Schweitzer Fachinformationen
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Verliebt, nicht verlobt und schon gar nicht verheiratet
Max ist auf der Suche nach der großen Liebe. Nela nicht. Max möchte heiraten. Nela nicht. Als sich die zwei ausgerechnet in einem Geschäft für Brautmoden das erste Mal sehen, schlägt jedoch bei beiden unwiderruflich der Blitz ein. Das Problem ist nur: Nela trägt bei dieser Begegnung ein Hochzeitskleid. Und Max ist gerade dabei, einer Frau in ein Outfit fürs Standesamt zu helfen. Völlig klar also, dass beide voneinander denken, sie träten demnächst vor den Traualtar - dabei könnte das von der Wahrheit nicht weiter entfernt sein. Als Max' IT-Firma über Nelas Plattenladen einzieht, sprühen die Funken immer heftiger. Aber können sie das Heiratsmissverständnis jemals aufklären? Und selbst wenn - wären ihre grundverschiedenen Lebensentwürfe überhaupt vereinbar?
Mir ist klar, dass die Gesellschaft jetzt, wo ich fast dreißig bin, gewisse Erwartungen an mich hat. Ich sollte mich niederlassen. Oder vielmehr: mich schon vor längerer Zeit niedergelassen haben. Denn streng genommen habe ich in meinem Alter das Singlemindesthaltbarkeitsdatum längst überschritten. Ich sollte schon verheiratet sein und Kinder wenigstens wollen. Mit Inbrunst. Und Traummann. Und Pferdekutsche. Ich bin schließlich eine Frau, heterosexuell, und mit meiner Gebärmutter ist auch alles tutti. Nun ja. Bis auf die Tatsache, dass sie sich seit meinem dreizehnten Lebensjahr jeden Monat einmal grundreinigen durfte, ohne dass ihr je eine befruchtete Eizelle dazwischengekommen ist.
Das Problem ist nur: Ich will das alles nicht.
Und trotzdem trete ich gerade in einem Haufen elfenbeinfarbener Spitze aus der Umkleidekabine einer hippen Brautmodenboutique für hippe heiratswillige Damen in der Frankfurter Innenstadt.
Mona, die Inhaberin vom Something New, führt mich zu einem stoffbezogenen Podest in der Raummitte und reicht mir die Hand, damit ich selbiges besteigen kann, ohne mich in Stoffbahnen mit vierstelligem Gegenwert zu verheddern. Mona trägt einen perfekten blonden Bob mit Pony und Highlights, ein Kostüm mit Blazer und Bleistiftrock und hat ein Lächeln mit der Strahlkraft einer atomaren Waffe. Meine Hand liegt in ihrer geöffneten Faust, als wäre ich eine alte Oma, die Hilfe dabei braucht, die Straße zu überqueren. Nur warten keine ungeduldig hupenden Autos auf uns, sondern meine besten Freunde, die mich ergriffen anstarren und alle drei kurzzeitig vergessen zu haben scheinen, dass das hier ein einziger großer Witz ist.
Ich, in einem Hochzeitskleid. Das ist ein Witz! Also wortwörtlich: Das hier sollte ein Scherz werden. Ein Scherz, den sich die drei ausgedacht haben, die gerade auf dem cremefarbenen Sofa Sekt und Orangensaft schlürfen und sich Trauben von einer silbernen Servierplatte reinziehen.
»Neeeeeela!« Meine beste Freundin Laura schlägt eine Hand vor ihre bedrohlich zitternde Unterlippe, bevor sie sie gerührt auf die Höhe ihres Herzens sinken lässt. Oder vielleicht legt sie sie schlicht auf der Schwangerschaftskugel ab, die sich unter ihrer Brust nach vorn wölbt. Je runder Laura wird, desto schwerer fällt es mir, ihre Körpersprache zu lesen.
