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Ticktack, ticktack - trotz langfristiger Planung wurde mir die Endgültigkeit des Rentenbeginns erst bewusst, als auf der Uhr meine finalen Stunden am Arbeitsplatz runterliefen. Man kann sich darauf mental nur schwer vorbereiten! Genauso wenig hatte ich alle To-dos auf dem Schirm, die mit meinem Abgang verbunden waren. Doch meine Kollegen, meine Freunde und meine Familie überhäuften mich zum Schluss mit so viel Liebe, dass die Rührung den Schmerz und den Stress übertrumpfte.
Das Studio leer, es fällt mir schwer,
ja was hier fehlt, ist klar: Denn einen Mensch wie dich,
den find ich niemals mehr, doch umso schöner wird jetzt das, was mal war.
Mach et jot, mach et jot, bis zum nächsten Mal.
Mach et jot, mach et jot.
Diese Strophe stammt aus dem Lied, das meine "Sporties" zum Abschied für mich geschrieben haben. So nenne ich die Kollegen aus der Sportredaktion, mit denen ich tagtäglich arbeitete. Drei von ihnen - nämlich Sveni, Hoffi und Pachu - könnten vom Alter her meine Söhne sein und sind mir vielleicht auch deshalb ganz besonders ans Herz gewachsen. Dazu kommt Peter "Ritsch" Reichert - ein "Oldie" Ende 50, den die Jungs genauso lieben wie mich. Wir waren schon eine ungewöhnlich vertraute Truppe, muss ich sagen.
Einer von den vieren hat einen guten Draht zur Kölner Band Fiasko. Deren Song "Maat et jot" durften sie für mich umdichten. Gemeinsam mit Fiasko haben sie ihn dann im Studio und teilweise in der Kölner Kultkneipe "Bei d'r Tant" aufgenommen, mit einfühlsamen und lustigen Szenen unterlegt. Herausgekommen ist ein wunderschönes Musikvideo. Das habe ich auf meinem Handy gespeichert. Wenn ich meine "Band" und die anderen Sporties vermisse, muss ich nur auf Play drücken. Allerdings ist dann auch die Gefahr groß, dass meine Augen wieder feucht werden .
Peter und ich hatten uns eigentlich einen Abschied ohne Tränen gewünscht, weil wir auf der Party zusammen mit den Kollegen vor allem die gemeinsamen Jahre feiern wollten, an die wir alle so viele schöne, lustige, fröhliche Erinnerungen haben. Aber wie das öfter so ist im Leben: Es kam ganz anders als gedacht. Und zwar gewaltig!
Aber steigen wir doch am Anfang meiner letzten Arbeitswoche ein in die Geschichte. Da war ich noch null aufgeregt. Das lag wohl daran, dass wir unseren Weggang von RTL ja lange geplant hatten und damit völlig im Reinen waren. Ich war gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt, sah diese Woche als eine Art "Zugabe" und lief fröhlich durch die Flure. Doch je näher der finale Tag rückte, desto mehr Kollegen kamen auf mich zu. Sie wollten noch einmal mit mir sprechen, über gemeinsame Erlebnisse lachen ("Weißt du noch, als wir beim Champions-League-Finale in Barcelona fast die Schalte verpasst hätten?") oder mir einfach nur viel Glück für die Zukunft wünschen und ein letztes Selfie machen. Erst durch die anderen wurde mir langsam bewusst, was da auf uns zukommen würde. Peter ging es genauso. Wir schauten uns zwischendurch immer mal wieder an und versicherten uns: "Ja, es tut auch weh. Aber es ist genau der richtige Zeitpunkt."
Was ich aber auch zu Peter sagte: "Wir sind echt verrückt!" Warum? Weil wir die letzte Woche ganz normal arbeiteten, anstatt einen Großteil der Aufgaben ausnahmsweise mal abzugeben. Denn es kamen ohne Ende Extratermine auf uns zu: Punkt 6, Punkt 7, Punkt 8, Punkt 12 und das Nachtjournal wollten uns auf den letzten Drücker noch live oder zumindest aufgezeichnet in ihren Sendungen haben, die Social-Media-Kollegen hatten sich auch noch ein paar Specials mit uns einfallen lassen - und als krönenden Höhepunkt widmete stern TV Spezial in der Nacht vor unserem Abschied Peter eine Sondersendung mit Überraschungsgästen. Dass ich einer von denen sein sollte, erfuhr ich aber erst wenige Tage vorher.
"Es wäre so toll, wenn du dabei wärst", überfiel mich die Redaktion.
"Das kann ich nicht machen", war meine erste Reaktion. "Ich habe Übernachtungsgäste, meine Mädels reisen extra an!"
Kaum hatte ich nämlich im privaten Umfeld verbreitet, dass ich am 23. August 2024 aufhören würde, war klar: Pascale und Edda, meine RTL-Freundinnen aus Anfangszeiten, müssen dabei sein.
Pascale, die seit ihrer Altersteilzeit im südfranzösischen Théoule lebt, hat viele, viele Jahre als Regisseurin bei RTL Aktuell gearbeitet. Kennengelernt hatten wir uns aber schon, als der Sender noch in Luxemburg saß, gemeinsam landeten wir dann in Köln. Sie wurde zu einer meiner engsten Vertrauten.
