte. Und leider auch der Mann, der genau die Fähigkeit verloren hatte, die für diese Aufgabe unabdingbar ist: die Wahrheit bis zur Unkenntlichkeit zu verbiegen und alternative Fakten zu produzieren, also Lügen zu erzählen.
Versuchen Sie sich gar nicht erst vorzustellen, mit welchen Gefühlen ich den protzigen Wirtschaftstempel im Herzen Berlins betrete - es wird Ihnen nicht gelingen! Auf dem Weg durch die Eingangshalle und zum Fahrstuhl schaue ich nach oben in den Bereich, wo mein Office liegt und mein Blutdruck offensichtlich schon längst angekommen ist: in der 10. Etage, Geschäftsleitung. "Hallo Herr Frank", begrüßt mich unser Pförtner Wennemeier gewohnt höflich von der Seite, "schön, Sie wieder hier zu sehen. Wie geht es Ihnen?" Ich halte kurz inne, wende mich ihm zu. Natürlich weiß ich, dass es sich bei seiner Ansprache lediglich um eine Höflichkeitsfloskel handelt. Trotzdem antworte ich ihm in mittlerweile gewohnter Ehrlichkeit: "Es ging mir eigentlich nie schlechter. Meine Frau hat mich verlassen, meine Freunde und die Familie wollen nichts mehr von mir wissen und ich habe es nie mehr gehasst, jetzt da hochzugehen. Außerdem können mir bisher weder Ärzte noch ein Psychiater helfen, ich befürchte langsam durchzudrehen." Wennemeiers Kinnlade klappt nach unten und ich setze mich wieder in Bewegung. Nicht auszuschließen, dass er seine Begrüßungsfloskel demnächst noch mal anpassen wird. Immerhin erreiche ich unbeschadet meinen Arbeitsplatz. Berge von Aktenordnern türmen sich auf meinem Schreibtisch.
"Ah da ist ja wieder mein bestes Pferd im Stall!" Wie immer stürmt, ohne anzuklopfen, Franz Meiler durch meine Tür. Mein Boss und der Chef von dem ganzen Laden hier. Mehrere Millionen schwer und immer unter Volldampf. Er mustert mich kurz und stellt zufrieden fest: "Sie wirken ja schon wieder topfit und kommen keinen Augenblick zu spät, um Elf ist die große PK zum Thema >Dieselgipfel<. Hätte ich am Ende selber machen müssen, stellen Sie sich das mal vor! Aber jetzt sind Sie ja wieder da, Gott sei Dank." Ich schaue ihn recht fassungslos an. "Sie wollen, dass ich völlig unvorbereitet in die große Pressekonferenz gehe? Chef, ich war fast drei Monate nicht hier." Meiler strahlt mich auf seine unvergleichliche Art und Weise an, die ihm in dem Laden hier den Spitznamen >Atom-Meiler< verschafft hat: völlig übertrieben, total künstlich und hochgefährlich. "Na, das ist doch wunderbar, dann sind Sie ja tiefenentspannt und sowas haben Sie ja schon immer aus dem Handgelenk geschüttelt. Außerdem kann ich dann zum Golf, der Söder hat was auf dem Herzen und wollte eine Runde mit mir drehen.am Stand der Dinge hat sich nichts verändert. Den wissen Sie doch noch, oder?" "Klar", antworte ich wahrheitsgemäß, "die Konzerne geben immer nur das zu, was sich ohnehin nicht mehr verheimlichen lässt und sprechen von bedauerlichen Einzelfällen, die irgendwelche zweitrangigen Techniker zu verantworten haben. Man lässt verlauten, man arbeite eng mit der Staatsanwaltschaft zusammen, liefert die kleinen Fische ans Messer und setzt weiter auf die veraltete Dieseltechnologie, solange man sich noch dumm und dämlich daran verdient. Die sogenannten Forschungsergebnisse unserer Klitsche decken genau diese Sichtweise." Für eine geschlagene Sekunde glotzt mich Meiler verwirrt an, dann ruft er begeistert: "Ja, genau so! Perfekt zusammengefasst. Ich sag ja, als wär'n Sie nie weggewesen. Auf dem Tisch liegen noch ein paar Zahlen, Sie wissen ja, der übliche Scheiß." Er öffnet seine Krawatte. "So, ich rufe jetzt den Markus an, dass ich doch Zeit für unsre Runde hab'. Mal sehen, was der will. Viel Glück." Atom-Meiler klopft mir jovial auf die Schulter und ist schon wieder draußen, bevor ich noch etwas sagen kann. Ich schaue ihm ratlos und mit offenem Mund hinterher, absolute Leere in meinem Kopf.
