Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Ilona Hülsmann
Menschen mit Einschränkungen sind im Krankenhausalltag in der Regel immer mehr und mehr vorhanden. Wenn man sich mit dem geschichtlichen Aspekt von der Antike hin zu unserer Zeit auseinandersetzt, weiß man auch warum. Vorbereitet sind die Krankenhäuser darauf selten.
Betrachtet man die Stellung von Menschen mit Beeinträchtigungen in der Gesellschaft, so kann man davon ausgehen, dass dieser Stellenwert auch den Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigungen widerspiegelt. Um diese Aussage zu vertiefen soll im folgenden Text auf die geschichtliche Entwicklung von Menschen mit Beeinträchtigungen eingegangen werden. Auch um die aktuelle Situation besser durchleuchten zu können.
Vorweg: die Schüler in einer Heilerziehungspflegeschule wurden gefragt, ob sie es für möglich hielten, dass Menschen mit Beeinträchtigungen in der prähistorischen Epoche eine Überlebenschance hatten. Die Antworten vielen eindeutig aus: Kranke, verletzte und/oder behinderte Menschen hatten - aufgrund der Lebensbedingungen - keine Überlebenschance und wurden von der Gesellschaft ausgeschlossen und ihrem Schicksal überlassen. Dennoch fand man bei Ausgrabungen Menschen mit Beeinträchtigungen, wie z. B. eine etwa 40-jährige Frau, mit einer deformierten, linken Schädelhälfte, welche durch eine Kiefermissbildung entstanden ist. Durch diese Beeinträchtigung war es ihr vermutlich nicht möglich, ihre Nahrung ohne Hilfe aufzunehmen. Betrachtet man jedoch das Alter, kann davon ausgegangen werden, dass sie von der Gesellschaft Unterstützung erhielt (Titzl 2000, 12 ff.). Weitere Ausgrabungen eines ca. 35?-?40 Jahre alten Mannes mit schweren Beeinträchtigungen fand man im nordöstlichen Irak, so wie in der Nähe der Krim ein ca. zweijähriges Kind, welches aufgrund eines Hydrocephalus wohl eine kognitive Beeinträchtigung hatte. Auffällig an dem Grab war seine liebevolle Ausgestaltung, somit kann davon ausgegangen werden, dass es von seinen Eltern nicht verstoßen wurde (Mayer 2011, S. 8). Es lässt sich somit erkennen, dass in dieser Epoche Menschen mit Beeinträchtigungen sehr wohl eine Überlebenschance hatten und von der Gesellschaft getragen wurden, denn ohne diese Voraussetzung hätten sie vermutlich nicht überleben können. Eine mögliche Begründung hierfür könnte sein, dass der Mensch als Baby an sich schwach auf die Welt kommt und somit auf die Hilfe von anderen angewiesen ist. Dieses Bild könnte sich auf Menschen mit Beeinträchtigungen übertragen lassen und signalisieren, dass sie zu dieser Zeit nicht ausgegrenzt, verstoßen oder getötet wurden, sondern getragen und versorgt, da sie - wie das Neugeborene - auf eben diese Hilfe angewiesen waren (Titzl 2000, 12 ff.).
Stellt man in der Antike die Ägypter den Griechen und Römern gegenüber, ist aufgrund von Mythen, Sagen und Lehren zu erkennen, dass Menschen mit Beeinträchtigungen in der Geschichte der Ägypter aufgeführt und vertreten waren. Auch wurden diese von der Gesellschaft unterstützt, um aus religiöser Sicht positiv bewertet zu werden. Das Osiris-Gericht beinhaltete eine Besserstellung nach dem Tod, wenn man zu Lebzeiten »ein gutes Herz gegenüber seinen schwachen und beeinträchtigten Mitmenschen hatte« (Greving und Ondracek 2010, S. 16). Auch verlangte der Ägypter Amenemope, dass sich niemand über Menschen mit Beeinträchtigungen lustig machen sollte, sondern ihnen Verständnis entgegenbrachte: »Mache dich nicht lustig über einen Blinden, verhöhne nicht den Zwerg und erschwere nicht sein bitteres Schicksal. Lache nicht über den von Gott gezeichneten Menschen und sei nicht böse, wenn er etwas anstellt« (Titzl 2000, S. 58 f.).
Die Griechen hingegen betrachteten eine normabweichende Auffälligkeit als Strafe der Götter und ließen z. B. gesetzlich festhalten, keine verkrüppelten Kinder aufzuziehen. Eine Beeinträchtigung wurde somit zum Stigma und führte zur Ausgrenzung (Mosen u. a. 2001, S: 19, in: Greving und Ondracek 2010, S. 19). Der griechische Gott Hephaistos, welcher der Sohn von Zeus und Hera war, kam mit entstellten Füßen zur Welt und wurde von Hera aufgrund der Beeinträchtigung aus dem Olymp verbannt, obwohl - oder gerade weil - er ein begnadeter Schmied war, konnte er erst später als Gott des Feuers, der Schmiedekunst und des Handwerks in den Olymp zurück (Greving und Ondracek 2010, S. 18).