Aus Berlin wollte Edda anreisen, ebenfalls eine langjährige RTL-Wegbegleiterin. Ich saß 1989 kaum zwei Monate an meinem Schreibtisch in Köln, da trat eine große blonde Frau ans Newsdesk, also den Tisch, an dem die Konferenzen stattfinden, und begrüßte uns mit den Worten: "Tach, mein Name ist Kraft, Edda Kraft. Ich bin die Quotenfrau bei RTL explosiv."
Ich fand ihren Auftritt urkomisch und lachte mich tot. Sie guckte mich an, ich guckte sie an und von dem Tag an waren wir best friends. Das ist bis heute so geblieben. Darum legte ich bei stern TV erst mal ein Veto ein. "Ich kann beim besten Willen nicht, ich gehe da mit meinen Freundinnen und meiner Tochter essen, die sind alle extra angereist."
Für die Redaktion stellte das kein Problem dar: "Es reicht, wenn du gegen 23.30 Uhr auftrittst", hörte ich als Antwort. "Geh essen und wir bestellen dir einen Wagen, der dich vom Restaurant abholt."
Weil ich Peter ungemein schätze, ließ ich mich überreden, es genauso wie vorgeschlagen zu machen. Während sich der Rest der Ladys-Runde nach dem leckeren Dessert zu uns nach Hause aufmachte, fuhr ich ins stern TV-Studio, um Peter zu überraschen.
Stunden zuvor hatte er mich noch gefragt: "Bist du heute Abend eigentlich auch dabei?" "Nein!", gab ich zurück und hatte sofort ein schlechtes Gewissen. Denn Peter anzulügen, würde ich normalerweise nie machen, er vertraut mir schließlich, genau wie ich ihm. Aber in dem Moment musste es sein - und der Ausdruck auf seinem Gesicht, als ich mit meinem zitronengelben Hosenanzug doch ins Studio schwebte, war unbezahlbar. Gut, dass ich eingewilligt hatte. Es war eine wirklich schöne Sendung, die Peters Einsatz noch mal in ein gebührendes Licht rückte.
Um 1 Uhr nachts war ich endlich zu Hause, wo ich meine Freundinnen und meine Familie in geselliger Runde antraf. Da musste selbstverständlich noch ein Glas getrunken werden. Bis 2 Uhr feierten wir in meinen Ausstand rein, dann musste ich aber wirklich ins Bett. Denn nur sechs Stunden später hieß es schon wieder: aufstehen! Und zwar das letzte Mal für RTL.
Peter und mir wurde erst am großen Tag selbst richtig klar, dass das jetzt endgültig ist. Und ich war plötzlich so durch den Wind, dass ich nicht mal mehr meinen eigenen Namen hätte richtig buchstabieren können.
Wir wussten, dass nach unserer letzten Sendung eine große Abschiedsparty steigen würde. Und wir wussten auch, dass schon vorher (für uns) unvorhergesehene Dinge passieren würden. Die lieben Menschen von RTL hatten sich schon zu Beginn unserer Abschiedswoche eine große Überraschung einfallen lassen: Ich kam mit meinem Sportkollegen Sven am ersten Tag nach meinem Sommerurlaub gemeinsam in den Sender, als er meinte, er wolle sich auf dem Weg zum Schreibtisch noch einen Kaffee holen. Ich folgte ihm Richtung "Hub", einem fast 300 Quadratmeter großen, hypermodernen Loft mit Bühne, Leinwand, Sitzgelegenheiten, Arbeitsinseln und einer Kaffeebar. Dort werden auch Betriebsversammlungen abgehalten.
An diesem Tag standen plötzlich auf 15 oder 16 Staffeleien riesige Bilder von Peter und mir ordentlich in zwei Reihen, wie ein Spalier. Aus allen Epochen, mal einzeln, mal zusammen. Unser ganz persönlicher Walk of Fame! Ich wusste gar nicht, wie ich damit umgehen sollte. Das war irgendwie total schön, so viel Wertschätzung und auch wirklich liebevoll zusammengestellt - aber mir war's auch ein bisschen peinlich, so hochgejubelt zu werden.
Was würde nur am letzten Abend auf uns zukommen? Und wie würden wir damit zurechtkommen? Die Anspannung bei Peter und mir wuchs stündlich. Mich katapultierte die Größe dieses Moments gedanklich noch einmal zurück zum ganz kleinen Anfang.
Meinen ersten Tag bei RTL trat ich im März 1985 an. Ich war gerade 28 geworden, hatte freitags an der Uni Aachen die letzte Klausur meines Germanistik- und Geschichtsstudiums geschrieben und erschien am Montag zum Auftakt meiner Probewoche bei Radio Luxembourg. RTL ist die Abkürzung für Radio Télévision Luxembourg. Das deutschsprachige Radioprogramm gab es schon lange vor dem TV-Sender, der in den ersten Jahren deshalb auch mit einem "plus" versehen war.
Damals wurde aus Luxemburg gesendet, weil private Sender in Deutschland noch keine Lizenz bekamen. Vom kleinen Nachbarland aus konnte RTL über die Mittelwelle als "Piratensender" ganz Deutschland bestrahlen. Trotz der schlechten Tonqualität mit Knarzen und Rauschen wurde Radio Luxembourg vor allem bei den jungen Leuten zu dem Sender schlechthin: Er war modern, frisch - und damit das Gegenteil der behäbigen Öffentlich-Rechtlichen. Es gab die neueste Musik, lustige Wortbeiträge und viel Interaktion mit den Zuhörern, die während einzelner Sendungen anrufen konnten.
Im Sender arbeiteten lauter junge Menschen und ich plötzlich mittendrin! Das kam so: Ein...
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