Kurze Zeit später schaue ich in das vollbesetzte Plenum unseres Presseraums. Die meisten Gesichter kommen mir bekannt vor, was allerdings meine Panik in keiner Weise verkleinert. Immerhin habe ich mir die Zahlen noch angesehen und mich von meiner superklugen Assistentin Nina zur aktuellen Situation updaten lassen. Und - noch viel wichtiger - eine Idee dazu entwickelt, wie ich das hier heil überstehe. Warum bin ich da nicht sofort draufgekommen? Denn eigentlich hab' ich ja keine Probleme, da ich hier ja immer nur die Sichtweise des IDW erzählen soll. Und nicht meine persönliche. Und auf die Fragen "wie ist die Position des IDW zum Thema .." sollten meine Bla-bla-Antworten kein Aufsehen erregen. Worüber mache ich mir also Sorgen?
Und genauso läuft es auch an. Erste Frage: "Wie ist die Position des IDW zu den neusten, aufgedeckten Betrugsfällen bei Porsche?" "Nun, der IDW hat in seiner neusten Studie herausgearbeitet, dass Porsche in der jüngsten Vergangenheit alles in seiner Macht Stehende getan hat, um derartige Unregelmäßigkeiten einzudämmen. 98 % der untersuchten Modelle sind ohne Beanstandungen geblieben." - Na also, funktioniert doch prima!
In dem Stil geht das ca. 45 Minuten, viele Themen werden angerissen, in denen ich zunehmend cooler und selbstsicherer die Fragen der Journalisten kontere. Genau wie in alten Zeiten. "So, da drüben noch, eine letzte Frage", läute ich das Ende der PK ein. Eine junge, attraktive Frau erhebt sich: "Verena Schmidt, Deutsche Presseagentur. Mich würde interessieren, wie Sie selbst die Abhängigkeiten der Politik von der Wirtschaft einschätzen. Gibt es - ihrer ganz persönlichen Meinung nach - einen zu starken Einfluss der Lobbyisten auf die Politiker?"
Was danach genau passierte, kann ich später seltsamerweise nur annähernd rekonstruieren. Ich redete und redete, was genau registrierte ich gar nicht. Ich nehme nur wahr, dass ich dabei in völlig überraschte Gesichter und ein Plenum offener Münder blicke. Journalisten erheben sich von den Plätzen, schauen einander an und schüttelten teils ungläubig, teils amüsiert die Köpfe. Ich rede wohl ziemlich lange, kann mich aber bewusst nur noch an den Schluss meiner Ausführungen erinnern ".und das ist es, was ich darüber denke, vielen Dank." Unmittelbar nach diesem Schlusssatz bricht die Hölle los. Wie in Trance sehe ich Menschen aus dem Saal stürmen, Geschrei, Aufruhr. Unser Ordnungsdienst ist überfordert, meine Assistentin Nina, sonst eine Ausgeburt an Disziplin, war inzwischen ohnmächtig von ihrem Stuhl gesunken. Alles wie die Zeitlupe in der Schlüsselszene eines Katastrophenfilms, die ich als Zuschauer nur staunend und fasziniert beobachten kann.
"Aaaaargh!" - so hört sich das also an, wenn der Atom-Meiler explodiert, denke ich, als mein Boss in vollem Golf-Ornat und im Laufschritt wenig später in mein Büro stürmt. Nach diesem unartikulierten Gebrüll, das sich noch dreimal in dieser Form wiederholt, findet er langsam zu seiner Muttersprache zurück. "WAS WAR DA LOS?", kreischt er für meinen Geschmack in einer etwas zu hohen Tonlage. "HABEN SIE KOMPLETT DEN VERSTAND VERLOREN? Julia Klöckner haben Sie als eine >Hure der Agrarlobby< bezeichnet? Der Verkehrsminister sollte lieber >Verkehrskasper< genannt werden, weil er eine Marionette der Autokonzerne ist, denen er es von hinten und vorne besorgt? Was trompeten Sie für einen Scheiß da raus auf der PK?" Er kann sich gar nicht beruhigen, ich habe schon Befürchtungen, dass er einen Herzinfarkt bekommt, seine Gesichtsfarbe würde dazu passen. "Und, und." ihm fehlen gerade die Worte "Nadja, was hat unser Kommunikationschef noch über die von der Leyen gesagt?" Nina, die offensichtlich inzwischen wieder zu Bewusstsein gekommen ist, war hinter ihm ins Zimmer geschlichen und steht etwas hilflos, blass und noch sichtlich geschockt neben ihm. "Nina, ich heiße Nina", gibt sie zunächst als Antwort, die Mr. Supergau...
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