Schweitzer Fachinformationen
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Venerdì (Freitag) - 15. Oktober München
Heißer Dampf schlägt mir entgegen, als ich die Spülmaschine öffne, um die letzte Ladung Teller und Besteck in die vorgesehenen Schränke und Schubladen zu verräumen.
»Bitte schön, Paps, gern geschehen«, murmle ich vor mich hin, fröne dem Selbstmitleid, weil alle anderen schon weg sind und die restliche Arbeit an mir hängen bleibt. Als Tochter des Chefs habe ich halt nicht nur Privilegien, sondern auch ein paar Sonderpflichten.
Die mir aber, ehrlich gesagt, nichts ausmachen. Meistens zumindest.
Die Wasserflecken an der Edelstahlablage entgehen meinem prüfenden Blick nicht. Zur abschließenden Politur lasse ich das Baumwolltuch über die Fläche gleiten.
Die feuchten Lappen werfe ich zu den gebrauchten Tischdecken und Servietten in die Wäschebox. Hier, im »Macis«, wacht mein Vater nicht nur über die Qualität der Speisen und deren Zubereitung, sondern auch mit Argusaugen über Sauberkeit und Hygiene.
»In einem Sternerestaurant muss alles stimmen«, sagt er immer, »vom streifenfreien Weinglas bis zur sauberen Klobürste.«
Auf meine Frage, wie er das meine, hat er nur minimal seine rechte Augenbraue gehoben. Er muss auch nichts sagen, ich kenne ihn seit 27 Jahren, wir haben das beste Verhältnis und ich arbeite gerne mit ihm zusammen, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind.
Ich kann's mir nicht verkneifen und lasse ein paar Gewürzdosen auf der Ablage stehen . Ich sehe förmlich vor mir, wie er bei seinem täglichen Abschlussrundgang durch seinen Gourmettempel eilt und die Dosen ins richtige Regal stellt, kopfschüttelnd wahrscheinlich, weil er mich genauso gut kennt wie ich ihn. Ist spät geworden heute, die letzten Gäste haben den Abend und den Abschlusswein sichtlich genossen und so soll es auch sein. Ich wickle das schwarze Schürzentuch von meinen Hüften und stopfe es in die Wäschebox.
Aus dem Gastraum dringen Stimmen zu mir herüber. Hat Paps Besuch bekommen? Eigentlich wollte er ja noch was mit mir besprechen. Ich lehne mich in den Türrahmen und stelle meine Lauschantennen auf Empfang. Oh, oh, das klingt nach Ärger. Da drücke ich mich lieber noch ein bisschen in der Küche herum, denn ich will nicht zwischen die Fronten geraten. Es ist bereits nach Mitternacht, der tägliche Abreißkalender hinkt mittlerweile 14 Minuten hinterher. Keine Küchenweisheiten, sondern kluge Sprüche von weisen Leuten. Gestern war's: »Zufall ist ein Wort ohne Sinn; nichts kann ohne Ursache existieren.« Bin mir nicht sicher, ob ich hier mit Voltaire übereinstimme. Ich reiße das Blatt ab. Eher schon mit dem Spruch für heute, von Johann Peter Hebel: »Merke: Es gibt Untaten, über welche kein Gras wächst.« Definitiv. Nach einer kleinen Weile verzieht sich das Gewitter drüben, es war »Tief Lollo«, wie ich an der Frauenstimme erkennen konnte.
Ich setze mich zu Paps an den Tisch und schenke mir ein Glas Rotwein ein.
Er stöhnt. Stress wegen einer TV-Kochshow. Er soll als Juror an einer Sendung teilnehmen, was er auch gerne möchte, aber wie immer hat er ein Zeitproblem. Und jetzt auch noch das. Er hat ein schlechtes Gewissen.
»Was war los?«
»Lollo«, seufzt Paps und reibt über sein Gesicht.
»Ja, das war nicht zu überhören, aber ich denke, ihr habt Schluss gemacht?«
»Haben wir auch. Schon vor Monaten. Aber sie ist davon überzeugt, dass wir das ideale Paar sind und ich der ideale Vater für ihre Kinder.«
»Ich lach mich schlapp.«
»Das ist nicht lustig«, schnappt Paps beleidigt. »Ich habe eine erwachsene Tochter - zumindest wenn es nach dem Alter geht.«
»Vorsicht«, warne ich.
»Mal ehrlich, Doro, ich bin zu alt für solche Ideen.«
»Da könntest du recht haben. Vielleicht solltest du dir mal eine Freundin zulegen, die älter ist als deine Tochter. Ich meine, eine Frau in deinem Alter .«
»Hab ich ja. Valeria ist fast so alt wie ich oder, besser gesagt, so jung wie ich.« Seine Kummerfalten wandeln sich zu feinen Lachfältchen.
»Na, immerhin kannst du über dich selbst lachen.«
»So wie du, mein liebes Töchterlein.«
Stimmt, manchmal fällt uns durchaus auf, dass wir, sagen wir mal, etwas speziell sind.
