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Kapitel 1
»Dieser Reißverschluss bringt mich noch um!« Hugo Flock stehen die Schweißperlen auf der Stirn.
»So streng dich doch ein bisserl an!«, befiehlt Romana und versucht ihrerseits einen Beitrag zu leisten, indem sie die Luft anhält.
Tapfer müht sich Flock mit dem Zipp Zentimeter um Zentimeter aufwärts. »Du weißt, ich soll mich mit meinem Herzschrittmacher nicht anstrengen.« Er findet, es ist Zeit für eine kleine Pause, und lässt sich erschöpft auf eines der steinhart gepolsterten Sofas im Rokokostil fallen.
»Papperlapapp! Der Professor Pongauer hat gestern erst gesagt, dass der Schrittmacher noch wie ein Glöckerl funktioniert, und die Batterie muss frühestens in einem Jahr getauscht werden. Ein bisserl Anstrengung ist gesund, Hugo. Machst eh sonst keine Bewegung - außer beim Geldzählen.«
Hugo Flock findet den Scherz nicht gelungen. Bewegung hätte in den vergangenen Wochen eher seiner Romana gutgetan. Dann hätt sie vielleicht besser in das Kleid gepasst. »Sag, aus welcher Zeit stammt denn dieser Glitzerfetzen? Als du Größe 34 hattest?«
Romana schweigt beleidigt. Größe 34 hatte sie nie, sie war auch in ihrer Jugend schon der etwas fülligere Typ, mit den Rundungen an den richtigen Stellen. Jetzt sind die Rundungen halt noch runder geworden, na und? Das Kleid war schon beim Kaufen etwas knapp. Aber sie hatte sich in diesen Hauch aus smaragdgrünem Flitter und Pailletten auf den ersten Blick verliebt. Zu ihren roten Locken, den grünen Augen und für die Festspiele genau das Richtige. Außerdem wollte sie sich in das Kleid hineinhungern.
Aber wer kann es einem verdenken, dass man genießt, feiert und zunimmt, wenn die alte Langzeitliebe endlich die Schlampe von Ehefrau zum Teufel jagt und mit ihr, Romana Petuschnigg, ganz offiziell zu den Salzburger Festspielen fährt? Und da sind sie jetzt. In Salzburg, in Hugos Wohnung in der Franz-Josef-Straße. Und bereiten sich auf den Jedermann-Besuch vor. Ein Herzenswunsch von Romana. Flock mag den Jedermann nicht. Zu moralisierend, zu heilig, zu viel vom Sterben eines reichen Mannes. Nichts für einen Milliardär in den Achtzigern.
Tatsächlich freut sich Romana mehr auf den Festspielglanz mit den Reichen, Schönen, Prominenten als auf den Hofmannsthal und seine schwülstige Sprache. Aber das würde sie nie zugeben. Ebenso wenig wie die Sache mit dem Zunehmen.
Kritisch betrachtet sie ihr Bild im zwei Meter hohen, goldgerahmten Spiegel: Knackwurst in grünem Glitzerkondom - die Gedanken sind frei. Wenigstens der Spiegel gefällt ihr. Biedermeier? Barock? So gut kennt sie sich nicht aus. Aber er ist schön, das einzige Stück, das sie in dieser Wohnung mag. Die übrige Einrichtung ist ihr zu museal, formell und ungemütlich, total überladen. Vor allem die Ölschinken an den Wänden. Na ja, falls sie hier vielleicht einmal so was wie die Hausfrau abgeben sollte - wer weiß -, wird sie so manches entrümpeln und das Ganze mit geschmackvollen Mitbringseln von ihren Fernreisen und mit modernen Bildern aufhübschen. Denen von August Glück zum Beispiel. Kurz fällt ihr das schreckliche Bild ein, das Martin Glück für sie gemalt hat. Ihr lieber Freund Martin, der leider das Künstler-Gen seines Vaters August nicht geerbt hat. Das Bild verstaubt vermutlich irgendwo in einem Kammerl ihrer Wörthersee-Pension. Nein, hier passt es auch nicht her. Aber vielleicht wäre es das richtige Abschiedsgeschenk für die zukünftige Ex von Hugo? Ein böses Lächeln umspielt die rot geschminkten Lippen.
»Freust dich schon?« Flock ist kein Gedankenleser. »Also, dann gehen wir's wieder an!« Er ist aufgestanden und macht sich abermals an Romanas Reißverschluss zu schaffen. Diesmal mit Erfolg. Der Zipp ist an seinem Ziel. Ob sie mit dem Kleid auch sitzen kann, ist eine andere Frage. »Stehplatz wär für dich heute vielleicht besser als Parkett.«
Romana ignoriert das gutmütig-spöttische Lachen ihres Freundes. Sie frotzeln einander gern, wie es alte, allerbeste Freunde und Liebhaber tun.
