Schweitzer Fachinformationen
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»Diese verdammten Blutsauger!« Mit bloßer Hand schlug ich nach dem Mistvieh. Zu spät. Blut klebte an meinen Fingern, und ich spürte schon jetzt den juckenden Schmerz an der Einstichstelle. Genervt knibbelte ich die kläglichen Überreste der Mücke von meiner Handinnenfläche, wo eine blasse Narbe schimmerte.
»Vielleicht solltest du dich besser auf den bevorstehenden Run konzentrieren.«
»Kümmere du dich um deinen eigenen Mist, James«, knurrte ich.
»Oho. Gut, Carrie, tragen wir das Ganze auf der Straße aus. Es wird mir ein Vergnügen sein, dich fertigzumachen.« James Riley warf mir ein überlegenes Grinsen zu, bevor er das Visier an seinem Helm herunterklappte.
Ich verkniff es mir, ihn darauf hinzuweisen, dass ich Carrington hieß. Paige Carrington. »Wir werden sehen, James. Wir werden sehen«, sagte ich stattdessen.
Das Adrenalin wegen des bevorstehenden Runs und die Wut auf meinen Kontrahenten wirkten sich definitiv ungesund auf meine Herzfrequenz aus, doch das merkte man meiner Stimme nicht an. Ich hatte gelernt, meine Gefühle zu verbergen, wenn es darauf ankam. Wichtig waren jetzt nur die zwei Ks: Konzentration und Kontrolle. Gleich ging es nicht nur darum, James auf seinen Platz zu verweisen - und das würde ich auf jeden Fall tun - es ging auch um mein Leben. Ein winziger Fehler, und das war's - im schlimmsten Fall nicht nur für mich, sondern auch für JD, Finn oder Mo. Unser Club bestand aus über hundert Leuten, wir mussten uns aufeinander verlassen können - und ich würde ihnen zeigen, dass sie sich zu einhundert Prozent auf mich verlassen konnten. Und das nicht nur, weil ich die Tochter von Conrad Carrington war.
Ein letzter tiefer Atemzug, ein letzter Blick in James' Richtung, dann stülpte ich mir meinen eigenen Helm über das Bandana, lehnte mich nach vorn und umklammerte den Lenker meiner roten Harley FXR fester. Spürte das Gummi unter meinen Händen, den Ledersitz unter mir und den heißen Asphalt unter meinen Stiefeln. In der Ferne flirrte die Hitze, ich meinte sie sogar zu hören, so still war es in diesem verschlafenen Nest. Die Bewohner hatten sich aus Respekt in ihre Häuser zurückgezogen, nur wenige standen neugierig am Fenster und spähten zu uns hinaus. In diesem Moment waren wir alle fokussiert. Mein Vater, der links vor mir auf seiner schweren Harley saß, warf einen letzten Blick über seine Schulter, der James und all die anderen neben und hinter uns streifte, bevor er für einen Herzschlag an mir hängen blieb. Dann blickte er wieder nach vorn und hob die Hand. Fast synchron brüllten einhundert Motoren auf. Das Donnern der Maschinen brachte den Asphalt zum Beben, vibrierte in meinem Körper und schenkte mir trotz der Anspannung die Euphorie, die schon bei meinem allerersten Run wie flüssiges Glück durch meine Adern geflossen war. Dieser Moment war alles, doch er dauerte nur wenige Sekunden. Sobald mein Vater und Stu ihre Maschinen in Bewegung setzten, betätigte auch ich das Gas, und die Landschaft Louisianas raste binnen Sekunden an mir vorbei.
James, der ein hervorragender Fahrer war, legte einen ebenso guten Start hin wie ich. Ich spürte ihn neben mir, riskierte aber keinen Seitenblick, während wir das Ortsschild von Lake Arthur passierten und immer weiter beschleunigten. Mo und Finn, die neben uns gestartet waren, blieben ein Stück zurück. James und ich machten uns sofort breit, damit sie nicht von hinten an uns vorbeiziehen konnten. Mit jeder gefahrenen Meile rückten wir wieder näher zueinander, bis wir schließlich mit achtzig Meilen pro Stunde Lenker an Lenker über den Highway 26 heizten. Mein Herz legte ein vergleichbares Tempo hin, mein ganzer Körper stand unter Strom, um die Maschine unter mir in der Spur zu halten. In meinen Ohren dröhnten die Motoren, dennoch meinte ich, mein eigenes Blut rauschen zu hören. Das hier war verdammt bescheuert, waghalsig, gefährlich, aber es war auch der ultimative Adrenalinkick, es gehörte einfach dazu. Der Präsident unseres Clubs und sein Vize fuhren bei Runs immer ganz vorn, das war Gesetz, aber die zehn Plätze dahinter, die nicht weniger wichtig waren, musste man sich verdienen. Also lieferten wir anderen uns ein Straßenrennen, in dem sich nur die Schnellsten und Mutigsten am Ende durchsetzen konnten.
Ich war zwar die Tochter des Clubvorsitzenden, doch deshalb wurde mir nichts geschenkt, im Gegenteil. Immer wieder musste ich mich beweisen. Eben weil ich Conrads Tochter war - und weil ich ein zweites X-Chromosom besaß. Frauen wurden in Motorradclubs nicht geduldet, das hatte sich seit der Gründung der Hell's Angels in den Vierzigerjahren nicht geändert. Ich war die einzige Ausnahme, und James machte es mir gern besonders schwer. Er wollte den Platz, der mir zustand, doch den würde ich ihm nicht überlassen, genauso wenig wie die Pole Position hinter meinem Vater.
