Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
"Das Paradies der Anleger" (OneCoin), "Die Neuerfindung des Zahlungsverkehrs" (Wirecard), "Wirklich private Zahlungen" (Liberty Reserve), "Der Zugriff auf die billigste Energie" (Envion): Große Betrugsfälle der neuen Finanzwelt suggerierten in ihren Werbebotschaften immer wieder, dass es bei ihnen um große Innovation und bahnbrechende Neuigkeiten ging. Allerdings könnte man leicht auch Vergleiche zu den Betrügern finden, die in Hans Christian Andersens 1837 publiziertem Märchen "Des Kaisers neue Kleider" auftreten und dort Sagenhaftes versprechen:
"Eines Tages kamen auch zwei Betrüger, diese gaben sich für Weber aus und sagten, dass sie das schönste Zeug, welches man sich denken könne, zu weben verstanden. [.] Sie stellten auch zwei Webstühle auf, taten, als ob sie arbeiteten; aber sie hatten nicht das Geringste auf dem Stuhle. Dennoch verlangten sie die feinste Seide und das prächtigste Gold, dieses steckten sie in ihre eigene Tasche und arbeiteten an den leeren Stühlen bis spät in die Nacht hinein."1
Die "Weber" in Andersens Märchen arbeiteten an Kleidern, die niemals real existieren würden. Die modernen dubiosen Weber sind heute mit dem World Wide Web und mit Projekten der Digitalisierung verbunden, die für unsere Gesellschaft sehr wichtig sind. Ihre Vorgehensweise ist allerdings sehr ähnlich:
-In möglichst lauten, aber intransparenten Ankündigungen wird etwas tolles Neues oder die Wiedererfindung von etwas Bestehendem in einer viel besseren Form versprochen.
-Kritiker werden zumeist schroff in ihre Schranken verwiesen - mit dem Hinweis, sie würden wesentliche zukunftsträchtige Vorhaben nicht verstehen.
-Häufig wird auch darauf Bezug genommen, dass nur Neider oder verstoßene Mitarbeiter versuchten, mit negativen Äußerungen einem Projekt zu schaden.
-Je mehr Geld eingesammelt wird oder in den Firmen steckt, desto mehr wird das in den Vordergrund gespielt - "too big to fail" lautet die Devise.
-Am Ende bleibt den Betrogenen zumeist nicht viel - sie sind wie in Andersens Erzählung "nackt" und können oft erst am Ende erkennen, dass sie viele Warnsignale übersehen haben und nun alles für sie verloren ist.
Dass das möglich ist, hat viel mit der Entwicklung der Menschheit zu tun. Das Internet ist inzwischen in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen und breitet sich weiterhin mit großer Geschwindigkeit in alle Richtungen aus. Es gibt den Benutzern die Möglichkeit, sehr viel neues Wissen zu erlangen und die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien für viele wichtige Aspekte des täglichen Lebens zu nutzen. Das hat viele gute Seiten, wie wir gerade während der Corona-Pandemie sehen konnten: Die moderne Technik ermöglichte es Menschen in vielen Branchen, bequem von zu Hause aus weiterzuarbeiten, während physische Zusammentreffen nicht möglich gewesen wären. Die Logistiker liefen zur Höchstform auf, wickelten Millionen von Bestellungen elektronisch ab, und fast jeder kleine Laden offeriert heutzutage über eine Webseite elektronische Bestellmöglichkeiten.
Während die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien die Informationsgesellschaft als eine positive Insel der Seligen erscheinen lassen, haben sie aber auch ihre Schattenseiten. Dabei geht es einerseits um die Exklusion von Menschen, die daran aufgrund ihrer Fertigkeiten, ihres Einkommens oder ihrer Kultur nicht teilnehmen können und sich damit an den Rändern der "digitalen Kluft" bewegen. Andererseits kommt es zu einem immer größer werdenden Technologiemissbrauch, um Menschen um ihr Hab und Gut zu bringen. Dieser findet einerseits in der Welt der Kryptowährungen statt, die von vielen Anlegern nicht verstanden werden, und manchmal nur getarnte Pyramidenspiele sind. Andererseits gibt es eine große Zahl von neuen elektronischen Dienstleistern, die als FinTechs Anleger und Kunden begeistern - in einigen Fällen aber leider große Betrugsmaschen kaschieren. Während die Auftraggeber oder Investoren lang daran glauben, dass die Projekte und Vorhaben gedeihen, gibt es überhaupt keinen Fortschritt, da Betrüger am Werk sind, die nur an einem Schein gearbeitet haben, der niemals Wirklichkeit werden sollte.
