Schweitzer Fachinformationen
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Die Hamstrings oder ischiocrurale Muskulatur sind eine Gruppe von vier Muskeln auf der Rückseite des Oberschenkels (Illustration auf Seite 13). Die Gruppe setzt sich zum einen zusammen aus dem zweiköpfigen, also aus zwei Muskelsträngen bestehenden Oberschenkelmuskel, Musculus biceps femoris, dessen kurzer Muskelstrang etwa in der Mitte des hinteren Oberschenkels entspringt und seitlich bis über das Kniegelenk verläuft, wohingegen sein langer, zweigelenkiger Strang vom Hüftgelenk bis zum Kniegelenk reicht. Zum anderen wird sie ergänzt durch den zweigelenkigen Musculus semitendinosus, den Halbsehnenmuskel, und den ebenfalls zweigelenkigen Musculus semimenbranosus, den halbmembranösen Muskel. Beide verlaufen ebenfalls vom Hüft- bis zum Kniegelenk.17 Zweigelenkige Muskeln, also Muskeln, die über zwei Gelenke verlaufen, zählen zu den längsten Muskeln des Körpers, da diese zum Teil sehr lange Segmente über weit entfernte Gelenke miteinander verbinden.
Der Musculus biceps femoris ist ein zweiköpfiger Muskel und gehört zum lateralen, also seitlich beziehungsweise außen verlaufenden Anteil der Hamstrings. Der lange Muskelstrang, Kopf genannt, entspringt am Sitzbeinhöcker des Beckens. Der kurze Kopf hat seinen Ursprung an der knöchernen Leiste der Schenkelbeinrückseite sowie am hinteren unteren Drittel des Oberschenkelknochens.18, 19, 20 Beide Muskelköpfe verlaufen am hinteren Oberschenkel, über das Kniegelenk und setzen am oberen Ende des Wadenbeins wieder an. Der kurze Kopf agiert erst am Ende als Verbindungsstück zum langen Kopf.21 Neuere Studien konnten zudem zeigen, dass die Ansatzsehne dabei einen medialen, also zur Körpermitte hin gelegenen, sowie einen lateralen, also seitlich gelegenen Teil aufweist, mit jeweils einer vorderen und hinteren Komponente. Gleichzeitig gibt es eine Verbindung zur Sehne des Kniekehlenmuskels sowie zum Kniekehlenband, das den Kniekehlenmuskel am Kniegelenk fixiert. Hieraus kann geschlossen werden, dass der Musculus biceps femoris und der Kniekehlenmuskel die Kniefunktion und Kniestabilität in Zusammenarbeit entscheidend unterstützen.22 Allerneueste Untersuchungen haben gezeigt, dass der Musculus biceps femoris zusätzlich auch am Schienbein ansetzt.23 Diese aufgedeckten differenzierten Ansatzpunkte sind hierbei nicht als punktuelle Ansätze anzusehen, sondern nehmen nicht unerhebliche Flächen ein. Dies gilt auch für die folgend beschriebene Muskulatur. Die Funktion und die Belastung des Muskels könnten also noch deutlich komplexer sein, als bisher bekannt.
Der Musculus semitendinosus, auch Halbsehnenmuskel genannt, entspringt am Sitzbeinhöcker des Beckens und hat somit einen gemeinsamen Ursprung mit dem langen Kopf des Musculus biceps femoris.24, 25 Er gehört zum medialen Anteil der Hamstrings. Der Ansatz, also das andere Ende des Halbsehnenmuskels, befindet sich an der Innenseite des Schienbeins.
Der Musculus semimembranosus, auch halbmembranöser Muskel oder Plattsehnenmuskel genannt, entspringt am Sitzbeinhöcker des Beckens und liegt seitlich und oberhalb der Ursprungsstelle des langen Kopfes des zweiköpfigen Oberschenkelmuskels und des Halbsehnenmuskels.26 Er gehört ebenfalls zum medialen Anteil der Hamstrings. Die Ansätze des Musculus semimembranosus sind der innere Schienbeinknorren, das schräge Kniekehlenband und die Faszie des Kniekehlenmuskels. Der Musculus semimembranosus bildet damit den längsten Muskel der Hamstrings.27, 28, 29
Abgebildet sind hier jeweils Ursprung und Ansatz sowie Zugrichtung der vier Muskelstränge der Hamstrings.
1 Kurzer und langer Kopf des zweiköpfigen Oberschenkelmuskels (Musculus biceps femoris)
2 Halbsehnenmuskel (Musculus semitendinosus)
3 Halbmembranöser Muskel (Musculus semimembranosus)
4 Komplette Muskelgruppe der Hamstrings
Weshalb nun ist die Muskulatur der hinteren Oberschenkel so wichtig für die reibungslosen Bewegungsabläufe unseres Körpers und welche Funktionen hat sie? Alle Muskeln der Hamstrings beugen das Kniegelenk und tragen mit Ausnahme des kurzen Kopfes des Musculus biceps femoris zur Streckung im Hüftgelenk bei. Nicht nur im Sport, sondern auch im Alltag ist eine starke und gesunde Hamstringmuskulatur daher von größter Wichtigkeit und unterstützt die ebenso wichtige Gesäßbeziehungsweise Glutealmuskulatur. Dies bedeutet, dass erst durch die reibungslose Zusammenarbeit aus Glutealmuskulatur als Agonist, sprich ausführende Muskulatur, und Hamstringmuskulatur als Synergist, sprich unterstützende Muskulatur, bestimmte Bewegungen der streckenden Muskelkette in den Beinen möglich sind.
