Schweitzer Fachinformationen
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Im Jahr 2100 können Menschen ihr Bewusstsein mittels Implantaten zu Schwärmen verbinden, den Hive Minds. Die Programmiererin Atlas Lawson profitiert davon gleich doppelt: Tagsüber arbeitet sie für den größten Hive-Entwickler. Nachts betreibt sie unter dem Decknamen Oracle einen lukrativen Handel mit Erinnerungen, die sie aus Hive-Implantaten stiehlt. Nur ihr Androide Julien weiß von ihrem gefährlichen Doppelleben. Doch dann löscht ein Unbekannter auf einen Schlag einen ganzen Hive aus - etwas, das eigentlich unmöglich sein sollte ...
Der erste Atemzug, den man nahm, wenn man das Sub-Level betrat, war der schlimmste. Instinktiv hielt ich mir den Ärmel meines Mantels vor Mund und Nase, als Julien und ich aus dem klapprigen Lastenaufzug stiegen und uns in die enge Gasse schoben. Die Luft stand hier unten oft tagelang zwischen den Hochhäusern, angereichert vom Geruch des Unrats, der sich in sämtlichen Ecken sammelte.
Die Sonne war untergegangen. Das wusste ich, weil ich auf dem Middle-Level ein kleines Stück des Himmels hatte ausmachen können. Von hier aus, dem untersten Bereich der Megastädte, sah man ihn nie.
»Gibt es etwas Neues zu den Aufständen?« Ich schaute zu Julien hinüber. Unter seinen dunklen Augen leuchteten die Sommersprossen.
»Die Lage hat sich nach wie vor nicht beruhigt. The Cell ist heute weltweit aktiv. Deutlich aggressiver als sonst.«
Ich hatte mit meinen Beobachtungen also recht behalten. »Okay. Halt mich auf dem Laufenden.«
»Hast du Infos darüber, wen wir jetzt treffen werden?«, fragte Julien, während wir in eine lange Gasse einbogen, die lediglich von einer einzigen Laterne erhellt wurde. Sie stammte aus früheren Zeiten von Washington, zu denen es die Hochhäuser und all die Ebenen noch nicht gegeben hatte. Zu denen alles irgendwie süß und klein gewesen war. Ich kannte es nur aus sehr alten Erinnerungen.
Ich übermittelte ihm die Bilder, die Shane mir heute Morgen zugeschickt hatte. »Mehr hab ich nicht«, erklärte ich. »Über Shanes Gedanken ließe sich sicher mehr herausfinden, aber .« Unwillig verzog ich den Mund. »Da lauert so viel Düsteres.« Ich begab mich ungern in die Gedanken derart unausgeglichener Menschen. Das brachte zu viel Chaos in meine eigenen.
Bevor wir in den Schein der Laterne traten, bogen wir erneut ab. Das bunte Licht einer uralten Neonbeleuchtung schillerte uns entgegen, als wir auf das Ende der Sackgasse zusteuerten. Ein dunkel gekleideter Mann lehnte an der Wand neben einer morschen Holztür, durch die gedämpfte Musik drang. Seine leuchtenden Augen fixierten uns streng. Die bunten Sommersprossen zeigten, dass er ein Android war. »Oracle«, grüßte er und zog eine Augenbraue hoch. »Geschäftliches?«
»Für etwas anderes würde ich hier nicht hinabsteigen«, entgegnete ich lächelnd.
»Jetzt verrätst du also deine Wurzeln«, grummelte er schmunzelnd. Ich wollte ihn gerade darauf hinweisen, dass er nichts über mich wusste, da regte Julien sich neben mir und trat einen forschen Schritt nach vorn.
»Schon gut, schon gut«, seufzte der Türsteher. Androiden konnten nicht wirklich eingeschüchtert werden, doch er wusste, dass Julien vermutlich um einiges stärker war als er. Diese Modelle der Kampfklasse gab es eigentlich gar nicht mehr.