Da aber in einem Umfeld großer Hoffnungen, fast bedingungsloser Technologiegläubigkeit und enormer Gier schon das Infragestellen von Innovationen als Zeugnis von Unfähigkeit oder als Ausdruck des Unwissens des Fragestellers interpretiert wird, kann der unwirkliche Schein lange aufrechterhalten werden. Zumeist geht das so lange, bis entweder so viel Geld angesammelt wurde, dass die Betrüger damit flüchten, oder aber bis das ganze Konstrukt zusammenbricht, weil kein neues Geld nachkommt.
"Aber er hat ja nichts an!", sagt das Kind im Märchen "Des Kaisers neue Kleider", als es den betrogenen Kaiser sieht, der sich mit angeblichen neuen Kleidern in der Öffentlichkeit zeigt, die kriminelle Weber für ihn gemacht haben. Solche Ansagen einer objektiven Instanz über den Entwicklungsstand von vorgeblich tollen Projekten in der Finanzwelt fehlen häufig als Korrektiv in einer Umgebung, in der viel Wert auf das Verbergen der Wahrheit gelegt wird. Zumeist verstecken sich die Betreiber hinter pseudo-fachmännischen Ausdrücken wie "Series B Financing", "Initial Coin Offerings" oder dem Eintauchen in "Community Innovation Hubs". Wenn klare Fragen über das wirkliche Kerngeschäft von Unternehmen, deren Profitabilität, die Marktreife, deren Mehrwert oder tatsächliche Alleinstellungsmerkmale aufkommen, werden diese nicht beantwortet oder die Fragesteller als rückwärtsgewandte Feinde vielversprechender Vorhaben dargestellt, die Innovation behindern.
Die milliardenschweren Kriminalfälle rund um OneCoin und Wirecard stehen beispielhaft dafür, wie Kriminelle trickreich böses Geld machen, das sie vorher ihren Investoren, Kunden und Freunden aus der Tasche gezogen haben. In beiden Fällen sind die Hauptprotagonisten geflohen, das Geld ist mit ihnen verschwunden. Und sie hinterlassen hunderttausende Geschädigte, die ihr lebenslang mühsam angespartes kleines Vermögen, ihre Altersversorgung, verloren haben.
Eine Eigenschaft zeichnet die Betrüger der neuen Finanzwelt, die in diesem Buch vorkommen, vor allem aus: ihre Unverschämtheit. Das lässt sich anschaulich am Beispiel der glamourösen Geschäftsfrau Ruja Ignatova illustrieren. Nachdem sie mit ihrer Familie als Kind von Bulgarien nach Deutschland gekommen war, lernte sie Deutsch, meisterte bravourös zwei Studien und ging zurück nach Bulgarien, um sich als Consultant bei der Unternehmensberatungsfirma McKinsey zu verdingen.
Dort lernte sie erstmals die Welt des großen Geldes und der ambitionierten Businesspläne kennen und fühlte sich durch diese Erfahrung solcherart gerüstet, dass sie als 30-Jährige gemeinsam mit ihrem Vater eine insolvente Gießerei im bayerischen Waltenhofen übernahm. Sie versprach der Belegschaft die Sanierung und eine großartige Zukunft. Ihre Anstrengungen bestanden aber vor allem darin, unbemerkt die noch vorhandenen werthaltigen Geräte zu verscherbeln. Der vom Amtsgericht Kempten im Jahr 2012 bestellte Insolvenzverwalter Michael Jaffé versuchte verzweifelt, die Arbeitsplätze für über hundert Mitarbeiter in dieser strukturschwachen Region zu retten, war aber leider nicht erfolgreich. Von der Gewerkschaft IG Metall wurde eine Strafanzeige wegen Veruntreuung von über einer Million Euro und wegen Betrugs gegen die nunmehrige Frau Dr. Ignatova und ihren Vater eingebracht. Die Dame verschwand über Nacht und wurde im Ort nicht mehr gesehen.
Als sie im Jahr 2016 in Deutschland schließlich wegen Betrugs rund um das Investitionsprojekt in Waltenhofen zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt wurde, drehte sie schon längst ein anderes, noch viel größeres betrügerisches Rad. Während es damals einen ersten großen öffentlichen Hype rund um Bitcoin und mit mathematischen Algorithmen abgesichertes digitales Geld gab, gelang es Ignatova, mit OneCoin eine Pseudo-Kryptowährung ins Leben zu rufen, die über ein Multi-Level-Marketing-Konzept vertrieben wurde. Da bei den meisten Kryptowährungen die sichere Verwaltung in einer öffentlich einsehbaren dezentralen Datenbank, einer sogenannten Blockchain, ein wichtiges Kriterium ist, behauptete sie, eine solche sei gerade in Entwicklung.
Dabei gab es bei OneCoin im Hintergrund gar keine Kryptowährung, und damit auch nicht die Notwendigkeit für den Betrieb einer Blockchain. Der Kurs der Währung wurde in der OneCoin-Zentrale in Sofia willkürlich festgesetzt und orientierte sich nicht am Handel mit der...
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