»Hammer«, lobt Alijah knapp und formt mit Daumen und Zeigefinger eine Geste der Zustimmung. Würde Mona nicht bei uns stehen und jede einzelne Reaktion gierig aufsaugen, würde ich mir Alijah jetzt vorknöpfen. Sie ist schließlich schuld an dieser ganzen Charade. Hätten sie und ihre Verlobte Maren uns vor zwei Wochen nicht zu Drinks eingeladen, wäre ich niemals so betrunken gewesen, dass mir der Satz, der all das hier ausgelöst hat, über die Lippen gekommen wäre: »Ich muss zugeben: So ein Kleid ist schon nett. Schade, dass ich niemals heiraten werde.« Das habe ich gesagt. Nach mindestens vier Gin Tonic und zwei Portionen von Johanns legendärem Tiramisu, das sich hauptsächlich dadurch auszeichnet, dass er die Löffelbiskuits bis zur vollendeten Matschigkeit in selbst angesetztem, vierzigprozentigem Kahlúa einweicht. Keine Person, die sich diese tödliche Mischung reingepfiffen hat, sollte mehr ernst genommen werden. Und schon gar nicht sollte man hinter ihrem Rücken einen Termin in der Boutique ausmachen, in der man gerade selbst ein Kleid gekauft hat, und besagte Person unter dem Vorwand, eben jenes abzuholen, dorthin locken.
»Ist es nicht wunderschön?«, fragt Mona an Johann gewandt, der sich bisher nicht geäußert hat. Ich muss mir so heftig ein Kichern verkneifen, dass ein unelegantes Grunzen aus meinem Mund kommt. Dass sie das ausgerechnet von Johann wissen will, ist einfach zu absurd. »Du als Mann siehst das ja noch mal durch ganz andere Augen.«
Auch wenn ich mir sicher bin, dass der Aufbau männlicher und weiblicher Augen sich nicht grundlegend unterscheidet, muss ich Mona für ihre Motivation bewundern. Unter ihrer Aufsicht findet bestimmt jede Frau genau den Traum in Weiß, den sie sich schon mit sechzehn auf ihrer Pinterest-Pinnwand mit dem Titel »Ja, ich will« markiert hat.
Wenn Mona wüsste, dass wir ihre Zeit beanspruchen, obwohl niemand von uns vorhat, auch nur einen Cent für dieses Kleid auszugeben, würde sie uns wahrscheinlich im hohen Bogen rauswerfen. Dann könnte ich endlich meine Gesichtsmuskulatur entspannen, die seit einer halben Stunde die glücklich grinsende Bride-to-be mimt, obwohl ich am liebsten vor Lachen zusammenbrechen würde. Ich in einem Hochzeitskleid - das kann ich einfach nicht glauben.
Ich hätte vor dem Laden kehrtmachen sollen. Bevor Johann mich mit seinen hundert Kilo in den Schwitzkasten nehmen und durch die Tür bugsieren konnte. Und natürlich bevor Alijah mich ermahnen konnte, dass ich mitspielen müsse, weil sie sich sonst nicht mehr zu ihrer letzten Anprobe hier blicken lassen könne. Ich habe einfach nicht rechtzeitig reagiert, und plötzlich gab es kein Zurück mehr. Ali hatte schneller »Hallo, wir sind hier wegen der Anprobe für Nela Sturm!« gesagt, als ich meinen eigenen Namen hätte denken können.
»Also ich als Mann .«, sagt Johann mit einem Tonfall, der verdeutlicht, dass auch ihm das Rollenklischee hinter dieser Frage aufgefallen ist, »bin da ja nicht so der Experte.« Er sieht mir ein wenig zu lange in die Augen. Johann sitzt der Schalk so fest im Nacken, dass es schon unter normalen Umständen unmöglich ist, Blickkontakt zu ihm zu halten, ohne in Gelächter auszubrechen.
Jetzt knackse ich mir vor Anstrengung fast die ein oder andere Rippe an - was ihn mindestens ein Essen bei unserem Lieblingsvietnamesen kosten wird.
