Schweitzer Fachinformationen
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Das Erste, was mir an ihr aufgefallen ist, war, dass sie viel schöner ist, als sie wahrscheinlich selbst weiß. Das klingt schmierig und überzogen romantisch, aber das war wirklich mein erster Gedanke, als die Frau aus dem weißen Opel Corsa ausgestiegen ist. Ich erkannte sie sofort, obwohl wir uns nie zuvor gesehen hatten und ihr Profilfoto ihr nicht gerecht wurde. Auch das brachte mich zu der Annahme, dass sie ihre eigene Attraktivität unterschätzte. Frauen, die sich selbst bestenfalls für durchschnittlich halten, stellten bei Facebook und Co. immer leicht seitlich fotografierte Selfies ein, die nur ihr mit ordentlich Weichzeichner und Filtern versehenes Gesicht zeigen. Ich nehme an, dass sie sich darauf besser gefallen als auf Schnappschüssen. Frauen, die vor Stolz auf ihr Äußeres fast platzen, benutzen Ganzkörperfotos, die ihre beste Freundin beim letzten Festival- oder Oktoberfestbesuch geknipst hat. Oder am Strand, wenn sie noch dazu einen straffen Bauch haben. Saskia zum Beispiel war so eine Frau. Das Display ihres Handys zeigte jahrelang ein typisches Touri-Foto von uns beiden, das ein Passant von uns aufgenommen hatte, als wir unseren ersten gemeinsamen Urlaub in Barcelona machten. Sie trug weiße Jeansshorts darauf, die ihre gebräunte Haut noch dunkler und die goldenen Sandalen noch schillernder wirken ließen. Ich sah auf diesem Foto aus wie ein Volltrottel. Saskia teilte diese Meinung, aber sie selbst gefiel sich auf der Aufnahme. Und sie müsse sich diesen Hintergrund schließlich mehrfach täglich angucken, so ihre Erklärung.
Die Frau, die ein paar Meter von mir und Dexter entfernt auf dem Hamburger Bahnhofsparkplatz aus ihrem Kleinwagen stieg, hatte sicher nirgends ein Foto von sich selbst aufgestellt. Sie wirkte gestresst und gehetzt, was ihrem herzförmigen Gesicht einen missmutigen Ausdruck und ihrer blassen Haut einen Rotton verlieh. Sie sah sich irritiert auf dem Parkplatz um, musterte das Mädchen zu meiner Rechten und war offensichtlich darauf bedacht, mit dem Fremden, der mit ihr eine Fahrt vereinbart hatte, Augenkontakt aufzunehmen. Mit dem Fremden, also mir. Es ist das Spiel, durch das alle durchmüssen, die sich auf das Abenteuer Carsharing einlassen.
Ich hatte den Service von ich-fahr-mit.de schon oft genutzt. Wenn ich zu meinen Eltern nach Frankfurt fuhr, saß ich meist auf dem Beifahrersitz von jungen Studenten, die Käppis trugen und einen Peugeot 206 mit getönten Scheiben geerbt hatten. Oder bei Pendlern, die genauso wie ich übers Wochenende die Familie besuchten. Die fuhren schwarze BMW Tourings oder Limousinen von Audi und sprachen oft über viele Hundert Kilometer kaum ein Wort. Es waren selten Frauen, die mich mitnahmen. Das könnte an meinem Profilbild liegen, auf dem ich nicht besonders gut aussehe. Allerdings habe ich keine Theorie dazu, ob Frauen lieber gut aussehende Männer in ihrem Wagen durch Deutschland kutschieren oder doch den schüchtern aussehenden Kerl bevorzugen, der sich offensichtlich selbst den Schädel rasiert.
Romy hatte die Fahrt mit den folgenden Worten inseriert: Ich fahre am 14. Mai von der Heimat in die Wahlheimat. Ich bin nicht unbedingt so elegant und rasant unterwegs wie Sebastian Vettel, aber ich weiß immerhin, wer das ist. Über Sport sollten wir uns dennoch nicht unterhalten, das könnte peinlich für mich werden. Ich freue mich auf unsere gemeinsamen 492 Kilometer!
Ich mochte das. Ich fragte bei ihr an und bei niemandem sonst. Und das, obwohl ich diese Fahrt wirklich brauchte. Ich musste weg aus Hamburg. Weg von dem Sofa meines Freundes Paul, auf dem ich seit Monaten schlief und das mir auf kurz oder lang wahrscheinlich einen Bandscheibenvorfall oder chronische Nackenverspannungen zufügen würde. Weg von Pauls Küche, die nur mit zwei Herdplatten ausgestattet war und einem Single-Kühlschrank voller Astra und ausgewählten Fertiggerichten von Maggi. Weg von Saskias ständiger Fragerei, wann ich Dexter endlich zu mir nehmen würde.
Romy wirkte verlässlich, sie nahm meine Anfrage binnen weniger Minuten an, und ihr Profiltext war anders, lustig. Nicht schreiend komisch, und ich vermutete, dass er ihr auch nicht locker von den Fingern gegangen war, sondern dass sie viele Anläufe gebraucht hatte, um diesen betont ungezwungenen Absatz zu erstellen. Aber etwas an der Tatsache, dass sie die Zahl vierhundertzweiundneunzig ausgeschrieben hatte, und daran, dass sie ihr Profilbild scheinbar nachlässig ausgewählt hatte, nahm mich für sie ein.
Wir waren etwa eine halbe Stunde unterwegs, als mir klar wurde, dass ich mich gewaltig in ihr getäuscht hatte. In den ersten dreißig Minuten unseres gemeinsamen Roadtrips zeigte sie mehr Persönlichkeit als jede Frau, mit der ich seit meiner Pubertät ein Date gehabt hatte.
