Schweitzer Fachinformationen
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Nichts ist eindrücklicher als eine gute Geschichte. Man liest sie, vergleicht sich mit den Personen in diesen Geschichten, kennt jemanden, dem oder der es ganz ähnlich ergangen ist. Medizin ist eine lebendige Wissenschaft, ein Arzt lernt mit jedem neuen Fall dazu. Die ärztliche Anamnese ist der Grundpfeiler jeden medizinischen Handelns. Ich höre zu, betrachte meine Patientinnen oder Patienten, versuche zu verstehen, wie es ihnen geht und vor allem warum es ihnen so geht, dass sie ärztlichen Rat suchen. Ich weiß, dass viele Menschen das Gefühl haben, beim Arztbesuch müsse immer alles ganz schnell gehen, weil so viele andere draußen im Wartezimmer sitzen und ebenfalls auf ihren Termin warten. Und nicht selten entsteht der Eindruck, dass sehr schnell oder zu schnell Medikamente verschrieben werden. Das ist schade, aber genauso gibt es viele Beispiele von Ärztinnen und Ärzten, die mit viel Geduld und Empathie ihren Patientinnen und Patienten zuhören und mit ihnen gemeinsam einen guten Weg zur Verbesserung ihrer Situation finden wollen.
Ich bin allen, die bei mir in Behandlung waren oder mit mir zusammengearbeitet haben, zu großem Dank verpflichtet. Sie haben mein Wissen zur Gesundheit erweitert. Ich will Ihnen einige Fallbeispiele ausführlich vorstellen, die für mich typisch sind für Rückenprobleme, unter denen heute so viele leiden, und die Ihnen vor Augen führen, wie wichtig es ist, stets die ganze Lebenssituation in die Anamnese miteinzubeziehen. Oft liegen die Ursachen für Rückenschmerzen gar nicht im Rücken selbst, sondern diese sind »nur« Symptome für ganz andere Probleme.
Vor circa 20 Jahren kam ein Manager zu mir und klagte über heftige Brustschmerzen über dem Herzen. »Ich bin schon von Pontius zu Pilatus mit meinem Herz gelaufen, Professor. Aber nichts hat geholfen, selbst der Herzkatheter nicht.« Abgesehen davon, dass ein diagnostischer Katheter nicht helfen kann, waren alle herzdiagnostischen Maßnahmen unauffällig. Damals gab es noch keine interdisziplinäre Verzahnung in der medizinischen Versorgung wie heute - und auch heute ist sie immer noch nicht optimal. Doch die scharfe Trennung bei Diagnose und Therapie von Herz, Rücken, Psyche etc. war eklatant. Ich hatte sehr früh schon aus eigener Erfahrung interdisziplinäre Brustzentren gefordert, und ich hatte schon Anfang der 1990er-Jahre die ambulante und ultraschnelle Herzdiagnostik im CT - ohne Katheter! - in meinem Grönemeyer Institut in Bochum neben den Rückentherapieverfahren integriert. In exakt dieser Zeit kam der verzweifelte Patient zu mir und suchte Rat bzw. Linderung.
Nach gründlicher körperlicher Diagnose und radiologischer Bildgebung von Herz und Rücken und 6-Augen-Auswertung von einer Radiologin, einem Kardiologen und einem Orthopäden war sehr schnell klar: Dieser Manager hatte gar kein Herzproblem, sondern eine Arthrose, ein Brustwirbelgelenk zeigte deutlichen Verschleiß. Die Arthrose würde bleiben, aber die Schmerzen konnten wir ihm nehmen. Ebenso die Angst vor einem Herzinfarkt.
Die erfolgreiche multimodale Behandlung bestand aus einer mikrotherapeutischen Behandlung des Gelenks unter Betrachtung im Computertomografen mit einer Verödung eines schmerzmeldenden Nervs mit einer klitzekleinen Sonde. Es folgten Physiotherapie und unterschiedlichste manuelle Verfahren. Auch ein psychologisches Coaching war Bestandteil der Therapie. Und es wirkte! Die Dankbarkeit des Patienten war gewaltig: »Jetzt kann ich beschwingt ohne Angst weiterleben. Glauben Sie mir, ich war schon sehr depressiv geworden.«
Es ist immer wieder verblüffend. Man leidet an Rückenschmerzen, und plötzlich tut es an Stellen weh, die weit entfernt von der Wirbelsäule sind. Des Rätsels Lösung ist im Grunde ganz einfach: Man muss nur wissen, dass der Rücken als ein zentrales Organ über zahllose Nervenbahnen in die verschiedensten Regionen mit Organen und Gliedmaßen vernetzt ist, sozusagen vom Scheitel bis zur Sohle. So können uns etwa die Finger schmerzen, obwohl sie völlig gesund sind. Aus den Wirbeln treten Nervenbündel aus, die zu jeweils unterschiedlichen Bereichen des Körpers führen. Wenn diese Versorgungswege gestört sind, weil etwa eine Bandscheibenläsion vorliegt oder eine Arthrose in den kleinen Wirbelgelenken die Nerven quetscht, können Symptome wie von einem Organ ausgehend empfunden werden. Leider wird dieser im Grunde einfache Zusammenhang bei vielen Diagnosen nicht hinreichend berücksichtigt. Die geplagten Patienten laufen dann vergeblich von Arzt zu Arzt. Dabei könnte man die Ursache mit einer sorgfältigen Untersuchung oder einem bildgebenden Verfahren leicht erkennen. Schnell würde sich herausstellen: Kopfschmerzen und Schwindelgefühle, aber auch Schlaflosigkeit und Nackenverspannungen können damit zusammenhängen, dass in der Halswirbelsäule Nerven gereizt sind, gerade am Atlaswirbel, wo Nerven liegen, die die Blutzufuhr zum Gehirn steuern.
