Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Oktober: Charlottenburg b. Berlin. Beteiligung an den Vorbereitungen zur Gründung des >Schutzverbands Deutscher Schriftsteller<. [Buchwesen, Bd.21 S.32]
1. Oktober: Das Drama >Die Freivermählten< soll noch in der aktuellen Spielzeit in Berlin zur Uraufführung kommen. [Neues Wiener Journal] Dazu kommt es nicht. Aus Angst vor Problemen mit den Zensurbehörden lehnen einige Theater das Stück ab, andere wollen nicht als Propagandaplattform dienen. Wenig später liegt dem Dichter und Kritiker Ferdinand Hardekopf das Manuskript vor. In dem Stück versucht M durch die Schilderung von unehelich zusammenlebenden Personen, die selbst über ihren Partner bestimmen - sich damit in Gegensatz zu ihren Eltern stellen -, die daraus herrührenden Probleme aufzuzeigen und Kritik an den herrschenden rigiden Gesetzen des Staates zu üben.
21. Oktober: In der unbelebten Burgstraße in München lässt der 17-jährige Heinrich Keller in der Nacht vor dem Haus des Hofposamentierers Bock eine Donarit-Sprengkapsel detonieren. Das Straßenpflaster wird aufgerissen und Fenster gehen zu Bruch. Wenig später findet die Polizei in der Nähe des Justizpalastes noch drei Pakete mit Donaritsprengstoffkapseln. Der Attentäter ist schnell ermittelt aber flüchtig. Da er in Beziehungen zu Mitgliedern der schon länger von der Polizei beobachteten Gruppe >Tat< steht, wird ihr geistiger Anführer sofort verdächtigt, in den Anschlag mit verwickelt zu sein. ? »Der junge Mensch, der sich mit dem Knallen des ungefährlichen Sprengmittelchens einen Jux machen wollte, wurde erkannt und verfolgt. Er flüchtete sich in den >Soller<, wo er einige Gäste kannte und um Hilfe bat. [.] Sie rieten dem Knaben, den ich nicht kannte, sich an die Anarchisten zu wenden und sagten ihm, wo er einen meiner Freunde treffen könnte.« [Kain, 1.Jg. Nr.1]
27. Oktober: Charlottenburg b. Berlin. Wohnungsdurchsuchung bei M. Zahlreiche Zeitungen berichten, dass aus beschlagnahmten Briefen sich angeblich eine Verbindung zu zwei Anarchisten ergibt, die in die Münchener Sprengstoffaffäre verwickelt seien. [Neues Wiener Journal, 29.10.1909] ? »[.] München ist in die Hände der Anarchisten gefallen. Schreckliche Gerüchte wurden laut. Schon wollte Tietz einen Ausverkauf in Panzerhemden veranstalten, schon schliffen ängstliche Gemüter ihre Rasiermesser, da kam die Siegeskunde: >Wir haben ihn! [.] Ein sehr zielbewußter Anarchist. Seine Lektüre bestand durchweg aus anarchistischen Schriften wie >Sherlok Holmes< und Indianergeschichten - Werken, die durch das geheime Zentralcomité, bestehend aus Zeitungskiosken, Papierhändlern und Milchfrauen, bei Tageslicht verbreitet werden. [.] Das Raffinement, mit dem er zu Werke ging, kennzeichnet ihn als einen besonders gefährlichen Menschen. Ein Anfänger in der Kunst des Bombenwerfens hätte sich vielleicht Dynamit verschafft. Kellner war blutgieriger: er nahm Donarit, eines der ungefährlichsten Sprengmittel, und Knallquecksilberpatronen. [.] Es müssen unsympathische Menschen sein. Sie verbreiten anarchistische Zeitschriften, statt etwas für Schiller und Goethe zu tun, und schwärmen für die freie Liebe. Außer diesem Beruf haben sie - ich zitiere den Polizeibericht - >keine Beschäftigung, sondern lungern in Kaffee- und Teelokalen herum<« (Karl Ettlinger) [Berliner Tageblatt und Handelszeitung, 38.Jg. Nr.548]
29. Oktober: Charlottenburg b. Berlin. »Die bei mir beschlagnahmten Briefe enthalten über meine Beziehungen zu den in der Münchener Sprengstoffaffaire Verhafteten nichts, was mich im mindesten kompromittieren könnte.« (an den >Berliner Lokalanzeiger<) [Berliner Lokalanzeiger, 38.Jg. Nr.214] ? Auf Veranlassung der Münchener Staatsanwaltschaft und wegen dringenden Tatverdachts der Bildung einer »geheimen Verbindung« erlässt der Untersuchungsrichter am Landgericht I am Abend einen Haftbefehl gegen M. [Neues Wiener Journal, 31.10.1909] ? M packt seine Reisetasche. Vom 1. November bis 1. Dezember ist er von Marc Henry und Marya Delvard fürs Kabarett nach Zürich engagiert worden. 750 Schweizer Franken Gage und 50 Franken Reisevergütung sind ausgehandelt. Nach 20 Uhr soll die Zugreise beginnen. Um 19 Uhr 30 klopft die Vermieterin an der Tür: »>Herr Mühsam, da draußen stehen schon wieder zwei. - Wollen Sie vielleicht über die Hintertreppe -<. >Nein, nein!< sagte ich und fühlte, dass meine Lippen weiß wurden. [.] Ich ging ihnen auf dem Korridor entgegen: >Was wünschen Sie?< - >Wir kommen von der Polizei. Wir sind Kriminalbeamte. Sie werden aufgefordert, sofort mitzukommen.