KAPITEL 1
DER TITEL IST NICHT ALLES
Verantwortung, Risiken und unpopuläre Entscheidungen in der Geschäftsführung
Der Aufstieg in die Geschäftsführung gilt für viele Fach- und Führungskräfte als das ultimative Karriereziel. Diese Position verkörpert nicht nur Macht und Einfluss, sondern bietet zugleich die Gelegenheit, die strategische Ausrichtung eines Unternehmens entscheidend mitzugestalten.
Der Wechsel von einer angestellten Position zur Geschäftsführung ist weit mehr als eine Beförderung - er bedeutet einen tiefgreifenden Wandel in der beruflichen und persönlichen Identität. Neben dem Titel bringt die Position auch erhebliche Risiken und emotionale Herausforderungen mit sich.
Führungskräfte müssen darauf vorbereitet sein, schwierige und oft unpopuläre Entscheidungen zu treffen, auch wenn dies die Entlassung langjähriger Kollegen bedeutet.
Wie es so treffend heißt: "Nur im Sturm zeigt sich der wahre Kapitän." Innere Widerstandsfähigkeit und Entschlossenheit sind unerlässlich, um den Anforderungen der Geschäftsführung gerecht zu werden.
Dieses Kapitel zeigt die besonderen Herausforderungen der Rolle und wie Sie sie als Führungskraft erfolgreich meistern.
1.1. Der Schritt in die Geschäftsführung
Schlüsselaspekte des Übergangs in die Geschäftsführung
Neue Verantwortungsebenen: Mit dem Wechsel zur Geschäftsführung verlagert sich der Fokus von der operativen Ausführung hin zur strategischen Steuerung und Haftung.
Erwartungen an die strategische Führung: Der Geschäftsführer ist für die langfristige Ausrichtung des Unternehmens sowie die Entwicklung und Umsetzung von Visionen verantwortlich.
Strategische Verantwortung leitender Angestellter: Dies gilt auch für leitende Angestellte, die in größeren Unternehmen strategische Bereiche verantworten, jedoch unter der Führung des Geschäftsführers stehen.
Selbstverständnis und Rollenwandel: Der Übergang in die Geschäftsführung erfordert nicht nur fachliche Kompetenz, sondern auch eine Anpassung des Selbstbildes und der persönlichen Identität. Führungskräfte müssen sich von operativen Aufgaben distanzieren und stattdessen als Visionäre und Gestalter auftreten.
Praxisbeispiel
Ein erfahrener Manager erkannte, dass seine neue Rolle sich weniger auf das Tagesgeschäft, sondern mehr auf die langfristige Planung konzentrierte. Der Fokus verlagerte sich weg von den operativen Aufgaben hin zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Er musste lernen, operative Aufgaben zu delegieren, um sich auf die Zukunft des Unternehmens zu konzentrieren.
Zusätzliche Information
In einer umfassenden Studie von Michael E. Porter und Nitin Nohria zur Zeitnutzung von CEOs zeigt sich, dass eine Aufteilung von 60 % für strategische Aufgaben und 40 % für operative Tätigkeiten eine effiziente Zeitverwendung darstellt. Diese Balance ermöglicht es Führungskräften, den langfristigen Erfolg des Unternehmens sicherzustellen, während sie gleichzeitig operative Einblicke behalten (vgl. Porter & Nohria, 2018).
Die folgende Abbildung basiert auf den Forschungsergebnissen aus How CEOs Manage Time von Porter & Nohria (2018) und veranschaulicht die Aufgabenverteilung eines Geschäftsführers.
Aufgabenverteilung Geschäftsführung
Abbildung 1: Aufgabenverteilung eines Geschäftsführers (Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Porter & Nohria, 2018)
1.2. Schwierige Entscheidungen
Ein Geschäftsführer steht oft vor heiklen Entscheidungen, die nicht bei allen Beteiligten auf Zustimmung stoßen - dazu zählen Umstrukturierungen, Sparmaßnahmen oder Entlassungen. Nicht jeder ist bereit oder in der Lage, Entscheidungen zu treffen, die das Leben langjähriger Kollegen direkt beeinflussen. Dies stellt eine der größten psychischen Anforderungen für Führungskräfte dar. Der Wandel vom "netten Kollegen von nebenan" hin zum entschlossenen Kapitän, der auch in stürmischen Zeiten standhaft bleibt, ist sowohl belastend als auch emotional fordernd.
