Schweitzer Fachinformationen
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Auf dem alten Schlosse Hudemühlen, das im Lüneburgischen nicht weit von der Aller liegt und von dem nur noch Mauern stehen, hat sich lange Zeit ein wunderlicher Hausgeist aufgehalten. Zuerst ließ er sich im Jahre 1584 hören, indem er durch bloßes Poltern und Lärmen sich zu erkennen gab. Darnach fing er an, bei hellem Tage mit dem Gesinde zu reden, welches sich vor der Stimme, die sich hören ließ, ohne daß jemand zu sehen war, erschreckte, nach und nach aber daran gewöhnte und nicht mehr darauf achtete. Endlich ward er ganz mutig und hub an, vor dem Hausherrn selbst zu reden, und führte mittags und abends während der Mahlzeit mit den Anwesenden, fremden und einheimischen, allerhand Gespräche. Als sich nun die Furcht verlor, ward er gar freundlich und zutraulich, sang, lachte und trieb allerlei Kurzweil, solang ihn niemand bös machte; dabei war seine Stimme zart, wie die eines Knaben oder einer Jungfrau. Als er gefragt wurde, woher er sei und was er an diesem Ort zu schaffen habe, sagte er, daß er aus dem böhmischen Gebirg gekommen wäre und im Böhmerwalde seine Gesellschaft hätte, die wolle ihn nicht leiden; daher sei er nun gezwungen, sich so lang zu entfernen und bei guten Leuten Zuflucht zu suchen, bis seine Sachen wieder besser ständen. Sein Name sei Hinzelmann, doch werde er auch Lüring genannt; er habe eine Frau, die heiße Hille Bingels. Wann die Zeit gekommen, wolle er sich in seiner wahren Gestalt sehen lassen, jetzt aber wäre es ihm nicht gelegen. Übrigens wäre er ein guter und ehrlicher Geselle wie einer.
Der Hausherr, als er sah, daß sich der Geist je mehr und mehr zu ihm tat, empfand ein Grauen und wußte nicht, wie er ihn loswerden sollte. Auf Anraten seiner Freunde entschloß er sich endlich, sein Schloß auf eine Zeit zu verlassen und nach Hannover zu ziehen. Auf dem Weg bemerkte man eine weiße Feder, die neben dem Wagen herflog, wußte aber nicht, was sie zu bedeuten habe. Als der Edelmann zu Hannover angelangt war, vermißte er eine goldene Kette von Wert, die er um den Hals getragen hatte, und warf Verdacht auf das Gesinde des Hauswirts; dieser aber nahm sich seiner Leute an und verlangte Genugtuung für die ehrenrührige Anklage. Der Edelmann, der nichts beweisen konnte, saß unmutig in seinem Zimmer und überlegte, wie er sich aus diesem verdrießlichen Handel ziehen könnte, als er auf einmal neben sich Hinzelmanns Stimme hörte, der zu ihm sprach: »Warum bist du so traurig? Ist dir etwas Widerwärtiges begegnet, so entdecke mir's, ich weiß dir vielleicht Hilfe. Soll ich auf etwas raten, so sage ich, du bist wegen einer verlorenen Kette verdrießlich.« - »Was machst du hier?« antwortete der erschrockene Edelmann, »warum bist du mir gefolgt? Weißt du von der Kette?« Hinzelmann sagte: »Freilich bin ich dir gefolgt und habe dir auf der Reise Gesellschaft geleistet und war allzeit gegenwärtig. Hast du mich nicht gesehen? Ich war die weiße Feder, die neben deinem Wagen flog. Wo die Kette ist, will ich dir sagen: such nur unter dem Hauptkissen in deinem Bett, da wird sie liegen.« Als sie sich da gefunden hatte, ward dem Edelmann der Geist noch ängstlicher und lästiger, und er redete ihn heftig an, warum er ihn durch die Kette mit dem Hauswirt in Streit gebracht, da er doch seinetwegen schon die Heimat verlassen. Hinzelmann antwortete: »Was weichst du vor mir? Ich kann dir ja allenthalben leichtlich folgen und sein, wo du bist! Es ist besser, daß du in dein Eigentum zurückkehrst und meinetwegen nicht daraus entweichst. Du siehst wohl, wenn ich wollte, könnte ich das Deinige all hinwegnehmen, aber darauf steht mein Sinn nicht.« Der Edelmann besann sich darauf und faßte den Entschluß, zurückzugehen und dem Geist, im Vertrauen auf Gott, keinen Fußbreit zu weichen.
