Schweitzer Fachinformationen
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Hören Sie es ticken? Natürlich nur im sprichwörtlichen Sinn, denn im Nest der Rohrsänger herrscht Stille??- noch. Fünf Eier liegen in dem Körbchen, das die Eltern aus trockenen Gräsern zwischen die Schilfhalme geflochten haben.
© Cornelis Jettke
Jedes der Eier trägt ein individuelles Muster aus braunen Sprenkeln. Doch eins sticht heraus, etwas zu groß, etwas zu ungefleckt. Eine tickende Zeitbombe im Nest: das Kuckucksei.
"Kuckuck-kuckuck" ertönte es im Frühling in der Teichlandschaft. Der Gesang der Kuckucks-Männchen kündigt den Nistvögeln der Umgebung nichts Gutes an. Nach der Paarung kundschaftet seine Partnerin die fremden Nester aus. Stundenlang verharrt sie reglos, observiert und wartet auf den richtigen Moment. Die Zeit drängt, denn die Rohrsänger haben die ersten Eier bereits gelegt. Wartet das Kuckucks-Weibchen zu lange, riskiert es das Überleben seines Nachwuchses. Endlich ist es soweit: Als die Schilfbewohner ihr Nest einen Augenblick unbewacht lassen, nutzt das Weibchen die Gelegenheit, verschlingt eines der Eier und legt stattdessen innerhalb von Sekunden ihr eigenes hinein. Das Kuckucksei besitzt eine robuste Schale, und das aus gutem Grund: Das kleine Rohrsängernest bietet dem Kuckuck kaum genug Platz zum Landen. An ein Hineinsetzen ist nicht zu denken und so plumpst das Ei beim Legen von oben in das Nest hinein.
Bei der Rückkehr bemerken die Rohrsänger den Schwindel nicht und gehen ihrem Brutgeschäft ganz unbekümmert weiter nach. Zwölf Tage vergehen, bis das Kuckuckskind schlüpft. Obwohl es als Nachzügler ins Nest kam, ist es früher dran als seine Stiefgeschwister. Dafür hat seine Mutter gesorgt: Bereits bevor sie das Ei legte, begann sie es zu bebrüten. Ihr eingebauter Inkubator verschafft dem Nachwuchs einen Vorsprung von mehr als einem Tag.
Nackt und blind liegt der kleine Kuckuck im Nest. Nach dem kräftezehrenden Schlüpfen benötigt er einen Ruhetag, an dem er seine Kräfte sammeln kann. Dank des Tricks seiner Mutter bleibt seinen Stiefgeschwistern oftmals keine Zeit, um zu schlüpfen. Denn schon bald lässt das hilflos wirkende Küken seine Maske fallen und zeigt sein grausames Gesicht.
Der kleine Kuckuck hat es auf die Eier abgesehen. Ohne sich mithilfe seiner Augen orientieren zu können, drückt er sich unter sie und platziert sie mithilfe der Stummelflügelchen auf seinem Rücken. Es braucht Kraft und Geschick, doch innerhalb von Minuten hat er rittlings schiebend das erste Ei über den Rand des Nestes gehievt. Unter den Augen der Zieheltern entledigt er sich eines Eis nach dem nächsten. Der Rohrsänger-Nachwuchs hat selbst dann kaum Überlebenschancen, wenn ihm der Schlupf gelingt??- und das gleich aus zwei Gründen: Einerseits wirft der Kuckuck auch Küken aus dem Nest, die schwerer sind als er selbst. Andererseits ist er ein außerordentlich geschickter Betrüger. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein leibliches Kind der Pflegeeltern überlebt, werden diese es gegenüber dem Kuckuckskind vernachlässigen. Denn das wirkt durch sein überdeutliches Betteln auf die Elternvögel schlichtweg attraktiver und bekommt deswegen mehr Futter.
So brutal, wie das Verhalten wirkt??- für den Kuckuck ist es überlebenswichtig. Im Laufe der Evolution verlor er die Fähigkeit, selbst Nester zu bauen und zu brüten. Damit hat er sich in eine Abhängigkeit manövriert, in der er ohne seine Wirtsvögel nicht mehr überleben kann. In seiner Lage führt kein Weg an der Beseitigung der Stiefgeschwister vorbei. Würde das Kuckuckskind sie nicht aus dem Nest werfen, würde es Gefahr laufen, zu sterben. Denn die Wirtsküken werden früher flügge und die Wirtseltern würden wahrscheinlich mit ihnen das Nest verlassen und das Kuckucksküken zurücklassen.
Einen Kuckuck aufzuziehen, ist für die Eltern ein Kraftakt. Bis zu 24 Tage hockt er im Nest, doppelt so lange, wie es bei ihren leiblichen Kindern üblich ist. Schnell ist aus dem hilflosen Küken ein lärmender, stets hungriger Gast geworden, der das gesamte Nest ausfüllt. Mit nicht enden wollenden Rufen sichert er sich die Gunst seiner Zieheltern und animiert sie, ständig mehr Nahrung heranzuschaffen. Zwar müssen sie nur ein Küken versorgen, doch das frisst über die Nestlingszeit hinweg doppelt so viel Nahrung, wie es alle eigenen Küken zusammen getan hätten. Sogar dann, wenn der Kuckuck bereits das Nest verlassen hat und laut bettelnd in der Nähe sitzt, schaffen die Eltern weiter regelmäßige Mahlzeiten heran. Ein aberwitziger Anblick, wie die Rohrsänger das riesenhafte Kuckuckskind füttern??- fast als würden sie jeden Moment selbst verschlungen werden.