»Ich soll euch sagen, dass Shane nicht auf euch warten konnte. Der Kunde sitzt in Raum 21. Da könnt ihr ihn abholen.«
»Holst du ihn?«, fragte ich Julien im Stillen und übermittelte ihm den Treffpunkt. »Ich warte dort auf euch.«
Julien und ich hatten die leer stehende Fabrikhalle, in die ich mich gehackt hatte, schon mehrere Male benutzt. Kleine Aufträge konnten wir im Pub abhandeln, Klienten, bei denen es um mehr ging, wollten allerdings gern ihre Ruhe. Und der Raum, den wir gestern verwendet hatten, wurde sicherlich noch gereinigt.
Ich holte mir das Bild, das Shane mir von unserem nächsten Kunden geschickt hatte, immer wieder vor Augen, während ich die schwere Metalltür aufzog, den öligen Staub von meinen Händen klopfte und den Lichtschalter betätigte. Eine einzelne von der hohen Decke hängende Lampe schaltete sich ein. Direkt unter ihr befanden sich ein grob gefertigter Holztisch und vier Stühle. Seit unserem letzten Besuch schien sich nichts verändert zu haben.
Ein kurzer Scan des Gebäudes zeigte nur ein paar Tauben und Ratten. Ich trat weiter hinein und nahm wieder Kontakt zu Julien auf, um seine erste Interaktion mit dem Kunden zu verfolgen.
»Guten Tag.« Juliens Stimme drang über die Verbindung unserer ADICs an mein Ohr, und ich hielt inne, um zu sehen, was er sah.
Der Raum, den Shane im Pub gebucht hatte, war rund und dunkel. Nur der Tisch in der Mitte war beleuchtet. Auf der Couch, die normalerweise von zwielichtigen Personen besetzt wurde, die sich alles Mögliche an illegalen Substanzen reinzogen, saß heute ein junger Mann in einem sauber geschnittenen Mantel, besorgt in seine Handinnenflächen schauend.
In dem Moment, in dem er zu Julien hinaufsah, wusste ich, dass er der Richtige war. Der aufmerksame Blick seiner hellen Augen schien bis zu mir durchzudringen.
»Bitte folgen Sie mir«, sagte Julien und drehte sich zum Gehen um.
»Entschuldigen Sie . s-sind Sie Oracle?«
Julien antwortete ihm nicht, trotzdem lief der junge Mann ihm hinterher.
Ich widerstand dem Drang, schon jetzt in seinen Kopf zu schauen. Ich bevorzugte es, wenn die Menschen mir ihre Geschichte erzählten und ich sie danach auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen konnte. So wusste ich schneller, woran ich war.
»Du kannst ihn briefen«, wies ich Julien in Gedanken an, während die beiden den Pub verließen. Ich faltete die Hände und konzentrierte mich auf alles, was Julien wahrnahm.
Der Fremde, den Shane uns vermittelt hatte, machte einen überaus skeptischen Eindruck. Beinahe ängstlich. Jedes Rascheln aus den Ecken, jede Maus in den Gassen schien ihn zu erschrecken. Er war auf keinen Fall öfter hier unten.
Vielleicht war er sogar aus dem Upper-Level. Seiner Kleidung nach zu urteilen wäre es nicht unwahrscheinlich.
»Es wird so ablaufen«, begann Julien. »Sämtliche Kommunikation, die von nun an stattfindet, ist verschlüsselt. Selbst wenn Ihr ADIC ausgelesen wird, wird niemand die Gesichter oder die Namen der Personen, mit denen Sie heute zu tun haben, scannen können. Gleichzeitig garantieren wir, alle Transaktionen, die Sie tätigen, mehrfach zu sichern. So wird man weder Sie noch uns für etwas belangen können, falls Sie oder wir einer polizeilichen Untersuchung unterzogen werden sollten.«
»Wir?«, fragte der Mann, doch Julien fuhr einfach fort.