Bei gebeugtem Kniegelenk tragen Musculus semitendinosus und Musculus semimembranosus zudem zur Innenrotation im Kniegelenk und der Musculus biceps femoris zur Außenrotation bei. Der Musculus semitendinosus stabilisiert unter Belastung das Kniegelenk gegenüber einer X-Beinstellung (Vagus-Stress), der Musculus biceps femoris gegenüber einer O-Beinstellung (Varus-Stress), wodurch eine Verletzung des Kniegelenks vermieden wird. Der Musculus semitendinosus und der Musculus semimembranosus können das Bein zusätzlich im Hüftgelenk bei gestreckter Hüfte nach innen rotieren, der Musculus biceps femoris trägt in dieser Konstellation gering zur Außenrotation bei. Der Musculus semimembranosus arbeitet zudem gegen die Abduktion (das Abspreizen des Beins) im Hüftgelenk sowie gegen die Außenrotation im Kniegelenk. Der Musculus biceps femoris arbeitet gegen die Innenrotation im Kniegelenk. Durch die benannten Funktionen stabilisieren die Hamstrings das gesamte Kniegelenk und unterstützen damit auch das vordere Kreuzband. Dieses verhindert, dass das Schienbein gegenüber dem Oberschenkelknochen nach vorn gleitet sowie das Kniegelenk rotiert.
Um die Funktionsweise, die Aufgaben und das Risiko für Verletzungen zu verstehen sowie gezielte Trainingsmethoden für die Hamstringmuskulatur daraus abzuleiten, werden im Folgenden die biomechanischen Grundlagen erläutert.
Kraft und Bewegung umzusetzen basiert immer auf einem genau abgestimmten und hochkomplexen Zusammenspiel aus Muskeln, Skelett, Nervensystem, Bewegungserfahrung und Genetik. Die Biomechanik beschreibt im Speziellen das Zusammenspiel aus aktiven und passiven Strukturen des Stütz- und Bewegungssystems auf der Grundlage mechanischer Gesetzmäßigkeiten. Beeinflusst wird Bewegung zudem durch mögliche Einschränkungen, die sich aus dem Kontext der aktuellen Situation ergeben. Ist der Körper akut oder chronisch beeinträchtigt, bestimmt dies die Verträglichkeit von Belastungen und damit das Risiko für Verletzungen. Letzteres erhöht sich zudem drastisch, wenn sich die aktuelle Bewegungssituation schlagartig und nicht entsprechend planbar ändert: beispielsweise in Spielsportarten, wenn eine Person aufgrund einer veränderten Spielsituation beim Laufen plötzlich abstoppt oder unvorhergesehen in eine Vertiefung oder auf eine Erhöhung tritt. Um die Prozesse und Bedingungen für Verletzungen zu verstehen und die passenden Präventionsstrategien wählen zu können, ist es notwendig, einige ausgewählte Grundlagen zur Muskulatur und im besonderen Maße zum Spezialfall der Hamstrings zu kennen.
Wenn im Allgemeinen von Muskulatur oder einem Muskel gesprochen wird, dann handelt es sich bei genauerer Betrachtung um einen ganzen Muskel-Sehnen-Komplex, der je nach physiologischem Aufbau aus Sehnen, Bindegewebe (Fasziengewebe) sowie den Muskelzellen besteht. Häufig finden sich am Ansatz von Muskeln sogenannte Aponeurosen, flächige Strukturen aus Bindegewebe, die die einzelnen Muskelfasern mit einer Sehne verbinden. Sehnen stellen wiederum die Verbindung zwischen Muskel und Knochen her. Sehnen werden vor allem stark belastet, wenn sich ein Muskel verlängert oder verkürzt und die Sehne dadurch unter Zug gerät oder zusammengedrückt wird. Unter diesem Aspekt müssen Sehnen, Aponeurosen und auch das Bindegewebe, mechanisch gesehen, die Eigenschaften einer Feder aufweisen. Dadurch haben sie wiederum direkten Einfluss auf die Funktion des Muskels sowie seine Fähigkeit, Kraft zu erzeugen und auf den Knochen zu übertragen. Weil sie unterschiedlich steif sind - Sehnen sind sehr steif, Bindegewebe dagegen eher weich -, sind sie in der Lage, mechanische Energie, also den Zug an ihnen, in sogenannte Verformungsenergie umzuwandeln und zu speichern beziehungsweise später wieder abzugeben. Sie stellen somit die passiven Kraftproduzenten eines Muskel-Sehnen-Komplexes dar.
INFO
Kontraktionsformen der Muskulatur
Arbeitet ein Muskel und spannt sich an, spricht man von einer Muskelkontraktion. Hierbei unterscheidet man konzentrische von exzentrischen und isometrischen Kontraktionen der Muskulatur: Während einer...
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