Schweitzer Fachinformationen
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So war's damals. Mein Vater selig hat's mir gewiß tausendmal erzählt: Der Postillion, der täglich von Pfriembach über Riemling und Fleschting nach Rauschenbach fuhr und immer bei unserer Posthalterei anhalten mußte, brachte eines Tages königliche Erlässe für den Bürgermeister Hirlinger mit. »Dringend! Zur sofortigen Bekanntmachung!« stand in großen, fetten Lettern auf den langen braunen Umschlägen. Der Posthalter Renkmair musterte sie interessiert.
»Z'Rauschenbach sogn's, an Kriag gibt's! An Bundesrat sans inanand kemma«, sagte der Postillion.
»Soso . Jaja, dös werd scho so wos sei«, meinte der Renkmair und deutete auf die Umschläge. Gleich darauf ging er zum Bürgermeister ins Oberdorf hinauf.
»Do, dös is von Ministerium kemma . Häng's no glei naus a's Kastl«, sagte er zum Hirlinger. Der öffnete die Briefschaften. Interessiert besahen sich die beiden die auffällig gedruckten Verordnungen, die die sofortige Mobilmachung im ganzen Lande verkündeten. Der Gendarm Blinzlinger, der eben in die Stube eintrat, war beinahe beleidigt, als man ihm diesmal so wenig Aufmerksamkeit entgegenbrachte. »Kriag is erklärt! Braucht's es net lang lesen! Hängt's es no naus, dös is d'Mobilmachungsorder«, sagte er darum unvermittelt und sehr laut.
»Wos sogst.?« rief in diesem Augenblick die Hirlingerin, die im Türrahmen auftauchte, und ging vollends in die Stube.
»Da Kaisa und da König vo Preißn hobn si z'kriagt! . Da Preiß wui nimma parriern . Drum geht's o gegn dö Hammin«, erzählte der Blinzlinger und setzte, befriedigt über den schönen Eindruck, hinzu: »Ois muaß einrucka, wos militärpflichti is.« Er hatte seinerzeit im Dänischen Krieg als Freiwilliger gedient und bei Düppel mitgefochten. Der Posthalter, die Hirlingerin und der Bürgermeister schauten ihn an.
»Wegn Schleswig-Holstein wird's hoit hergeh«, meinte der Renkmair jetzt: »I hob scho so wos ghärt.«
»Und weil dö Saupreißn oiwai dös erst Wort redn mächtn an Reich!« ergänzte der Gendarm.
»Dö Sauteifin, dö graislinga! . Kriagn net gnua, ha .? Fanga oiwai wieda o!« bekundete die Hirlingerin.
»Aba dösmoi san ma nimma so dappi und lossn üns d'Köpf derschlagn wegn iahnern notinga Schleswig-Hoistein, iahnern lumpertn Gmüasgartn, iahnern lumpertn - dösmoi gibts a strengs Gricht!« erläuterte der Blinzlinger.
»Ja - na häng's no glei naus, dö Verordnunga«, meinte die Hirlingerin in bezug auf die Ministerialerlässe zum Bürgermeister, und der ging aus der Stube, vor ans Gartentürl, zum Gemeindekasten und heftete die Blätter hinein. Der Kragerer fuhr gerade vorbei mit einem gebogenen Mistwagen und trieb die Ochsen an.
»Kriag is!« schrie ihm der Bürgermeister zu.
»Kriag? . No ja, solln no a so furtmacha!« brummte der mißmutig und kümmerte sich nicht weiter um den Schreier.
»Dei Franzi muaß doch fort?!« rief, ärgerlich über diese Gleichgültigkeit und zutiefst in seiner Bürgermeisterwürde verletzt, der Hirlinger.