»Als frisch geschiedener Mann, der momentan von Hochzeiten eigentlich nichts wissen will, kann ich jedoch sagen, dass ich dich so zum Altar führen würde. Und das soll etwas heißen.«
Mona wedelt sich mit der Hand Luft zu, um diese gefühlvollen Worte zu verarbeiten.
»Danke, Johann«, sage ich mit verkniffenen Mundwinkeln.
»Jetzt schau dich doch mal richtig an!« Mona deutet begeistert auf die Spiegelwand, die mindestens 180 Grad des kreisförmigen Anproberaums ausmacht. Sich hier drin aufzuhalten, ohne sich richtig anzusehen, ist praktisch unmöglich. Aber ich muss dieses Spiel jetzt durchziehen, ohne meiner zynischen Seite die Oberhand zu lassen. Alijah zuliebe.
Ich lächle der Verkäuferin zu und mustere mich demonstrativ im Spiegel. Das Kleid ist am Oberkörper eng geschnitten und fällt etwa auf Höhe der Taille locker herunter. Dort verwandelt sich die Spitze in einen Rock aus Tüll und Seide, der so lang ist, dass ich wahrscheinlich auch dann noch reinpassen würde, wenn ich mich selbst auf den Schultern balancieren würde.
»Haut dich nicht um, oder?«, sagt Mona mit fachmännischem Nicken. »Ich sehe das. Ich sehe das immer sofort. Da entwickelt man ein Auge für. Wenn du DAS KLEID gefunden hast, merkt man es auf den ersten Blick.« Sie wendet sich zu meinen Freunden um. »Die Bräute haben dann einfach dieses Strahlen. So von innen heraus.« Sie klopft sich auf die Seite ihrer Brust, auf der ihr Herz schlägt, und verzieht vor Wonne das Gesicht. Ich freue mich für Mona, dass sie ihren Beruf so liebt. Wirklich. Ich bin weitaus schlechter darin, Begeisterung vorzutäuschen, wenn der x-te Kunde mit einer alten Beatles-Scheibe in meinen Plattenladen kommt und glaubt, dass ich sie ihm für ein Vermögen abkaufen werde.
»Ich hab's bei meinem Kleid auch sofort gewusst«, wirft Alijah ein, »beziehungsweise bei meinem Jumpsuit.« Die Verkäuferin stürzt sich auf die Tatsache, dass Ali auch demnächst heiraten wird, und schwelgt mit ihr in Erinnerung an ihre eigene Anprobe vor einigen Monaten. Auch heiraten - pff! Kurz muss ich mich selbst daran erinnern, dass Mona ja nur glaubt, dass mein großer Tag ebenfalls bald ansteht. Alijah musste ihr ein falsches Datum nennen, um den heutigen Termin zu ergattern: Soweit Mona weiß, trete ich schon im September in den Bund der Ehe ein - was Mona ein erschüttertes »In fünf Monaten?« abgerungen hat. Tja. Heute Morgen dachte ich noch, dass ich unverheiratet sterben werde, jetzt gebe ich schon diesen Herbst meinem Traummann das Jawort. So schnell kann's gehen.
Ich strecke resigniert meine Hand aus und verdeutliche Johann, dass er mir was von dem Alkohol einschenken soll. Mit seinem fiesesten Grinsen leistet er Folge und reicht mir eine bis zum Rand gefüllte Sektflöte. Ich leere das Glas in einem einzigen Zug, wobei der separate Anproberaum, den man nur betreten darf, wenn man plant, mehrere sehr große Scheine für ein Kleid auszugeben, kurz vor meinen Augen verschwimmt.
Laura hievt sich aus ihrer sitzenden Position hoch und kommt mit tadelnder Miene zu mir gewatschelt. In dieser zweiten Schwangerschaft ist ihr Bauch gefühlt doppelt so schnell gewachsen wie in ihrer ersten mit Mila. Sie ist im siebten Monat und bewegt sich jetzt schon in demselben Pinguinschritt fort, den sie sich bei Mila erst kurz vor dem Geburtstermin angeeignet hat. Schwerfällig stützt sie sich mit einem Fuß auf meinem Podest ab, stemmt eine...
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