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Die verzauberte Prinzessin
(Nach mündlicher Überlieferung)
Es war einmal ein schlichter Handwerksmann, der hatte zwei Söhne, die hießen Hellmerich und Hans; dieser ging einst aus seinem Dörflein in die nahe Stadt, um Geschäfte mancherlei Art abzutun. Als er am Abend, schon auf dem Heimweg begriffen, in der äußern Schenke noch einen stärkenden Trunk tat, machte ihn ein höchst lebhaftes Gespräch, das einige junge zechende Männer führten, aufmerksam; er lauschte mit Augen und Ohren, denn die Rede jener Leute ging von nichts Geringerem als davon, dass ein herrliches Schloss mit unermesslichem Gold und Gütern zu gewinnen sei. In diesem Schlosse schmachte eine holde Prinzessin verzaubert nach Erlösung, welche Prinzessin dem Glücklichen, der sie durch pünktliche Erfüllung dreier Proben, die ihm auferlegt würden, erlösen würde, die königliche Hand reiche und ihn zu ihrem Gemahl erhebe. Derjenige, dies war aber der Zusatz, der die drei Aufgaben nicht löse, so er doch die Prinzessin begehrt, müsse das Leben lassen und kehre nimmer wieder.
Nachdenklich und mit hochschlagendem Herzen schritt der ehrliche Meister über die vom Abenddämmer umsponnene Heimatflur seinem Dörflein zu. Schon sah er in Gedanken seinen ältesten Sohn, Hellmerich, den er ungleich mehr liebte als seinen andern, Hans, im Königsschloss, und die holde Prinzessin als seine hochverehrteste Schnur.
Daheim teilte er nun seinem lieben Weibe und seinen Söhnen die goldene Neuigkeit mit, und alle waren ganz erstaunt über diese Mär. Der Vater gebot nun gleich seinem Lieblingssohn Hellmerich, sich aufzumachen, und das Wagestück zu bestehen; die Sache litt keinen Aufschub; sollte Hellmerich das schöne Schloss gewinnen und die Prinzessin einnehmen, so musste das Werk rasch unternommen und ausgeführt werden, denn es leuchtete dem klugen Meister als ganz natürlich ein, dass viele andere sich auch daran wagen könnten und würden. Und Hellmerich war auch so entzückt und begierig, und bereits in seinem stolzen Herzen des Sieges so gewiss, dass er schon mit Hoffart und verächtlichen Blicken die kleinliche Welt um sich her maß, und ungeduldig der Stunde entgegen harrte, da er auf einem schön gezäumten Ross davonfliegen und dem ihm bestimmten Glück in die Arme eilen sollte. Endlich schlug die ersehnte Stunde. Scheidend verhieß Hellmerich, schon im Gefühl seiner Königswürde voll unaussprechlicher Huld und Güte, seinen armen Eltern, deren ganzes Vermögen sich in das stolze Ross verwandelt hatte, er wolle sie, samt seinem dummen Bruder Hans, in einem sechsspännigen Wagen abholen lassen, sobald er die Prinzessin erlöset habe.
Hans weinte, denn er fühlte sich gar sehr zurückgesetzt und gekränkt. Indessen, er arbeitete treulich und bald wieder fröhlich für den Unterhalt seiner lieben Eltern.
Hellmerich reiste stattlich von Ort zu Ort, des Sommers blumenreiche Gefilde breiteten sich immer lieblicher und erquickender vor seinen Blicken aus; je mehr er sich dem herrlichen Ziele näherte, je zauberischer und prächtiger gestaltete sich die Natur; rauschende Wälder und trauliche Bäche, klarduftende Wiesen, spiegelnde Teiche, anmutige Höhen und wogende Saatfelder wechselten auf das Angenehmste miteinander ab; hier schien es so paradiesisch, dass Hellmerich keinen Zweifel hegte, das zu gewinnende Königsgebiet bereits betreten zu haben. Und wirklich schimmerte endlich in der sonnenlichten Ferne ein goldglänzender Punkt. Da zitterte die wildeste Freude durch Hellmerichs Herz. Er jauchzte laut, und schlug mit der Reitgerte weit um sich. So trabte er am Saume eines frischen Laubwäldchens hin und scheuchte die Vöglein, die goldgefiederten, harmlosen Sänger von den Zweigen. Bald kam er an einen großen Ameisenhügel, der im Wege lag, und er ließ ihn mutwillig von seinem Ross zertreten und zerstampfen, sodass die erzürnten Geschöpfe an sein Pferd und an ihn selbst krochen und ihre Rache mit Schmerz erregenden Bissen ausließen, bis Hellmerich wütend sie alle zerschlug und zertrat. Und weiter kam er an einen silberhellen Teich, da schwammen zwölf weiße Entchen. Der böse Hellmerich lockte sie ans Ufer und trat sie tot; nur ein einziges entkam. Dann kam er an einen schönen Bienenstock, und tötete aus purem Frevelmut auch die kleinen fleißigen Künstler. So übte er an allem, was ihm aufstieß, die Tücke eines bösen Herzens.
Immer herrlicher erhob sich in der Ferne das Königsschloss, sein Dach war gülden, auf den zierlichen Türmen wehten hell schimmernde Fahnen. Das Gebäude war von Marmor aufgeführt, die hohen Fenster blinkten wie Flammenspiegel, und rings war es umrauscht von schattenden Myrtenbäumen, umblüht von den herrlichsten Blumen und Rosenbüschen. Doch immer geheimnisvoller wurde das Schweigen, das sich über diesem Zauber verbreitete.
