Schweitzer Fachinformationen
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Nicht weniger als ein ganzes Leben erzählt Annett Gröschner mit der Geschichte der Blumenbinderin und Kranfahrerin Hanna Krause – mit einer Wucht und Poesie, wie sie nur dort entstehen können, wo die Literatur wirklichkeitssatt ist. Hanna Krause war Blumenbinderin, bevor das Leben sie zur Kranführerin machte. Sie hat zwei Revolutionen, zwei Diktaturen, einen Aufstand, zwei Weltkriege und zwei Niederlagen, zwei Demokratien, den Kaiser und andere Führer, gute und schlechte Zeiten erlebt, hat sechs Kinder geboren und zwei davon nicht begraben können, was ihr naheging bis zum Lebensende. Hatte später, nachdem ihr Blumenladen längst Geschichte war, von einem Kran in der Halle eines Schwermaschinenbaubetriebes in Magdeburg einen guten Überblick auf die Beziehungen der Menschen zehn Meter unter ihr und starb rechtzeitig, bevor sie die Welt nicht mehr verstand. Hanna Krause blieb bis zu ihrem Tod eine, die das Leben nimmt, wie es kommt. Ihr einziges Credo: anständig bleiben. Annett Gröschners Roman erzählt die Geschichte eines Jahrhunderts in einem einzigen Leben und gibt, mit Hanna, denen ein Gesicht, die zu oft unsichtbar bleiben. Ein Roman über das Ende des Industriezeitalters und seiner Heldinnen im Osten Deutschlands – und über eine gewöhnliche Frau in diesem unfassbaren 20. Jahrhundert.
"Ein grandioser Roman, von schlichter Schönheit und zutiefst ergreifend." Julia Schoch
"Bildgewaltig erzählt" tip Berlin, Thomas Hummitzsch "Tun, was getan werden muss, das ist die Lebenshaltung, die die Feministin Annett Gröschner in ihrem Roman aus Frauenperspektive feiert." Tagesspiegel, Gunda Bartels "In ihrem neuen Roman erzählt Annett Gröschner eine Alternativgeschichte der DDR aus weiblicher Sicht. Ohne Ideologie, ohne Stasifetisch, aber mit Sympathie für ihre Heimatstadt Magdeburg." SPIEGEL, Sabine Rennefanz "Annett Gröschner ist ein Wirbelwind auf dem literarischen Parkett . ihrem scharfen, klugen Blick und ihrem Witz entgeht nichts im Alltag ihrer Umgebung." Frankfurter Allgemeine Zeitung, Lerke von Saalfeld "Annett Gröschner ist eine unkonventionelle und immer rasend interessante Autorin." Süddeutsche Zeitung, Marie Schmidt "Was Gröschners Roman aus der Masse von Romanen, die Frauenschicksale erzählen, heraushebt, ist seine Tiefenschärfe." WELT, Marc Reichwein "Annett Gröschner erzählt in ihrem Roman 'Schwebende Lasten' vom Leben der Arbeiterin Hanna und einem Jahrhundert Magdeburger Geschichte." ZEIT im Osten, Cynthia Cornelius "Ganz beiläufig fließt nicht nur die Magdeburger, sondern auch die deutsch-deutsche Geschichte ein in dieses Buch, aber damit wird sie lebendiger als in jedem Dokumentarfilm. ... "Schwebende Lasten" ist ... ein großartiger Roman!" Deutschlandfunk Kultur, Michael Eggers "Im Leben einer Frau wird uns ein ganzes Jahrhundert vor Augen geführt, so detailliert, so lebendig und spannend, dass man immer wieder an ein reales Schicksal denkt." Der Freitag, Irmtraud Gruschke "Gröschner hat der Generation unserer Großmütter ein Denkmal gesetzt." Mitteldeutsche Zeitung, Grit Warnat "Es ist eine Hommage an die, die sonst nicht im Zentrum der Literatur stehen, die Unsichtbaren, Marginalisierten." Märkische Oder Zeitung, Christina Tilmann "Ein dicht gearbeitetes, eindrückliches und unprätentiöses Porträt der unvergesslichen Hanna." SWR Kultur, Corinne Oslowski "Die deutsche Literatur könnte mehr solcher Gestalten vertragen wie Hanna, die Kranfahrerin aus Magdeburg." mdr KULTUR, Carsten Tesch "Ihrem scharfen und klugen Blick entgeht nichts. Es ist ein Buch, das Sie zum Weinen und zum Lachen bringt und am Ende sind Sie auch glücklich." ARD, ZDF & 3sat auf der Leipziger Buchmesse, Matthias Hügle
"In perfekter Balance zwischen lakonisch und herzzerreißend wird hier ein Leben in diesem fürchterlichen 20. Jahrhundert erzählt, Kriege und Verzweiflung, Liebe und Aufopferung, zarte Blumen und übermenschliche Kraft." Elke Heidenreich
Dies ist die Geschichte der Blumenbinderin und Kranfahrerin Hanna Krause, die zwei Revolutionen, zwei Diktaturen, einen Aufstand, zwei Weltkriege und zwei Niederlagen, zwei Demokratien, den Kaiser und andere Führer, gute und schlechte Zeiten erlebt hat, die bis auf ein paar Monate im Berlin der frühen 1930er Jahre nie aus Magdeburg herauskam, sechs Kinder geboren hat und zwei davon nicht begraben konnte, was ihr naheging bis zum Lebensende. Die unter einer Kirche verschüttet und jeglicher Güter beraubt wurde, die ihren einbeinigen und im Alter stummen Mann Karl, der nach der Schicht im Stahlwerk in die Kneipe musste, weil er kein Flaschenbier vertrug und gerne Skat spielte, auf dem Rücken durch die Welt trug und die jede Woche sechs Haufen dreckige Wäsche vor ihren Füßen hatte. Die später, nachdem ihr Blumenladen im Knattergebirge genannten Armenviertel der Stadt längst Geschichte war, von einem Kran in der Halle eines Schwermaschinenbaubetriebes einen guten Überblick auf die Beziehungen der Menschen unter ihr hatte und die rechtzeitig starb, bevor sie die Welt nicht mehr verstand.