»Freili .! - Waar ja net ganz, wenns net oiwai daherkemmertn, wenn dö meist Arbat do is, dö Hammin, dö Großgoschetten .!« gab der Kragerer zurück und schrie seine Ochsen an: »Hüa! Hüa! Kratn verreckte! Hüa .!«
Beleidigt schlug der Bürgermeister das Kastentürl zu und tappte ins Haus zurück.
Hingegen, als Zeichen, daß es diesmal keine Flausen mehr gab, gingen der Raffinger-Feschl und der Franzi in Sonntagsgewändern mannhaft die Dorfstraße herauf, auf die Bätzwirtschaft zu.
»Gib üns a Bier, Bätz! . An Kriag geht's!« schrien sie schon von weitem, und der Wirt, der gerade das nasse Laub zusammenfegte, drehte sich um und fragte neugierig: »Wos? . An Kriag? . ja, do hot ma doch nia wos ghärt? Und ös müaßts jetz furt. Ja, wia kimmt denn jetz dös .?«
Sichtlich zufrieden, mit gelassenem Schritt, ging kurz darauf der Posthalter aus dem Bürgermeisterhaus. Vor dem ehemaligen Baurhammerhaus, das schon seit langer Zeit einem Konrektor Kernaller gehörte, blieb er stehen und schaute auf ein offenes Fenster im ersten Stock. Mit aller Hast stieß Kernaller eine große schwarze Fahne heraus und band sie - so schnell es nur ging - ans Fensterkreuz. »Dö deitsche Rindviehcha! Dö deitsche .!« knurrte er boshaft, und sein verbissenes Gesicht grinste verzerrt hinter dem Glas. Flugs reckte er seine zwei Fäuste und verschwand wieder. -
Kernaller war Schwabe, stand 1848 nicht weit von der Heckerschen Richtung und entwich dazumal nur mit knapper Not dem Hochgericht. Man sah ihn oft wochenlang nicht, und das Baurhammerhaus schien ständig unbewohnt zu sein. Einen düsteren, ruinenhaften Eindruck machten die dunklen, dichtverstaubten Fenster.
»Politikus« hieß man aus einem unbekannten Grund den Konrektor im Dorf. Er rannte höchstenfalls einmal schaun ums Haus in die Holzschuppe und verschwand dann wieder. Ständig trug er einen schwarzweiß karierten, sehr zerschlissenen Schlafrock, riesige Pantoffeln, und tief in seinem Genick saß ein rotes Türkenkäppi mit einer schwarzen Quaste.
Der Krieg war wirklich ausgebrochen. Der Renkmair allein hatte eine Zeitung. Zu ihm, in seine Wirtschaft kamen jeden Sonntag die ganzen Bauern. Da wurden Schlachten geschlagen. Man sah fröhlich die Preußen vor den ungestümen Bayern und Österreichern wie Fasangockel bei der Treibjagd herlaufen.
»Derwischn wenns'n, an König von Preißn und sein plärrmailertn Bismarck, na werdn's oi zwoa aufghängt!« erzählte der Schmied Banzer.
»Jaja, dös loßt si denka, daß do streng hergeht, wenn's dö zwoa kriagn«, bekräftigte der Müller-Silvan.
»Noja! . Wos müaßns' aa ofanga, dö vorlautn Hammin, dö vorlautn!« drauf der Renkmair gelassen.
»I wenn a so oschaffa kunnt«, räsonierte der Kragerer, der noch immer ärgerlich war über dieses Kriegführen so mitten in der ungelegensten Zeit: »I wenn a so Herr war.! I tat dö hoha Herrn oisamm vor mein Mistwogn spanna und an Trapp müassertn's laafa, daß iahna Zunga bis ins Knia obi raushängert! . Do vergangertn iahna glei dö Mais mit dera Kriegfüahrerei.!«
»Jetzt do hoscht aa wieda net recht! . A so konn ma aa wieda net redn! . Solcherne Sachern hobn iahnerne politischn Hintertürn . Do kinna mir net mitredn«, meinte daraufhin der Posthalter und setzte mit Nachdruck hinzu: »Aba dös is gwiß, daß's dösmoi um richtige Intressn geht, wenn amoi da Kaiser ois Militär ausrucka loßt?! . I sog amoi sovui, wenn si dös ganz Deitschland gega dö gschroamailertn Preißn stellt, nachha is's Ernst.«
»Ja no . dös loßt si denka . dös loßt si denka .« murmelte der Hirlinger sachlich.