Störungen in der Brustwirbelsäule können sich als Druck und Schmerz in der Herzgegend bemerkbar machen. Was scheinbar auf Herzprobleme hindeutet, hat dann mit dem Herzen selbst gar nichts zu tun. Oder ein anderes Beispiel für den gleichsam fremdgesteuerten Schmerz: Am obersten Lendenwirbel treten die Nerven aus, die den Dickdarm und die Leisten versorgen. Störungen können Druck im Bauchraum auslösen oder wie eine Reizung des Darms erscheinen. Trauen Sie also nicht immer dem ersten, vordergründigen Eindruck. Beobachten Sie sich selbst und sprechen Sie Ihren Haus- oder Facharzt oder Ihre Krankengymnastin oder einen Osteopathen auf einen möglichen Zusammenhang organischer Beeinträchtigungen mit dem Rücken an. Lassen Sie nicht locker, denn Sie fühlen manchmal den Zusammenhang von Symptomen, über den wir in der Medizin erst später stolpern. Moderne Diagnostikverfahren können schnell Sicherheit schaffen und helfen, Lebensqualität wiederherzustellen. Moderne Behandlungsmethoden, die das Geschehen in der Tiefe des Körpers berücksichtigen und genau dort ansetzen, ebenso!
Letztens schleppte sich eine 78-jährige Patientin mit gebeugtem Rücken zu mir in mein Ambulanzzimmer. Sie konnte sich kaum noch aufrichten vor Schmerzen. »Professor, ich kann nicht mehr«, flüsterte sie mit zittriger Stimme. »Ich habe bestimmt einen Bandscheibenvorfall!« Diese bedrohliche Diagnose hatte sich bereits tief in Ihrem Kopf verankert. Allzumal Freunde und Familie sie darin bestärkten. »Auch mein Hausarzt weiß mir - außer mit Schmerzmitteln - nicht zu helfen. Aber das ist doch keine Hilfe! Ja, ich bin schon alt, aber so klapperig nun auch wieder nicht«, fügte sie an. »Eigentlich war ich immer fit wie ein Turnschuh.« Sie versuchte zu lächeln, was ihr aber nicht richtig gelang.
Meine Gesprächsanamnese und die körperliche Untersuchung ließen mich auf ein Muskel-Faszien-Problem tippen. Die MRT (Magnetresonanztomografie) brachte auch keine anderen Hinweise, denn es waren bis auf altersgerechte Veränderungen keine Auffälligkeiten zu finden. So konnte ich sie erst einmal durch Aufklärung und wichtige Hinweise zur Selbsthilfe beruhigen. Die Therapie bestand in einer Rücken-Wellnesskur - so nenne ich es - mit viel Wärme, Massagen, Triggerpunktmassagen, Akupressur und Entspannungsübungen sowie Schwimmen und Yoga. Der Schmerz konnte schließlich vor allem durch osteopathische Therapie drastisch reduziert werden. Die alte Dame kam überglücklich und aufrecht wieder und strahlte. »Es geschehen doch noch Zeichen und Wunder. Ich dachte wirklich, ich müsse bald sterben. Aber es sind ja nur diese blöden klitzekleinen Muskelhäute, die nicht sichtbar zu machen sind, die mich gepeinigt haben. Jetzt bin ich wieder fit, bis ich 111 werde.« Sie fiel mir glücklich um den Hals.
Forschungsergebnisse zeigen, dass die Faszien eine wichtige Rolle bei Schmerzen spielen können. Faszien sind die feinen Häute, das Bindegewebe, die die Muskeln umhüllen, zusammenhalten und sich mit den Nachbarmuskeln vernetzen. Sie reichen bis in die Muskeln hinein und umhüllen mit zartesten Häuten selbst die kleinen Muskelfasern. Dieses Bindegewebe verleiht den Muskeln Stabilität. Genauso kann das Gewebe aber auch durch Alterung oder durch Fehlbelastung bzw. durch Stoffwechselveränderungen an Elastizität verlieren, etwa während einer Schwangerschaft. Faszien können aber auch - wie bei Cellulite oder beim »Bierbauch« - überelastisch oder sogar überdehnt werden. Aus speziellen Zellen, den Fibroplasten, wird das Fasziengewebe auf- oder abgebaut. Man hat festgestellt, dass nicht nur Bewegungsmangel, sondern auch Stress eine wichtige Rolle im Schmerzgeschehen durch negative Bindegewebsreaktionen spielen kann: Die Fibroblasten werden dann überaktiv und produzieren immer mehr Gewebe, sodass die Faszien mit dem Muskel wie verkleben oder geschrumpft wirken. Solche verhärteten oder erweichten Faszien können nicht unerheblich an muskulär bedingten Rückenschmerzen beteiligt sein.
Es gibt verschiedene Arten von Muskelfaszien, die - vergleichbar mit den vielen dicken und dünnen Schalen bzw. Häuten und Fasern im Inneren einer Orange - die einzelnen Elemente zusammenhalten. Ohne Faszien würden die Muskeln wie Honig zerfließen. Genau deshalb ist das Fasziengewebe einzelner Muskeln mit den Faszien benachbarter Muskeln verbunden. Alle zusammen spannen ein...
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