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Auch als Szilla bekannt. Manche sagen Meerzwiebel wegen der blauen Farbe. Bei uns ist der zweiblättrige Blaustern verbreitet. Blüht früh, vor allem in Parks. Zwiebelpflanze. Gehört zur Familie der Liliengewächse, wird nicht höher als 20 Zentimeter. Die Blüten bilden Trauben, nicht duftend. Beim Anbau wichtig: Boden aus Sand für die Durchlässigkeit und Torf für längeres Halten der Feuchtigkeit. Achtung: Die Pflanze ist giftig, verursacht Übelkeit, Erbrechen und Herzprobleme.
Die Straßenbahn stand schon eine ganze Weile auf der Scharnweberstraße, gleich hinter der Kreuzung Weichselstraße. Draußen waren Schneeschieber zu hören, die auf dem Pflaster der Fahrbahn kratzten. Hanna hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, damit das Geräusch nicht mehr an ihrem Schädel schabte, aber ihre Hände durften die Hundeleine nicht loslassen. Vor der Bahn machten sich fünf Männer zu schaffen, Hanna musste sich auf Zehenspitzen stellen, um sie zu sehen. In aller Seelenruhe räumten sie die Schienen von Schnee und Eis frei. Die BVG, das merk, Berliner, ist im Verkehr dein erster Diener. Hanna hatte es eilig, wie es in Berlin alle immer eilig hatten, außer denen, die von der Stadt bezahlt wurden, um sie am Laufen zu halten. Vielleicht kam Hanna das Leben hier deshalb so überstürzt vor. Vor allem zwischen dem dritten Advent und Weihnachten, nachdem sie aus Magdeburg zurückgekehrt war, mitten hinein in den Weihnachtstrubel auf der Frankfurter Allee, der die Menschenmenge bis in die Seitenstraßen hineindrückte. Jetzt, Anfang Januar, war die Hektik wieder einer routinierten Eile gewichen.
Hanna fiel ein, dass sie vergessen hatte, die Neujahrskarte an Rose in den Briefkasten zu werfen. Hatte sie wenigstens das Datum korrekt geschrieben? Sie holte die Karte aus der Handtasche und sah, dass dort 3. 1. 32 stand. Sie überlegte, ob sie aus der 2 eine 3 machen sollte. Aber dann würde der Fehler ihrer Schwester wahrscheinlich erst recht auffallen. Früher hatte Hanna immer eine Kopfnuss bekommen, wenn sie im Januar das Datum auf den Lieferscheinen korrigieren musste. Rose schimpfte jedes Mal - warum ließ sie Hanna überhaupt noch in die Schule gehen, wenn sie nicht mal das Datum richtig schreiben konnte. Rose fiel es selbst schwer, deswegen war Hanna seit ihrem zwölften Lebensjahr für den Schreibkram im Laden zuständig gewesen. Manchmal fragte sie sich, ob Rose überhaupt je richtig schreiben gelernt hatte. Als Königin der Blumen, wie ihr Mann Walter sie nannte, mit einem Geschäft gleich neben der Landesfrauenklinik, hatte sie es nicht nötig, für die Abrechnungen gab es ja ihren Mann und Hanna. Eigentlich war ein Blumenladen gleich neben einer Entbindungsstation wie ein Fünfer im Lotto, aber die Geschäfte liefen wegen der unaufhörlichen Krisen nicht mehr so gut, weswegen Rose Hanna als Haushaltshilfe zu Margarete nach Berlin geschickt hatte. In einem anderen Magdeburger Blumengeschäft wäre Hanna nur unliebsame Konkurrenz gewesen.
Rose und Margarete waren Hannas Halbschwestern. Halbe Schwestern nannte Hanna sie. Im Gegensatz zu ihrer knapp zwei Jahre älteren ganzen Schwester Liese.