Mentale Herausforderungen:
- Veränderung der Wahrnehmung: Der Schritt vom Kollegen zum Entscheider verändert das Verhältnis zu den Mitarbeitenden. Dies betrifft nicht nur den Geschäftsführer, sondern auch leitende Angestellte, die ebenfalls schwierige Entscheidungen treffen müssen, wenn sie zum Management gehören.
- Mentale Stärke und Wille: Es erfordert eine besondere Willenskraft und den bewussten Willen, unangenehme Entscheidungen zu treffen, die persönliche Beziehungen belasten, wie die Entlassung von geschätzten Mitarbeitenden, wenn dies im besten Interesse des Unternehmens ist.
Praxisbeispiel
Nach der Ernennung zur Geschäftsführerin sah sich eine leitende Kraft gezwungen, eine wirtschaftlich nicht mehr tragbare Abteilung zu schließen. Diese Entscheidung betraf langjährige Kollegen, was die emotionale Belastung erheblich verstärkte. Dennoch wusste sie, dass es im besten Interesse des Unternehmens war und dass sie die Verantwortung für solche schwierigen Entscheidungen übernehmen musste.
1.3. Vom Manager zum Gestalter
Als Angestellter, selbst in höheren Führungspositionen, agiert man oft im Rahmen vorgegebener Strukturen und Prozesse. Mit dem Schritt in die Geschäftsführung wird aus einem Manager ein Gestalter - jemand, der die Zukunft des Unternehmens aktiv mitgestaltet und langfristige Strategien entwickelt.
Unterschiede zwischen Manager und Geschäftsführer:
- Operative versus strategische Verantwortung: Während der Geschäftsführer das Gesamtbild im Auge behalten muss, stehen leitende Angestellte oft zwischen strategischen und operativen Aufgaben und sind dafür verantwortlich, die Visionen des Geschäftsführers umzusetzen.
- Verantwortung für die Unternehmenskultur: Der Geschäftsführer beeinflusst nicht nur die Geschäftszahlen, sondern auch die Kultur und die Werte des Unternehmens.
Praxisbeispiel
Mit dem Wechsel in die Geschäftsführung erkannte eine zuvor im operativen Bereich tätige Führungskraft schnell, dass sie sich aus den täglichen Abläufen zurückziehen musste. Stattdessen lag der Fokus darauf, eine Unternehmenskultur zu entwickeln, die Innovation und langfristigen Erfolg förderte.
1.4. Verantwortung und Risiko
Mit der Position des Geschäftsführers geht eine umfassende Verantwortung einher, die weit über die eines Managers oder leitenden Angestellten hinausgeht. Der Geschäftsführer trägt die Gesamtverantwortung für den Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens und muss oft schwierige, strategische Entscheidungen treffen, die das gesamte Unternehmen betreffen. Diese erheblichen Risiken und die mentale Belastung, solche Entscheidungen zu treffen, spiegeln sich auch in der Vergütung wider. Der Titel allein ist nicht genug - das Gehalt muss auch die zusätzlichen Risiken, die mit der Position verbunden sind, abdecken.
Leitende Angestellte tragen Verantwortung in der Umsetzung von strategischen Vorgaben und operativen Zielen in ihren Bereichen. Sie tragen zwar Verantwortung innerhalb ihres Bereichs, jedoch keine Gesamtverantwortung für das Unternehmen. Diese bleibt ausschließlich beim Geschäftsführer, der auch persönlich haftet.
Zentrale Punkte zur Vergütung und den Risiken eines Geschäftsführers:
- Entscheidungsrisiken: Jede strategische Entscheidung birgt das Risiko von Fehlentscheidungen, die das Unternehmen in eine schwierige Lage bringen können. Der Geschäftsführer muss die Risiken seiner Entscheidungen stets abwägen.
- Vergütung als Risikokompensation: Das Gehalt eines Geschäftsführers sollte die erheblichen mentalen und strategischen Herausforderungen widerspiegeln. Die Vergütung der leitenden Angestellten orientiert sich hingegen an der Umsetzung operativer und strategischer Vorgaben des Geschäftsführers und an ihrer jeweiligen Verantwortung, bleibt jedoch von der Gesamtverantwortung des Unternehmens getrennt.
Praxisbeispiel
Vor einer weitreichenden Investitionsentscheidung stehend, war der Geschäftsführer in einem mittelständischen Unternehmen gefordert, die Risiken genau abzuwägen. Diese strategische Entscheidung hätte das Unternehmen auf eine neue Ebene heben oder in finanzielle Schwierigkeiten führen können, was die Bedeutung der Verantwortung und das damit verbundene Risiko unterstrich.
1.5. Mentale Belastungen in der Führung
Ein zentraler Aspekt der...