Hellmerich stand jetzt an der hohen Pforte und klopfte ungeduldig, bis ein altes Mütterlein, mit spinnenwebfarbigem Gesichte und schreckendem Gespensterputz, erschien, und mit Widerwillen nach seinem Begehren fragte. »Nun, die Prinzessin will ich erlösen«, war Hellmerichs kecke Antwort: »Sage, was soll ich tun, altes Weib?« »Da musst du morgen früh neun Uhr wiederkommen«, sprach das Mütterlein, »wo ich dich hier erwarten, und das Weitere mit dir vornehmen werde.«
Zur bestimmten Zeit stellte sich Hellmerich ein; das Mütterlein erschien, und trug ein kleines Fass voll Leinsamen, den sie bald auf einer schönen Wiese ausstreute, und zu Hellmerich sagte: »Lese alle Körner wieder zusammen, auf dass nicht eins fehle, in einer Stunde komme ich wieder, mein Sohn, da muss diese Aufgabe gelöst sein.« Aber der hochfahrende Hellmerich mochte sich nicht bücken in seinem modisch engen Gewande und spottete der albernen Aufgabe. Er spazierte auf und ab, bis das Mütterlein wieder kam, und mit hohnlächelnden Mienen das leere Fässlein anblickte. Nun hatte sie zwölf goldene Schlüssel, die sie in den nahen spiegelnden Teich warf, und sie sagte zu Hellmerich: »Diese Schlüssel sollst du wieder herausholen, auf dass kein einziger fehle, in einer Stunde komme ich wieder, mein Sohn, da muss diese Aufgabe gelöst sein.«
Hellmerich spähte hinein in das Wasser, er schnitt Baumzweige ab und häkelte hinein, aber er brachte keinen einzigen Schlüssel heraus. Er stieg selbst ins Wasser, und kam nur mit Mühe wieder ans Ufer, ohne einen Schlüssel gefunden zu haben. Mütterlein kam, und Hellmerich hatte seine Aufgabe nicht gelöst. Da führte sie ihn die schöne Marmortreppe hinan, und öffnete des Schlosses hohe goldene Pforte, dann schritt sie weiter voran durch herrliche Zimmer und Säle, bis sie endlich in ein anmutiges Gemach traten, wo tiefschweigend drei verschleierte Frauen saßen. Eine war wie die andere gekleidet. »Nun wähle dir eine von diesen Frauen«, sprach das Mütterlein, »zwei davon sind böse und eine ist gut; wählst du die gute, so bist du ewig glücklich, wählst du aber eine böse, so befiehl deine arme Seele. In einer Stunde komme ich wieder, mein Sohn, da muss diese Aufgabe gelöst sein.«
Nun stand Hellmerich schwankend und unschlüssig, bis es zwölf Uhr schlug, und das Mütterlein hereintrat. Da deutete er flugs nach der Rechten. Die Zaubergestalten erhoben sich, und die Schleier rauschten zur Erde. Die Mittelste war ein holdseliges Mägdlein, ihr schöner Liliennacken war umwallt von reichen Locken, ihre Hände und Brust waren mit funkelndem Geschmeide behangen, und auf dem Haupte trug sie eine goldene Krone. Ihr wehmütiger, tränender Blick haftete eine kurze Minute auf Hellmerichs Angesicht, dann senkte sie das Tränenauge, und der Schleier sank wieder leise über die zarte, holde Gestalt hin. Die beiden aber zur Rechten und Linken waren hässliche Furien, ihre Augen sprühten feurige helle Flammen, ihre Zähne schlugen knirschend aneinander und an ihren Häuptern wuchsen Hörner hervor und an den Händen abscheuliche Krallen. So stürzten sie mit höllischer Freude nach dem Unglücklichen, und schleuderten ihn zum Fenster hinaus, wo er in einem dunklen Abgrund auf immer verschwand. Und dann verschwand auch alles Übrige, Schloss, Prinzessin und Zauberhain.
Ein Jahr war verflossen, und wieder schmückten des Frühlings rosige Blüten die Erde, aber bei dem armen Handwerksmann war noch kein sechsspänniger Wagen angekommen, und auch keine Kunde, dass die Prinzessin erlöst sei. Die Eltern gaben schmerzlich ihren Sohn Hellmerich auf. Und Hans fühlte heimlich eine herzliche Lust, auch einmal sein Glück zu versuchen, wiewohl er dies Vorhaben sorglich vor seinen Eltern verbarg. In einer hellen Mondnacht schlich er sich davon, ohne Ross und ohne Reisegeld, und wanderte wohlgemut durch Länder und Städte. Er nährte sich von Waldbeeren und Wurzeln, trank aus der klaren Quelle, sang mit den frommen Vögeln, und schlief sorglos und harmlos auf dem weichen Moose des dunkeln Waldes.
So wanderte er fröhlich fort, bis er eines Mittags an ein schattiges Laubwäldchen kam; dort begann das Gebiet des Zauberschlosses. Wie selig schlug sein Herz als er dieses paradiesische Land überschaute. Verklärt von rötlichem Schimmer lag es vor seinen Blicken ausgebreitet, und von mächtigem Zauberreiz war er also ergriffen, dass er trunkenen Sinnes auf seine Knie sank. Es umfing ihn ein süßer Schlummer, und er träumte lange, auf dem kühlen Waldmoose ruhend. Eine holde Frau, umwallt von hell schimmerndem Gewande, stieg zu ihm hernieder und reichte ihm eine Schale voll süßen Wassers, das er trank, und welches ihn himmlisch erquickte; und weiter taten sich goldene Herrlichkeiten vor seinem Traumblicke auf, liebliche Mägdlein in blumigen Gewändern umtanzten ihn und trugen ihn empor auf einen goldenen Thron, wo die holde Frau saß, die...
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