Ich drängte weiter in James' Richtung. Ihm blieb nichts anderes übrig, als nach links auszuweichen, wenn er nicht wollte, dass sich unsere Lenker ineinander verkeilten. Ich hörte ihn fluchen und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. James Riley war ein guter Fahrer, sein Problem war nur, dass er zu sehr von sich überzeugt war, vor allem wenn es um mich ging. Das wurde ihm immer wieder zum Verhängnis.
Er kam dem unbefestigten Rand des Highways ziemlich nah, und ich beschleunigte noch ein bisschen mehr, bevor etwas passieren konnte. Ich wollte keinen Unfall bauen, sondern James nur abschütteln, was mir auch gelang, doch er holte schnell wieder auf und wollte nun mich zum Ausweichen zwingen. Oh, James! Er war so berechenbar. Für den Bruchteil einer Sekunde bremste ich ab, um ihn dann links wieder zu überholen. Hinter uns ließ Mo seinen Motor aufbrüllen, doch wir wussten beide, dass die Situation nicht gefährlich gewesen war. Ich kannte meine Grenzen und würde nie über sie hinausgehen. Nicht einmal, um James auszustechen. Unser aller Sicherheit hatte oberste Priorität.
James kam mir noch ein paar Mal ziemlich nah mit seiner Maschine, halbherzige Versuche, um sein Gesicht zu wahren. Er wusste, wann er es gut sein lassen musste. Das Straßenrennen war vorbei. Ich hatte mir erneut den Platz hinter meinem Vater gesichert.
Der Fahrtwind sorgte dafür, dass ich unter meiner weinroten Kunstlederjacke nicht ins Schwitzen kam, und allmählich ließ das Adrenalin nach. Obwohl ich konzentriert bleiben musste, konnte ich mich endlich entspannen und die Fahrt genießen, die jetzt auf der Interstate 10 weiterging. Mit dem eingängigen Refrain von Black Betty auf den Lippen brauste ich hinter Dad und Stu her. Dieser Song war unsere inoffizielle Club-Hymne und unwiderruflich mit unseren Runs verknüpft. Sobald ich das rockige Gitarrenintro hörte, spürte ich den Fahrtwind in den Haaren und das Vibrieren der Harley unter mir, die Dad mir vor drei Jahren zu meinem achtzehnten Geburtstag geschenkt hatte und an der wir gemeinsam stundenlang herumschraubten. Nicht einmal die Cops, die uns ab Lafayette wie so oft zurück nach Hause begleiteten, um sicherzugehen, dass wir auf der Interstate blieben und keinen Ärger machten, brachten es fertig, mir die Laune zu verderben. Einhundert Motorradfahrer in Lederkluft auf schweren Maschinen konnten schon mal beängstigend wirken. Obwohl ich die Cops durchaus verstand, nervten sie. Oft gewährten sie uns nicht einmal einen Tankstop, dabei hatten wir nicht vor, Unruhe zu stiften. Ich sowieso nicht, aber auch die anderen wollten einfach nur den Run genießen, der gerade Anfang Februar besonders wichtig war. Uns standen anstrengende Tage bevor, das hier war die letzte Chance, noch einmal Kraft und Energie zu tanken.
Als wir das Atchafalaya Basin durchquerten, ging wie auf Knopfdruck ein Ruck durch meinen Körper, die Atmosphäre um mich herum veränderte sich schlagartig. Eine unterschwellige Aggression paarte sich mit Anspannung und Vorsicht. Das schienen selbst die Cops zu merken, denn auch sie ließen ihre Blicke mehrmals aufmerksam umherschweifen, genau wie der Rest von uns. Nur mein Vater fuhr stoisch weiter, ohne das Tempo zu drosseln.
Wehmut erfasste mich, als die außergewöhnliche Landschaft an mir vorbeiraste: Mangroven, mit Louisianamoos behangene Zypressen und andere Bäume, durch die immer wieder der Sumpf durchblitzte. Der Bayou war ein faszinierendes Ökosystem, das ich viel zu selten zu Gesicht bekam. Normalerweise hatten wir hier nichts zu suchen, das war ihr Gebiet, weshalb wir für gewöhnlich sogar Umwege in Kauf nahmen. Aber nicht heute, nicht so kurz vor Mardi Gras. Die Stadt feierte bereits seit Anfang Januar, doch in den zwei Wochen vor Faschingsdienstag ging es richtig rund.
Wir veranstalteten etwa vier Fahrten im Jahr. Dabei ging es natürlich ums Fahren an sich, um das Gemeinschaftsgefühl, und darum, die Clubmitglieder anderer Chapters - Clubableger in anderen Städten - zu treffen und sich mit ihnen auszutauschen. Der Run im Februar war aber auch die Gelegenheit, um unsere Feinde daran zu erinnern, mit wem sie es zu tun hatten.
Auch heute ließen sie uns passieren, was sicher nicht an den Cops lag. Sie würden uns angreifen, wenn sie die Gelegenheit dazu bekämen, da war ich sicher. Dass sie es bisher nicht getan hatten, lag vermutlich nur daran, dass sie ihre Kräfte aufsparen wollten.
Dieses Mal ließ die Anspannung in mir auch nicht nach, als wir das Sumpfgebiet hinter uns gelassen hatten und Baton Rouge erreichten. Es dauerte nicht mehr lange, bis Mardi Gras seinen Höhepunkt erreichte und unsere Feinde wie jedes Jahr in...
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