***
Eine Stunde später stehen sie auf der Dachterrasse des Hotel Stein und schlürfen Champagner, während sie in der Abendsonne die schier unglaubliche Kulisse der Salzburger Altstadt bewundern. Den Blick über die Salzach, die Dächer der Altstadt, die Domkuppel bis hin zum Mönchsberg und der Festung Hohensalzburg. Die Mozartstadt liegt ihnen zu Füßen, wie sie malerischer nicht sein könnte. Von oben gesehen ist sie fast genauso schön wie ihr geliebter Wörthersee, muss Romana zugeben. »An die Stadt könnt ich mich gewöhnen, Hugo.«
»Wenn's grad nicht regnet. Wir haben heut echtes Glück mit dem Wetter. Da wirst den Jedermann auf dem Domplatz erleben und nicht im Festspielhaus. Sag, warum wolltest ausgerechnet den Jedermann sehen?«
Während Flock zwei weitere Gläser Champagner ordert, denkt Romana nach, was sie Gescheites antworten könnte. »Na ja, man liest doch immer so viel darüber. Es ist halt Weltliteratur. Und dann hautnah die Stars erleben. Angeblich ist voriges Jahr der Tod jeden Abend schon im Kostüm mit dem Fahrrad vom Festspielhaus zum Domplatz gefahren. Kannst dir den Anblick vorstellen? Vielleicht macht er das heuer auch wieder. Und wenn dann auf dem Domplatz die Sonne untergeht! Ja und natürlich der Moretti, der am Wörthersee .«
». nicht in deiner Pension abgestiegen ist?«, sagt Flock spöttisch. »Also wenn du allen Prominenten, die nicht bei dir gewohnt haben, nachjagen willst, dann hast die nächsten Jahre viel zu tun.«
»A geh, ich mein halt, der Moretti ist einfach ein richtig grandioser Schauspieler. Zum Beispiel damals mit dem Rex .«
Jetzt hält sich Hugo demonstrativ die Ohren zu. Er mag sie sehr, seine alt gewordene Jugendliebe, mit all ihren Spinnereien und Fehlern. Aber die Romana und ihr Kulturverständnis? Mit den Festspielen, die für sie natürlich hauptsächlich aus dem Eventcharakter und dem Zusammentreffen mit Prominenten bestehen, hat er ihr wirklich eine Freude gemacht. Seit sie in Salzburg angekommen sind, strahlt sie zufrieden wie eine Katze, die gerade eine Schale Schlagobers verputzt hat. Zeit, ihr noch eine Überraschung zu präsentieren.
»Das mit dem Essengehen nach der Vorstellung wird schwierig, Romana«, fängt er an.
»Warum? Dann ist es eh schon wurscht, ob der Reißverschluss platzt. Ich hab ja eine Stola mit. - Hey, ich seh ja nichts, wenn Sie da vor mir stehen!«, tadelt sie einen Besucher der Steinterrasse, der sich mit Ellbogentechnik vor sie gedrängt hat.
»Is was, Oid.«, weiter kommt er nicht, da pflanzt sich Flocks Leibwächter vor ihm auf. Wolf Tschebull - von Freunden »der böse Wolf« genannt - hat schließlich seinen Dienstherrn und dessen Entourage immer im Blick. Respektvoll weicht der Missetäter zurück.
Flock hat einen kurzen, beunruhigten Blick auf den Mann geworfen, fährt dann aber fort: »Also, das mit dem Essengehen wird deswegen nichts, weil als Förderer der Festspiele bin ich - mit meiner Begleitung - zur Premierenfeier in der Felsenreitschule eingeladen! Na, was sagst? Ist dir doch lieber als das Menü im Goldenen Hirsch, oder?«
»Zur Premierenfeier???!!« Romana jauchzt so laut auf wie sonst nur, wenn sie in ihren Wörthersee springt. Die anderen Gäste drehen sich verwundert nach der Rothaarigen um. »Ja, Hugo!! So a Freud, das kannst dir gar nit vorstellen.« Spontan umarmt sie ihn und drückt ihn, bis ihm die Luft wegbleibt.
»Versprich mir halt, dass du dich ein bissel zurückhältst und den Moretti nicht auf den Rex anredest, wenn's geht. Aber eigentlich ist das eh wurscht. Vielleicht wär's sogar ganz lustig«, sagt Flock, als er sich aus Romanas Armen befreit hat.
Doch Romana denkt in diesem Moment nicht an den berühmten Jedermann-Darsteller, sondern an Iris - Tussi - Flock. Sie stellt sich das Gesicht der Ehefrau Nummer zwei vor, wenn die in der Zeitung das Bild sieht. Wörthersee-Milliardär und Förderer der Festspiele Hugo Flock in Begleitung von Romana Petuschnigg wird darunter stehen. Und die gute Iris wird sich in den frisch aufgepolsterten Hintern beißen wollen. Selber schuld! Einen Hugo Flock betrügt man nicht. Und schon gar nicht mit so einem windigen Möchtegernmimen.
Rechtzeitig, bevor Flock zur noch größeren Überraschung des Abends ansetzt, bringt der Kellner zwei weitere Gläser Champagner.
Flock reicht Romana feierlich eines davon und wird plötzlich ernst: »Übrigens, meine Liebe, ich wollt dich noch was fragen.«
Sie wendet sich von der Märchenkulisse und ihren bösen Gedanken ab, um Hugo zuzuhören. Was kann er von ihr wollen? Dass sie nicht heimlich nach Klessheim ins Casino fährt, musste sie ihm eh schon versprechen.
Sie geht auf ihn zu und legt ihm liebevoll die Hand auf die Schulter. »Na, sag schon, Hugo.«
Er räuspert sich kurz und fährt dann in trockenem Ton fort: »Wir kennen uns jetzt über vierzig Jahre, Romana. Und nun, da ich der Iris draufgekommen bin, und dann noch der arme Christian . also, allein sein ist ja auch nicht das Wahre. Mit einem Wort, ich wollt dich fragen, ob du nach meiner Scheidung die dritte und letzte Frau Flock werden willst.«
Schockstarre. Romana, die gerade einen Schluck aus ihrem Glas nehmen wollte, verschüttet den Champagner und ist - was sie noch nie zuvor in ihrem Leben war - sprachlos. Nach einer Minute entweicht ihr schließlich ein bis zum Mönchsberg hörbares »Oh, holy shit!!«
»Heißt das in der Romana-Sprache >Ja<?«
Sie nickt wortlos, fällt ihrem Hugo um den Hals, der...
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