Schweitzer Fachinformationen
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Ich bin wüüüüüüüütend
Du bist ein stern
Und träumst in gottes lichter blume
Sie war stets bereit, das Helle wie das Dunkle still zu empfangen.
Sie war hold, licht, wahrhaft, unbestechlich, entschieden, klar.
Sie ließ leuchtende Himmel in dieses Leben niederschweben.
Ihr lichtes Wesen, ihre heilige Innigkeit schirmte und stärkte die Unglücklichen .
Sie malte die Seele des Traumes.
Träumerin und Lichtgestalt: Hans Arp hat in seinen Gedichten und poetischen Zuschreibungen das Bild Sophie Taeuber-Arps geprägt. Nach ihrem frühen Tod suchte er sich von seinem Schmerz zu erlösen, indem er sie als Engel ans Firmament heftete. Sie schwebte in Himmelshöhen und ließ Sterne auf die Menschen herabschweben. Ein ätherisches Wesen aus Luft und blauen Träumen, nicht von dieser Welt. Sophie schrieb die Engelsschrift, wenn sie malte.
Idealisierungen, zumal post mortem, sind nichts Neues, schon gar nicht in der Literatur. Aber kaum jemand hat so insistierend, so maßlos und verschwenderisch die Frau seiner Liebe gefeiert, als sei ihr alles Menschliche fremd, alles Übermenschliche in ihr Wesen eingeschrieben. Hätte es die Lobpreisungen des Freundes im Hohelied Salomos nicht bereits gegeben, Hans Arp hätte sie verfasst.
Auch andere - wie der Maler und Kritiker Michel Seuphor Weggefährte der Arps - haben einen Kranz um dieses madonnenhafte Wesen gewunden, ihre Sanftmut, ihre Scheu, Zurückhaltung, Uneigennützigkeit gerühmt. Und die Ergebenheit in ihren Gatten: Sie trat mit solcher Demut hinter ihn [Arp] zurück, daß viele lange Zeit nicht wußten, daß sie selbst auch Malerin war [.]. Sie beanspruchte nie auch nur einen Augenblick lang die Aufmerksamkeit für sich, sondern war den andren mit einer Sanftheit geistig verbunden, die der Schutzmantel ihrer inneren Kraft war. Sie war nicht von der Sucht des Zurschaustellens befallen und verkündete keine Prinzipien.
Haben die Füße dieser Frau jemals den Erdboden berührt? Sie haben. Diese Frau war aus Fleisch und Blut. Hold und licht konnte sie sein, ein scheues Mädchen - und ein robustes, handfestes Geschöpf voll starker Emotionen, die sie nicht allein in Träumen auslebte, sondern in einer Sprache, die so farbig, manchmal so provozierend war wie ihre Kompositionen. Wenn sie sich ärgerte, und dazu war die heilige Sophie durchaus fähig, ging der Gaul mit ihr durch, preschte sie im Galopp über den Acker des Zorns. So, als sie 1919 in einem Brief an Hans Arp eine Veröffentlichung Marcel Jancos abkanzelte. Er hatte Arp und Giacometti als «radikale Künstler» gefeiert.
Ich bin wüüüüüüüütend. Was ist das wieder für ein Quatsch «radikale Künstler». Wenn ich ein Künstler wäre und mein Name würde andauernd lächerlich gemacht durch schreien, quitschen, heulen, schmieren und drucken, so würde ich dem Urheber Lehm in's Maul stopfen und in die Finger beissen, dass er es nicht mehr kann. Es kommt nur auf die Arbeit an, diese Art zu manifestieren ist mehr als blöd. Reklame ist berechtigt, wenn man Geld verdienen will, aber dann ganz anders. Es interessiert keinen Menschen, wenn man andauernd so auf seiner Eitelkeit herumhopst. Janco wird immer geschmackloser. Frage ihn bitte ordentlich und genau, welche Wirkung er sich von dem Zeug verspricht und schreibe es mir. Dada ist etwas anderes, da sieht man doch was ihr macht und jeder mag denken was er will. Aber den Menschen mit solchem Kohl imponieren wollen! Er soll unbedingt und sofort Plakätlitiger bei den Spartakisten werden, mit Kunst hat das nichts zu tun. Du und Giacometti solltet Euch wirklich nicht aus Gutmütigkeit überall rumziehen lassen. Radikal, wie blöd, man könnte es übersetzen mit Unverstand. Du lachst sicher über meinen Ärger und sagst es lohnt sich nicht so viel davon aufzuwenden. Ich habe mich schon immer geärgert, wenn man Deinen Namen für aufgeblasene Eitelkeit benutzt hat, dazu bist Du 100mal zu gut.