© Farina Graßmann
Ihm wird gern ein Ei ins Nest gelegt.
Kuckucke lauern nicht nur den Nistvögeln auf. Die Masche ist längst kopiert und kursiert im Insektenreich. Bienen haben es ohnehin schwer. Hinter jeder Ecke wartet ein hungriger Vogelschnabel (der Bienenfresser ist ein dermaßen professioneller Bienen-Killer, dass er sie sogar im Namen trägt). Ganz zu schweigen von Spinnen, die in einen Tarnumhang gehüllt auf Blüten lauern und nur darauf warten, dass ihnen eine Biene in die Fänge fliegt (von denen hören wir später noch). Und zu allem Überfluss sind die Bienen sogar in ihren eigenen vier Wänden nicht sicher.
Hummeln (die gehören auch zur Bienenfamilie) bauen Nester, manchmal im Boden und manchmal in Baumhöhlen??- da sind die Vorlieben verschieden. Und diese Nester werden von fremden Hummelarten gekapert und für deren Eiablage zweckentfremdet. Kommt Ihnen bekannt vor? Der Vergleich zum Kuckuck drängt sich geradezu auf und hat den "Kuckuckshummeln" ihren Namen eingebracht. Dass ein Kuckucksei im Hummelnest liegen kann, ist allerdings ein Kampf, ganz wortwörtlich.
Angesichts der kriminellen Tiere fragt man sich doch: Wie wurden sie überhaupt kriminell? Schließlich ist wohl keines von ihnen eines Morgens mit der Idee erwacht: "Mir reicht's, mich selbst um die Kinderbetreuung zu kümmern??- ich zwinge ab sofort anderen Tieren die Care-Arbeit auf." Bei den Hummeln bekommen wir eine Ahnung, wie das abgelaufen sein könnte. Auch die Kuckuckshummeln sind nicht kriminell auf die Welt (oder besser gesagt auf die evolutionäre Bühne) gekommen. Aber lassen Sie mich erst einmal eine von ihnen vorstellen: Die Dunkle Erdhummel zum Beispiel unternimmt dann und wann Versuche, die Nester der Hellen Erdhummel zu unterwandern. Im Gegensatz zu ihrer Verwandten ist sie eine Langschläferin. Während die helle Königin bereits mit dem Frühlingsbeginn einen Ort für das Nest gesucht und eine Schar von Arbeiterinnen erschaffen hat, verlässt die dunkle erst gemächlich ihr Winterversteck. Nun könnte man sich selbst an die Arbeit begeben. Oder man versucht einfach, das fremde Nest zu übernehmen. Die feindliche Übernahme bietet neben dem offensichtlich geringeren Arbeitsaufwand noch weitere Vorteile (dazu gleich mehr). Der große Nachteil bei der Geschichte: Kein Hummelvolk gibt sein Nest kampflos her und die Angreiferin kostet der Versuch oftmals das Leben.
Zumindest bei neun heimischen Hummelarten scheinen die Vorteile überwogen zu haben. Die Kuckuckshummeln sind im Laufe der Evolution über den einfachen Nestraub hinausgegangen und spezialisierten sich auf das Leben als Sozialparasit. Als solche machen sie sich die soziale Lebensweise und die Brutfürsorge ihrer Wirte zunutze, sind allerdings zugleich ebenso abhängig von den Wirtshummeln geworden wie der Kuckuck von den Wirtsvögeln.
Bei der Suche nach einem Hummelnest geht es der Nase nach. Korrekterweise müsste ich sagen: den Antennen nach. Denn Hummeln haben selbstverständlich keine Nase im Gesicht sitzen (ich bitte vielmals um Entschuldigung für das Bild, das Sie jetzt im Kopf haben), sondern erriechen die Umgebung mithilfe ihrer Fühler. Jede Art besitzt ihr individuelles Parfüm. Über ihre Füße verteilen die Hummeln den Geruch überall und hinterlassen eine richtiggehende Duftspur, die von den besuchten Blüten bis ins Nest verläuft. Die Zeitungen haben diese Erkenntnis ihrerseits mit Begeisterung aufgenommen und machten den "Fußgeruch" der Hummeln zur Schlagzeile. Dank dieser Markierungen erkennen die Hummeln direkt, ob eine Blüte bereits besucht wurde. Doch leider ist es für die Kuckuckshummeln so auch ein Leichtes, der Spur bis zum Nest ihrer Wirte zu folgen. Erstaunlicherweise hat die Kuckuckshummel nicht nur ihre Gestalt an die Wirte angepasst, sondern auch ihren Geruch. Ein Trick, um möglichst wenig Gegenwehr beim folgenden Manöver zu erhalten.
Die Kuckuckshummel hat das Nest genau beobachtet. Der richtige Zeitpunkt entscheidet über ihren Erfolg. Erst wenn sich genügend Arbeiterinnen im Nest versammelt haben, startet sie ihren Angriff. Ruppig drängt sich die Kuckuckshummel an den Arbeiterinnen vorbei, die ihr den Eingang zum Nest versperren. In bester Kneipen-Schlägerei-Manier poltert sie hinein und hält angriffslustig nach der Königin Ausschau. Ein Kampf auf Leben und Tod beginnt und obwohl die Arbeiterinnen der Königin zu Hilfe eilen, hat die Kuckuckshummel die besseren Karten. Ihr Körper ist größer und mit...
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