Zudem wurden Behinderungen in dieser Zeit nicht als medizinisches Anliegen gesehen, sondern als ein individuelles, familiäres Problem, auf welches man auf unterschiedliche Art und Weise reagierte. Auch geht Rose davon aus, dass zu der damaligen Zeit wesentlich mehr Menschen mit physischen Beeinträchtigungen das Gesellschaftsbild prägten als heute, nur waren die Kategorien nicht so spezifisch wie zu unserer Zeit. Es gab z. B. den Begriff verstümmelt, welcher sich aber auch auf Pflanzen bezog, aber ebenso auf Menschen, welche stark der damaligen Vorstellung eines perfekten Körpers widersprachen (Rose 2013, S. 2 ff.): »Rational medicine was in its infancy in the fifth century B.C., and for this reason if no other, disabilities were not seen as the categorizable medical phenomena that they are today« (Rose 2013, 3). Die rationale Medizin steckte im fünften Jahrhundert v.?Chr. noch in den Kinderschuhen, und aus diesem Grund wurden Behinderungen nicht als die kategorisierbaren medizinischen Phänomene angesehen, die sie heute sind.
In Rom wurden Menschen mit Beeinträchtigungen auf sog. »Verrückten-Märkten« zur Schau gestellt und sollten zur Belustigung dienen. Ein respektvoller Umgang, so wie die Ägypter es forderten, ließ sich aufgrund dieser Tatsache nicht erkennen (Greving und Ondracek 2010, S. 20).
Hier lässt sich zusammenfassend sagen, dass jede Kultur einen individuellen Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigungen hatte. Stellt man die Ägypter den Griechen oder Römern jedoch gegenüber, lässt sich erkennen, dass die Ägypter weitaus offener im Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigungen waren. So wurde nicht nur auf milde Gaben verwiesen, sondern die Personen bekamen auch die Chance, sich in die Gesellschaft zu integrieren und selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Wohingegen bei den Römern und Griechen eine gewisse Ablehnung zu erkennen war.
Aus der mittelalterlichen Betrachtungsweise ist ebenfalls eine Ambivalenz festzustellen. So schuf Gott den Menschen nach seinem Abbild, d.?h. Menschen mit Beeinträchtigungen entsprachen nicht diesem Ideal der Vollkommenheit. Beeinträchtigungen wurden oft mit dem Einfluss des Bösen in Verbindung gebracht. Man sah betroffene Menschen als Bedrohung an, bewertete und behandelte sie negativ oder verstieß sie. Die Bezeichnungen aus dieser Zeit, nämlich »Irre«, »Verwirrte« oder »Wahnsinnige«, spiegelten den Stellenwert der damaligen Zeit treffend wider. (Greving und Ondracek 2010, S. 29 ff.). Luther äußerte sich zu Menschen mit Beeinträchtigungen wie folgt: »Ich bin gänzlich überzeugt, daß Behinderte nur ein vom Teufel besessenes Stück Fleisch ohne Seele sind, die man ersäufen sollte« (Petersen 2003, S. 58 ff.). Zudem wurden die betroffenen Personen von einigen, gesellschaftlichen Ritualen und Gegebenheiten ausgeschlossen, so durften sie beispielsweise nicht an bestimmten, kirchlichen Ritualen teilnehmen und auch nicht das Amt des Priesters bekleiden. Eine Beeinträchtigung konnte zu rechtlichen Nachteilen führen, da die Person scheinbar mit dem Teufel im Pakt stehen könnte und es gab Schriften, welche aussagten, »daß aus dem Zustand des Körpers ein Schluß auf den Charakter der Seele möglich sei« (Mayer 2011, S. 10). Auch die Medizin, mit wenigen Ausnahmen, wie z. B. Paracelsus, beschäftigte sich nicht mit der Erforschung des »Schwachsinns«. Eine der wenigen Ausnahmen stellte der Mönch Hermann von der Reichenau oder auch Hermann der Lahme, Hermannus Contractus dar (Mayer 2011, S. 9 ff.). »Die Zeit« beschrieb ihn als Stephen Hawking des Mittelalters, da er ein »Universalgenie und Chronist der Weltgeschichte« war, und »die Beschreibung der Symptome erinnert an eine Form der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS), die erst bei jungen Erwachsenen auftritt. Es ist die Krankheit, die auch den Astrophysiker Stephen Hawking in den Rollstuhl zwingt« (Schmidt 2013).
Auf der anderen Seite war es jedoch eine christliche Pflicht der biblisch verankerten Nächstenliebe, sich schwachen und hilfebedürftigen Personen anzunehmen, ihnen Almosen zu gewähren und sie zu unterstützen (Greving und Ondracek 2010, S. 165). Menschen mit Beeinträchtigungen passten somit nicht in das Bild der damaligen Gesellschaft, mussten jedoch aufgrund der christlichen Gebote akzeptiert werden.
Im 16. Jh. n.?Chr. entstanden die ersten Klöster,...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.