Sophie war wütend auf Marcel Janco, der ihrer Meinung nach zum Propagandisten für revolutionäre Marxisten, nicht aber zum Interpreten zeitgenössischer Künstler taugte. Ihre Empörung über den Begriff des ist befremdend. War nicht gerade Sophie eine Radikale, eine, die im Wortsinn an die Wurzeln der Kunst ging? War es nicht ein Kompliment, Arp und Giacometti als radikale Künstler zu bezeichnen? Vielleicht war Janco nicht das Ziel ihrer Aggression, reagierte sie in einer Art Übertragung einen gewissen Zorn auf Hans ab, der einige in ihren Augen entbehrliche Auswüchse der Dada-Propaganda einfach duldete. Vielleicht aber war sie weder auf Janco noch auf Arp wütend, sondern auf das Schicksal, das sie im Jahre 1919 in den Kurort Arosa verbannt hatte, wo sie eine Lungendrüsenerkrankung auskurieren musste.
Da sitzt sie nun seit Februar in dem neuerbauten feinen Kurhotel Altein, ihr Zimmer ist schön, es gibt viele Spiegel, wohl damit die Kurgäste täglich den Erfolg der guten Therapie an Gesicht und Figur ablesen können. Dafür gibt es keine Bilder an den Wänden. Sophie setzt aber durch, dass sie eine Zeichnung von Hans aufhängen darf, auch wenn sie diese nicht wie das ultimative Kunstwerk eines vollendeten Künstlers bewundert: Deine Zeichnung sieht aus wie [.] Kartoffeln und Hühnergerippe, kämpferische Käfer und etwas aufgeregte Entenfrühgeburten, schreibt sie ihrem Freund.
Vom Balkon ihres Zimmers blickt sie in die Bergwelt, die die Prospekte des Fremdenverkehrsvereins «majestätisch» nennen, was, so gibt sie zu, auf das Erzhorn, dessen Gipfel alle anderen Berge überragt, zutrifft. Was sich aber als Attribut verschleißt, wenn man jedes Panorama damit preist.
Arosa ist längst nicht mehr nur eine Adresse für Lungenkranke. Seit Ende des Krieges sind Wintersportler, Bergwanderer und Müßiggänger in das ehemals kleine Dorf eingefallen. Es ist noch nicht so mondän wie St. Moritz, strengt sich aber mächtig an, reichen und erlebnishungrigen Touristen allerlei Abwechslung zu bieten.
Zum Nichtstun verdammt liegt Sophie im Liegestuhl, bis zum Kinn in Decken verpackt. Sie schätzt die tägliche Visite des Direktors Dr. Otto Amrein, mit ihm kann sie über Musik sprechen, ist er doch selbst ein begeisterter Musiker, der immer wieder bedeutende Solisten und Kammermusiker zu festlichen Abenden ins Sanatorium lockt. In der Bibliothek des Sanatoriums finden sich nicht nur Musikerbiografien, sondern auch die Klassiker der Weltliteratur von Goethe über Cervantes zu Dostojewski und Balzac.
«So kann man es doch aushalten», schreibt Erika, die sich in Zürich mit anstrengenderen Geschäften abmüht. Aber Sophie hält das passive Leben schlecht aus, mag es noch so komfortabel ausgestattet sein.
Man ist halt doch eine Mumie, antwortet sie.
Sie zeichnet nicht, malt nicht. Sie liest und schreibt Briefe. Ab und zu bittet sie Hans um Stickwolle. Auch um Couverts, einen neuen Pyjama, um Bücher. Redet den geliebten Freund mit «Plön oder «Plönel», auch mit «Männel» oder «Männele» an und verfrachtet sich selbst in eine Menagerie der Zärtlichkeit. «Dein Bärele» oder «Dein Vögele» unterschreibt sie ihre Briefe - manchmal auch mit «Gigi». Attribute werden den Anreden vorangestellt, am allermeisten «Bös» oder «Böss». Bös ist der Hans vor allem, weil er ihr nicht schreibt.
Sophie wirft jeden Tag oder wenigstens jeden zweiten Tag einen Brief in den Postkasten, und der hartleibige und hartselige Männel antwortet nicht. Seine Schreibfaulheit macht sie ganz konfus: Ich war etwas deprimiert, kein Brief von Dir, schreibt sie im März, und im Juni, eher wütend als deprimiert: Liebes Bös Männel, nächstens schreibst Du wohl nur noch alle drei Wochen!! Ahnt er denn nicht, dass in den Wochen, die sich endlos hinziehen, die anödende Wiederkehr des Immergleichen sie einschließt wie ein riesiges Spinnennetz, dessen Fäden nur Briefe von ihm zerreissen können? Nur er kann die Tür zum Flachland öffnen, zur realen Welt.
Sie versucht, den Tagen Sinn zu geben, statt sich durch das Warten auf Nachrichten vom geliebten Freund weiter zu schwächen. So bereitet sie eine Choreographie für die achte Dada-Soiree am 9. April 1919 vor, einen exotischen Tanz Noir Kakadu, den Katja Wulff im Saal der Kaufleute in Zürich tanzen soll. Sie selber wird im April noch immer in Arosa sein - und viel zu schwach, um ans Tanzen zu denken. Von Laban hat sie eine Schrift erlernt, um Schritte und Bewegungen zu notieren. Die Notate gleichen auf verblüffende Weise einigen ihrer Bilder: Geometrische Formen wie Spiralen, Kreise, Halbkreise, gerade Linien, Dreiecke reihen sich zu einer kalligrafischen Zeichenschrift. Sie hat auf...
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