Ihre halbe Schwester Margarete lebte mit ihrem Mann Heinrich in einer weitläufigen Wohnung in der Weichselstraße, gleich an der Frankfurter Allee, Vorderhaus, 1. Stock. Margarete sagte Beletage, was bei ihr immer wie Belle Tasch klang und Hanna an den Boxerhund mit seiner taschengroßen zerknautschten Schnauze denken ließ, der sie begleitete, zum Ärger der Schaffnerin, die ihn im Weg sah, dabei hatte Hanna den Hundekörper unter den Sitz geschoben und seinen Kopf, die Leine kurz gehalten, mit ihren Füßen eingeklemmt. Schwager Heinrich sagte zum ersten Stock Piano nobile, aber der hatte schließlich eine großbürgerliche Bildung genossen, während Margarete nur in die Sudenburger Volksschule gegangen war.
Hanna mochte keine Hunde. Der Boxer wusste das. Aber sie hatten sich schnell arrangiert, was blieb ihnen auch anderes übrig. Eigentlich sollte sie den Weg nach Lichtenberg zu Fuß zurücklegen. Heute im Schnee war es ihr und dem Hund jedoch zu mühsam, deshalb hatte sie die Straßenbahn genommen und den Fahrschein von ihrem Taschengeld bezahlt.
Der Boxer hieß Harald, aber Hanna sagte nur Gurke zu ihm, inzwischen hörte er auf diesen Namen. Seit Ende Oktober lag er abends auf ihren Füßen und wärmte sie, und Hanna ließ es zu. Für Margarete und Heinrich war der Hund Kindersatz. Margarete konnte nicht verstehen, was Hanna gegen Haustiere hatte. Dafür gab es Gründe. Einmal hatte Hanna heimlich eine junge Katze hinter den Gewächshäusern der Blumenhandlung großgezogen. Aber Walter bekam es mit und schmiss das Tier in die Regentonne, wo es ertrank. Die traurigen Augen der Katze verfolgten Hanna bis heute in ihren Träumen. Sie hatte damals nicht geweint. Sie weinte überhaupt nur ganz selten. Es blieb auch keine Zeit dafür. Wie alt war sie gewesen? Zehn? Elf. Von hinten brüllte ihr einer ins Ohr: «Sie da, Kleene, mit die Töle. Sag'n Se ma det Vieh, det ett von meene Füße uffstehn soll.» Hanna beugte sich nach unten und sah durch ihre Beine, dass der Hund unter dem Sitz entschlüpft war. Sie zog seinen Kopf mit der Leine zu sich und schimpfte: «Ungezogenes Biest.» Der Hund schaute sie gleichgültig an. Dann wollte sie sich bei dem Mann entschuldigen, aber der saß schon nicht mehr an seinem Platz.
Hanna war anfangs todunglücklich über die Wendung ihres Lebens, hatte sie sich doch wohlgefühlt im Hinterzimmer des Blumenladens, wo sie sich immer neue Gebinde und Gestecke ausdachte, die Rose dann als ihre eigenen Kreationen verkaufte. Weinen und Betteln, sie wolle auch zum halben Lohn arbeiten, halfen nicht. Sie durfte sich bei Defaka auf der Otto-von-Guericke-Straße einen Koffer aussuchen und Rose plättete ihr die Kleider auf. «Wir haben alles für dich und Liese gemacht.» Hanna schwieg und schluckte ihre Widerworte herunter. Sie wollte ja dankbar sein.
Rose und Walter hatten sie und Liese nach dem plötzlichen Tod der Mutter an Kindes statt aufgezogen, obwohl Rose nur sechzehn Jahre älter war als ihre Halbschwester Liese. Im Gegensatz zu Hanna grübelte Liese nie und konnte die Leute bequatschen. Wenn Kunden den Blumenladen in der Absicht betreten hatten, rote Rosen zu kaufen, gingen sie mit Margeriten, weil Liese ihnen einredete, Rosen seien überschätzt und die Feingliedrigkeit der Margeriten unterstreiche ihren Charakter als Schenkende viel besser. Ihrer großen Schwester war das nicht recht, weil Rosen mehr Geld einbrachten und Liese vorlaut war, insbesondere zu den Kundinnen. Hanna fragte sich, wie Liese es immer schaffte, weniger Schläge für viel größere Vergehen zu bekommen. Vor vier Jahren hatte sie einen Herrenschneider geheiratet, der in der Nähe des Blumenladens sein Atelier betrieb.
Hanna sah ihre frühe Kindheit nur schemenhaft, wie durch eine Milchglasscheibe, hinter der sich Personen bewegten, deren Gesicht sie nicht erkennen konnte. Der Vater wie weggewischt, nur der Name Borkowski war von ihm geblieben, die Erinnerung an die Mutter stets vage, ihr Gesicht von wilden blonden Haaren umrahmt. Hanna sah sie in der dunklen Küche mit einem Brief...
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