Zu Hudemühlen zeigte sich Hinzelmann nun gar zutätig und fleißig in allerhand Arbeit. In der Küche hantierte er nachts, und wenn die Köchin abends nach der Mahlzeit Schüssel und Teller unabgewaschen durcheinander in einen Haufen hinsetzte, so waren sie morgens wohl gesäubert, glänzend wie Spiegel, in guter Ordnung hingestellt. Daher sie sich auf ihn verlassen und gleich abends nach der Mahlzeit ohne Sorgen zur Ruhe legen konnte. Auch verlor sich niemals etwas in der Küche, oder war ja etwas verlegt, so wußte es Hinzelmann gleich in der verborgnen Ecke, wo es steckte, wiederzufinden und gab es seinem Herrn in die Hände. Hatte man fremde Gäste zu erwarten, so ließ sich der Geist sonderlich hören, und sein Arbeiten dauerte die ganze Nacht: da scheuerte er die Kessel, wusch die Schüsseln, säuberte Eimer und Zuber. Die Köchin war ihm dafür dankbar, tat nicht nur, was er begehrte, sondern bereitete ihm freiwillig seine süße Milch zum Frühstück. Auch übernahm der Geist die Aufsicht über die andern Knechte und Mägde, gab Achtung, was ihre Verrichtung war, und bei der Arbeit ermahnte er sie mit guten Worten, fleißig zu sein. Wenn sich aber jemand daran nicht kehrte, ergriff er auch wohl den Stock und gab ihm damit die Lehre. Die Mägde warnte er oft vor dem Unwillen ihrer Frau und erinnerte sie an irgendeine Arbeit, die sie nun anfangen sollten. Ebenso geschäftig zeigte sich der Geist auch im Stalle: er wartete der Pferde, striegelte sie fleißig, daß sie glatt anzusehen waren wie ein Aal, auch nahmen sie sichtbarlich zu wie in keiner Zeit, also daß sich jedermann darüber verwunderte.
Seine Kammer war im obersten Stockwerk zur rechten Seite, und sein Hausgerät bestand aus drei Stücken. Erstlich aus einem Sessel oder Lehnstuhl, den er selbst von Stroh in allerhand Farben gar kunstreich geflochten, voll zierlicher Figuren und Kreuze, die nicht ohne Verwunderung anzusehen waren. Zweitens aus einem kleinen runden Tisch, der auf sein vielfältiges Bitten verfertigt und dahin gesetzt war. Drittens aus einer zubereiteten Bettstatt, die er gleichfalls verlangt hatte. Man hat nie ein Merkmal gefunden, daß ein Mensch darin geruht, nur fand man ein kleines Grüblein, als ob eine Katze da gelegen. Auch mußte ihm das Gesinde, besonders die Köchin, täglich eine Schüssel voll süßer Milch mit Brocken von Weißbrot zubereiten und auf sein Tischlein stellen, welche hernach rein ausgegessen war. Zuweilen fand er sich an der Tafel des Hausherrn ein, wo ihm an einer besonderen Stelle Stuhl und Teller gesetzt werden mußte. Wer vorlegte, gab ihm die Speise auf seinen Teller, und ward das vergessen, so geriet der Hausgeist in Zorn. Das Vorgelegte verschwand, und ein gefülltes Glas Wein war eine Weile weg und wurde dann leer wieder an seine Stelle gesetzt. Doch fand man die Speisen hernach unter den Bänken oder in einem Winkel des Zimmers liegen.