Romy hatte Wortwitz. Sie war eloquent. Sie war durchaus in der Lage, einen schlichten Internet-Dreizeiler locker aus der Hüfte zu schütteln. Sie war angespannt, als ich ihr eröffnete, wir müssten einen vierzig Kilo schweren Rüden mit auf die Reise nehmen, aber schon bald bemerkte ich, dass sie sich um Dexter zu bemühen schien. Sie warf ihm Blicke über den Rückspiegel zu, und damit zeigte sie schon mehr Fürsorge für meinen besten Freund, als es Saskia in den letzten acht Monaten getan hatte.
Ich hänge übrigens nicht an Saskia. Ich habe mich an genau dem Tag von ihr getrennt, an dem mir klar wurde, dass Genervtheit und Perspektivlosigkeit über den letzten Rest meiner Zuneigung zu ihr gesiegt hatten. Ich verglich Romy auch auf den gesamten vierhundertzweiundneunzig Kilometern (ausgeschrieben! Keine Ziffern!) kein einziges Mal mit meiner Ex. Ich dachte nicht mal an meine Ex. Nicht mal in den Momenten, als sie mich nach ihr fragte.
Und, oh mein Gott, fand ich sie sexy!
Ich benutze das Wort sexy nicht freigiebig. Wirklich nicht! Ich bin ein Charmeur, ich kann ein Schwätzer sein, aber gerade deswegen gehe ich mit solch großen Worten wirklich sparsam um. Aber Romy - Romy mit dieser Marilyn-Monroe-Figur und der kräftigen, schwarz geschminkten Linie auf dem Augenlid, die ihren Augenaufschlag schwer und sinnlich wirken ließ - war einfach scheiße sexy.
Wenn ich je an Ich-will-dich-wiedersehen-auf-den-ersten-Blick geglaubt habe, dann als ich gemeinsam mit meinem Hund Dexter zu Romy in ihren Opel gestiegen bin.
2. Juni, Frankfurt-Sachsenhausen
Leon begrüßt alle Anwesenden auf Sarahs Grillparty mit einem Händedruck und stellt sich mit seinem Namen vor. Er lächelt dabei so offen und herzerwärmend, dass die Frauen beim Händeschütteln die Rücken durchdrücken, gerader sitzen und mit höherer Stimme sprechen, während sie ihm ihre Namen verraten. Die Männer hingegen beobachten den starken Geschlechtsgenossen zunächst argwöhnisch, erwidern seine Gesten jedoch freundlich und merken binnen Minuten, dass er zu sympathisch ist, um ihn zu einem Kompetenzduell aufzufordern.
Sarah erklärt kurz, woher wir Leon kennen. Die Anekdote über ich-fahr-mit.de lässt sie aus, sie steigt bei der unproblematischeren Szene in unserer Agentur ein.
»Unser Chef hat ihn uns einfach unangekündigt vor die Nase gesetzt. Ich kam an diesem Morgen natürlich direkt vom Sport und trug Leggins und einen Pulli von Daniel. Ich wirkte wie der letzte Penner. Romy hingegen sah aus, als wollte sie auf den Wiener Opernball gehen! Großartig, sag ich euch!«
Ich weiß, dass ein Teil von ihr das sagt, um Leon noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, dass ich an diesem Tag letzte Woche herausragend gekleidet war. Aber mir ist auch bewusst, dass sie die Gelegenheit nutzt, sich rückwirkend für ihren Aufzug zu rechtfertigen. Männer wie Leon rufen diese Reaktion hervor. Man will ihnen einfach erklären, wieso man es leider nicht geschafft hat, ihnen wie aus dem Ei gepellt unter die Augen zu treten. Es ist einschüchternd. Aber auch erregend, weil mich genau so ein Mann mehrfach um ein Date gebeten hat.
Für einen Moment entziehe ich dem Verkehrspolizisten die Kontrolle über die Chaoskreuzung in meinem Kopf und stelle mir vor, wie ich mit Leon zu einem Abend mit Freunden gehe. Mit ihm an meiner Seite. Vor den Augen von Frauen, die sich fragen, wo ich so ein Prachtexemplar gefunden habe, und Männern, die ihn unterbewusst beneiden und sich fragen, welchen Sport er treibt. Ich stelle dabei fest, dass meine Vorstellung nicht erneut in einer Massenkarambolage endet. Der Verkehr strömt beschwingter und flüssiger denn je.
»Es war ein Dreißig-Euro-Kleid aus dem Zalando-Outlet.« Nun habe ich das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen.
»Wiener Opernball!!«, insistiert Sarah.
Ich wende mich von der lachenden Gruppe ab, um erneut etwas aus der strombetriebenen Kühlbox neben dem nun fast gänzlich geplünderten Büfett zu nehmen. Dabei fange ich Leons Blick ein.
»Bier?«, frage ich, um wenigstens etwas zu sagen und ihn nicht nur anzustarren.
»Gern«, sagt er, »warte, ich helfe dir.«
»Das kann ich schon .« Ich bin drauf und dran, es abzulehnen, einen auf starkes Mädchen zu machen oder gar einen Witz darüber zu reißen, dass ich durchaus imstande bin, mit meinen zwei gesunden Händen zwei Bierflaschen alleine zu tragen. Doch Leon unterstützt sein höfliches Angebot mit einer Geste. Er legt seine flache Hand auf meine Taille, als wollte er mich zum Büfetttisch geleiten. Ich spüre seine Finger genau an dieser Stelle, die, so habe ich es in Filmen und Büchern gelernt, anzeigt, dass es jemand ernst meint. Ich kann mich nicht erinnern, ob es sich dabei um eine Romantische Komödie mit einem Hauptdarsteller wie Patrick...
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