»Wir informieren Sie außerdem darüber, dass wir eine Blockade in Ihrem ADIC installiert haben, die es Ihnen ab jetzt untersagen wird, über irgendjemanden zu sprechen, den Sie im Zusammenhang mit Oracle treffen. Diese Maßnahme gilt der Sicherung unseres Business.«
»Business«, wiederholte der Mann, als sei ihm der Begriff nicht geheuer.
»Der ist süß«, übermittelte ich Julien, ging um den Tisch herum und nahm Platz, während der Android seine Hände auf die Klinken der großen Doppeltür legte und sie aufstieß.
Endlich konnte ich den neuen Kunden mit eigenen Augen begutachten: Er war jung, auf keinen Fall älter als ich. Das war ungewöhnlich, die meisten unserer Kunden waren deutlich älter. Er war ordentlich angezogen, wirkte eingeschüchtert, aber entschlossen. Juliens Scans hatten ergeben, dass er keine Waffen oder sonst etwas bei sich trug, womit er uns gefährlich werden konnte.
Zaghaft schaute er sich in der Halle um. Ich nutzte die Chance, um einen ersten Blick in seinen Kopf zu werfen.
Dort herrschte ungewöhnliches Chaos. Die Gedanken der meisten Personen, die zu mir kamen, schrien nach einem Wunsch oder einem Ziel. Bei ihm war alles seltsam verwirbelt, wie nach einem emotionalen Trauma. Ich erkannte Tränen, Gemälde, die Sterne, einen Baum und erst dann einen Namen.
»Mr. Noah Jason Levy«, sprach ich ihn aus und riss ihn damit aus seinen Beobachtungen. Seine Augen waren aufmerksam auf mich gerichtet. »Ich werde dich Noah nennen.« Bei Typen wie ihm konnte man etwas lockerer sein. »Du bist der Sohn von Jason Levy. Dein Vater hat den Levy-Shield gebaut.«
Er presste die Lippen zusammen, als würde ihn daran etwas stören.
»Danke für die Kühlung unserer Erde«, sagte ich, zog anerkennend die Augenbrauen hoch und bedeutete ihm, näher zu treten. Julien schloss die Türen.
»Ich hatte meinen Namen gar nicht genannt. Auch nicht Ihrem .«
»Dafür bist du ja hier«, unterbrach ich ihn lächelnd. Ich liebte diesen ersten Moment der Überraschung, obwohl es kindisch war, derartig anzugeben. Es war die einzige Freude, die ich in meinem Alltag hatte.
»Noah ist okay«, murmelte er unsicher und legte seine Hand auf die Lehne des Metallstuhls. »Und du bist Oracle?«
»Das ist richtig«, bestätigte ich und signalisierte ihm, sich zu setzen, während Julien mit großer Gelassenheit auf uns zutrat. »Das ist mein Bodyguard.«
Der junge Mann ließ sich zögerlich nieder. Ich versuchte, mich nicht davon beleidigt zu fühlen, dass er offenbar einen Mann an meiner Stelle erwartet hatte. »Was kann ich für dich tun?«
»Na ja«, setzte Noah an, zog seinen Stuhl ein Stück an den Tisch heran und lehnte sich mit den Unterarmen darauf, um mich zu fixieren. »Es heißt, du weißt alles. Ich würde deine wahrsagerischen Fähigkeiten gern erst mal auf die Probe stellen wollen, bevor ich dir mein Anliegen nenne.«
Wie süß. Er war nicht der Erste, der das von mir verlangte, aber er war der Erste, der nicht überheblich bei dieser Bitte klang.
»Kein Problem. Sag mir, was ich über dich herausfinden soll.« Das war meine leichteste Übung, weil jeder Mensch mit einer Frage gleichzeitig an die Antwort dachte.
»Wie alt bin ich?«, wollte Noah wissen.
»Achtundzwanzig«, antwortete ich. »2072 geboren.« Genau wie ich.
»Was mache ich beruflich?«
Wieder die...
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