< - >Legitimieren Sie sich.< - Geschieht. - >Zeigen Sie mir den Haftbefehl.< - Man legt mir ein Staatstelegramm aus München vor: >Bitte um Festnahme des Schriftstellers Erich Mühsam [.]«. Im Charlottenburger Polizeigebäude erfolgt die Aufforderung, die Taschen zu leeren. Ein Polizeibeamter greift zur Kontrolle noch sämtliche Taschen ab. Nach der Prozedur geht es zum Gefängnisaufseher, der noch einmal eine richtige Leibesvisitation durchführt, »wobei er den ganzen Körper abtastete, selbst die Stellen, deren Berührung ich mir weit lieber von schönen Frauenhänden gefallen lasse.« Nachdem eine Milchreissuppe vorgesetzt wurde, folgt die Einlieferung in die Kellerzelle. Gegen 21 Uhr bereitet der Aufseher das Nachtlager. Doch in der nunmehr dunklen Zelle ist an Schlaf aufgrund der zahlreichen Flöhe nicht zu denken. [Kain, 1.Jg. Nr.1 u. 2]
30. Oktober: Charlottenburg b. Berlin. Nach dem Wecken um 6 Uhr begutachtet M seine Stiche und Flecken. Später wird sich herausstellen, dass er sich mit Krätze infiziert hat. Nach dem Waschen in einem Nebenraum, heißt es erst einmal abwarten. Am frühen Nachmittag führt ihn ein Aufseher nach oben in einen Bürosaal, wo ein Polizeibeamter mit der Vernehmung beginnt: Name, Wohnort, Berufsstand. Zuletzt muss eine Unterschriftsprobe geleistet werden. Danach erfolgt die neuerliche Überführung in die Kellerzelle. Das Mittagessen besteht aus Graupensuppe mit einem Klumpen klebrigen Brotes. Nach 13 Uhr holt ihn ein Aufseher ab und übergibt den Häftling einem Polizisten. Beide gehen nach draußen zu einem geschlossenen Kastenwagen. Zusammen mit vier weiteren Insassen erfolgt die Überführung vom Polizeigewahrsam in das in der Nähe gelegene Gefängnis, der späteren Justizvollzugsanstalt Plötzensee. Nach kurzer Wartezeit lässt der zuständige Richter ihn vorführen und erläutert den Grund der Festnahme und liest die Paragrafen vor, gegen die er in München verstoßen haben soll. Genaueres kann er allerdings nicht sagen, da die Akten aus München nicht vorliegen. Über den Vorgang in München befragt, gibt M zu Protokoll: »Ich bestreite, mich irgend einer strafbaren Handlung schuldig gemacht zu haben und lege gegen meine Verhaftung Beschwerde ein.« Als er bittet, Kontakt zu seinem Rechtsbeistand Hugo Caro aufnehmen zu dürfen, erfährt er, dass der Anwalt schon vor der Tür wartet. Im Beisein Caros trägt M sofort einige Wüsche vor wie Selbstbeköstigung und die Erlaubnis, lesen und schreiben zu dürfen, was umgehend genehmigt wird. Auch erhält Caro die Anweisung, sich umgehend mit dem Münchener Justizrat und Verteidiger Max Bernstein in Verbindung zu setzen. Nach der Unterredung und einer kürzeren Wartezeit geleitet ihn ein Wärter in den zweiten Stock zur Zelle Nr.42. Etwa eine halbe Stunde vergeht, dann kommt der Wärter mit Decken und Überzügen zurück. M soll sein Nachtlager herrichten. Doch so sehr er sich auch bemüht, es will nicht gelingen. Nach einiger Zeit kommt der Wärter zur Kontrolle: »Der Mann sah mich von der Seite an, lächelte vergnügt, ging dann zur Tür und rief hinaus: >Giesmann!< - Giesmann kam. Ein blondbärtiger Berliner Arbeiter im Sträflingsanzug. >Machen Sie das mal in Ordnung<, wies ihn der Beamte an und verließ die Zelle. Giesmann schmunzelte: >Sie sind sone Arbeeten woll nich jewöhnt?< - Damit schmiss er Decken und Keilkissen vom Bett herunter und pellte mit großer Behändigkeit die Matratze aus dem Ueberzug wieder heraus, in den ich sie eben mit so viel Liebe und Anstrengung hineingezogen hatte. Ich sah recht wehmütig zu. Nackt, wie sie gewesen war, legte er die Matratze zurück, prüfte das Keilkissen, das er in seinem Ueberzug anerkannte, und legte die beiden Decken sehr sorgfältig übereinander. Dann kniffte er sie an einer Seite ein und schob mit kaum glaublicher Geschicklichkeit den blauen Ueberzug über beide Decken zugleich.« Zum Abendessen gibt es Kartoffelsuppe, dazu wird...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Adobe-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet – also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Adobe-DRM wird hier ein „harter” Kopierschutz verwendet. Wenn die notwendigen Voraussetzungen nicht vorliegen, können Sie das E-Book leider nicht öffnen. Daher müssen Sie bereits vor dem Download Ihre Lese-Hardware vorbereiten.Bitte beachten Sie: Wir empfehlen Ihnen unbedingt nach Installation der Lese-Software diese mit Ihrer persönlichen Adobe-ID zu autorisieren!
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.