In der Gesellschaft junger Leute war Hinzelmann lustig, sang und machte Reime; einer der gewöhnlichsten war:
»Ortgieß läßt du mick hier gan,
glücke sallst du han;
wultu mick aver verdrieven,
unglück warst du kriegen.«
wiewohl er auch die Lieder und Sprüche anderer wiederholte zur Kurzweil, oder um sie damit aufzuziehen. Als der Pfarrer Feldmann einmal auf Hudemühlen zu Gast geladen war und vor die Türe kam, hörte er oben im Saal jemand singen, jauchzen und viel Wesens treiben, weshalb er dachte, es wären abends vorher Fremde angekommen, die oben ihre Zimmer hätten und sich also lustig bezeigten. Er sagte darum zu dem Hofmeier, der auf dem Platz stand und Holz gehackt hatte: »Johann, was habt ihr droben vor Gäste?« Der Hofmeier antwortete: »Niemand Fremdes; es ist unser Hinzelmann, der sich so lustig stellt, es wird sonst kein lebendiger Mensch im Saal sein.« Als der Pfarrer nun in den Saal hinaufstieg, sang ihm Hinzelmann entgegen:
»Mien Duhme (Daumen), mien Duhme,
mien Ellboeg sind twey!«
Der Pfarrer verwunderte sich über diesen ungewöhnlichen Gesang und sprach zu Hinzelmann: »Was soll das für eine Musik sein, damit du nun aufgezogen kommst?« - »Ei«, antwortete der Geist, »das Liedlein hab ich von Euch gelernt, denn Ihr habt es oft gesungen, und ich hab es noch vor etlichen Tagen, als Ihr an einem gewissen Ort zur Kindtauf waret, von Euch gehört.«
Hinzelmann neckte gern, ohne aber jemand Schaden dabei zu tun. Knechte und Arbeitsleute, wenn sie abends beim Trank saßen, brachte er in Handgemeng und sah ihnen dann mit Lust zu. Wenn ihnen der Kopf ein wenig warm geworden war, und es ließ einer etwa unter den Tisch etwas fallen und bückte sich darnach, so gab er ihm rückwärts eine gute Ohrfeige, seinen Nachbar aber zwickte er ins Bein. Da gerieten die beiden aneinander, erst mit Worten, dann mit Werken, und nun mischten sich die andern hinein, so daß jeder seine Schläge austeilte und erhielt und am andern Morgen die blauen Augen und geschwollenen Gesichter als Wahrzeichen überall zu sehen waren. Daran ergötzte sich Hinzelmann von Herzen und erzählte hernach, wie er es angefangen, um sie hintereinander zu bringen. Doch wußte er es immer so zu stellen, daß niemand am Leben oder an der Gesundheit Schaden litt. Auf dem fürstlichen Schlosse zu Ahlden wohnte zu der Zeit Otto Aschen von Mandelslohe, Drost und Braunschweigischer Rat; diesem spielte Hinzelmann auch zuweilen einen Possen. Als einmal Gäste bei ihm waren, stiftete er einen Zank, so daß sie zornig auffuhren und nach ihren Degen greifen wollten. Keiner aber konnte den seinigen finden, und sie mußten es bei ein paar Querhieben mit der dicken Faust bewenden lassen. Dieses Streichs hat sich Hinzelmann gar sehr gefreut und mit vielem Lachen erzählt, daß er Urheber des Zanks gewesen, vorher aber alles tödliche Gewehr versteckt und beiseite gebracht. Er habe dann zugeschaut, wie ihm sein Anschlag so wohl gelungen wäre, daß sie sich weidlich herumgeschmissen.
Zu einer Zeit war ein Edelmann zu Hudemühlen...
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