Der Raffinger stellte den Krug hin: »Mei Feschl hot gsogt: Ois bringers um! Koan Pardon gibt's!«
»I hob mir's scho oiwai denkt . Mit dera Bundesrats-Streiterei kimmt's no amoi richti zon Kracha . Jetz hobn mir's scho aa .« sagte der Bürgermeister abermals.
»Foische Hund sans doch, dö Preißn«, bekundete der Renkmair: »Hobn einfach ogfangt und Hannova und Sachsn überfoin und nachha erst d'Kriegserklärung gschickt! . Hahah ., host jetzt sowos schon gsehng . hmhm .«
»Hintervotzige Luada, hintervotzige . Dös san richti Luthrische«, brummte der Kragerer.
»Der oit König selig, der hätte koan Kriag gmacht! . Der hot's Streitn nia ming«, warf der Müller-Silvan hin.
»Na, waar er a Rindvieh gwen, daß't ös hoaßt«, alterierte sich der Raffinger sofort: »Aufs Mai naufscheißn loß ma üns jetz nachha vo dö Saupreißn, vo dö windinga! . Do konn ma net gnua umbringa, dö Pollaken, dö luthrischn! . Dö hobn überhaaps koan Glaabn, dö hobn bloß a Botzn! .«
»Dös sog i ebn aa . den ganzn Glaabn hobn's ogschafft .«, beschloß der Schmied Banzer die Debatte.
So ging es alle Tage.
Langsam aber kamen in Renkmairs Zeitung ausweichendere Notizen. Da hieß es immer: »Die achte Bundesarmee konzentriert sich und steht in fester Abwehrstellung.« Man hörte nichts von einer richtigen Schlacht. Mehr noch, der Posthalter kam einmal aus der Stadt und sagte: »Schlacht sois steh, hob i ghört.«
Dann erfuhr man von Schlappen der achten Bundesarmee. Von »taktischen Notwendigkeiten« schrieb die Zeitung etwas. Kein Mensch verstand es, aber ein Mißtrauen fing langsam an.
»Dös is's ebn! . Dö Hundspreißn, dö verrecktn, dö frogn überhaaps net noch'n Rächt! . Dö schiaßn einfach, dö Lackln«, schimpfte der Raffinger.
Hingegen einige österreichische Generalstabsberichte waren so gehalten, daß man wieder allgemein mutig wurde.
»In d' Foin lockers ös jetz . Und da wui ma oisamm masakriern«, erläuterte der Posthalter: »Der Feldzeigmoaster Benedek is koa Dumma! . Der hot a ganz's Johr hinstudiert an den Schlachtplan .«
Und immer wieder sah man die Preußen umzingelt und nahe an der Vernichtung. Berlin wurde in der Renkmair-Stube schon gebrandschatzt.
Wie das schon von jeher, früher und jetzt noch bei uns ist, man läßt sich nicht so leicht irritieren.
»Waffenstillstand is erklärt! . Dös hot a schlauch gmacht, der Benedek . Do loßt er jetzt dö Preißn 's Feir einstelln, nachha schiaßt er, wos der Zeig hoit«, erklärte der Renkmair: »Dös werd der letzt Schlog . Do gehnger's oisamm z'grund, dö Preißn .«
Aber man hörte nichts dergleichen. Der Benedek schoß nicht. Die Flechtinger wurden kleinlauter. Kleinlauter wenigstens in bezug auf das Siegen. Desto grimmiger aber...
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