Ich mag Valeria. Sie ist Italienerin mit eigenem Lokal in Valeggio am südlichen Gardasee und macht die weltbesten Tortellini, die Nodi d'Amore. Ich habe sie im Juni kennengelernt und Paps' freundschaftliche Beziehung zu ihr hat sich zu einer Liebesbeziehung entwickelt. Aber er hat sich nicht deshalb von Lollo getrennt, sondern schon vorher. Ich glaube, Lollos familiäre Anwandlungen haben ihm Angst gemacht. Das Kinn in die Hand gestützt, mustere ich Paps. Der sinniert vor sich hin. Ich schau auf die Uhr.
»Okay, wird langsam Zeit. Ich hab zwar morgen frei, aber mir langt's für heute. Dein Liebesleben musst du selber auf die Reihe bringen, aber wolltest du nicht noch etwas mit mir besprechen? Ich vermute, dass es nicht um die Frage geht, wen ich an deiner Seite sehen will.«
»Tochter, wer hat dich nur erzogen?«, fragt Paps gespielt entsetzt.
»Hm, mal überlegen .«
»Schnickschnack - rundheraus: Könntest du dir vorstellen, für einige Zeit nach Italien zu gehen? Nach Bardolino?«
»Was? Schon wieder? Ich war doch erst im Juni dort. Oder zumindest in der Nähe. Nicht, dass mir so eine spontane Idee nicht gefallen würde, aber ich habe schließlich auch Pläne.«
»Und die wären?«, fragt Paps leicht beunruhigt.
»Wie auch immer, erzähl erst mal, welchen Spezialauftrag du für mich in der Tasche hast.« Ich nippe am Wein und lehne mich mit verschränkten Armen zurück.
»Wie du das sagst . Als ob ich jemals Unmögliches von dir verlangt hätte.«
»Los jetzt, raus mit der Sprache. Lass dir nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen«, fordere ich und setze ein sattes Gähnen hinterher. »Ein bisschen mehr will ich schon wissen.«
»Schon angebissen? Ich seh's dir an«, triumphiert Paps.
»Also?«, lasse ich nicht locker.
»Valeria hat angerufen«, sagt Paps, als würde das alles erklären.
»Und was hat das mit mir zu tun?«
»Ja, also . Valeria hat einen Cousin. Und dem liegt etwas schwer auf der Seele. Valeria meint, du könntest vielleicht .«
»Den Seelendoktor spielen? Seid ihr komplett verrückt? Ich kenne den Mann nicht mal.«
»Schmarrn, hör zu: Enzo vermutet, dass seine Frau ihn betrügt. Und du sollst einfach ein wenig die Augen offen halten.«
»Enzo also. Und warum engagiert dieser Enzo keinen Privatdetektiv? Solche Menschen gibt es nämlich. Das wäre wesentlich einfacher.«
»Hat Valeria ihm vorgeschlagen, aber das möchte er nicht. Das ist ihm zu indiskret.«
»Seltsame Logik. Versteh ich nicht. Ein Privatdetektiv verursacht ihm ein schlechtes Gewissen, aber dass ich seiner Frau hinterherschnüffeln soll, ist dann besser, oder was? Wie soll das überhaupt gehen? Ich meine, ich bin ja nicht unsichtbar. Und außerdem, egal, was dieser Enzo über seine Frau denkt, erstens weiß ich gar nicht, ob das überhaupt stimmt, und zweitens muss ich dann seiner Frau ins Gesicht lügen.« Zugegeben, ich bin ein bisschen laut geworden, aber es ist wirklich der Hammer, was Paps mir da zumutet. Ich bin doch keine Spionin!
»Beruhig dich, Doro«, beschwichtigt Paps. »Valeria ist halt auf dich gekommen, weil du ja im Sommer recht aktiv zu Polizeiermittlungen beigetragen hast.«
»Das ist doch was völlig anderes. Wenn ich mitkriege, dass ein Verbrechen geschieht, und versuche, den Täter oder die Täterin aufzuspüren, dann kann man das vielleicht als etwas übereifrig bezeichnen, aber das, was Valeria und du von mir wollt, ist eine ganz andere Schiene! Da hätte ich die absolute A-Karte.«
»Ich versteh deine Bedenken, aber überleg es dir doch wenigstens noch einmal. Valeria hat ein sehr inniges Verhältnis zu ihrem Cousin, schon von Kindesbeinen an, und jetzt hat er sich in seiner Verzweiflung an sie gewandt und sie möchte ihm helfen, weiß aber nicht, wie. Da ist ihr eingefallen, dass du einen aufmerksamen Blick für gewisse Dinge hast.«
»Sei ehrlich, Paps, hat sie nicht eher gesagt, dass ich meine Nase in Dinge stecke, die mich nichts angehen?« Trotz meiner Empörung zucken meine Mundwinkel verräterisch.
»Also, so hat sie es jetzt nicht direkt .«
»Schon gut, du brauchst dich nicht so zu winden, ich verstehe die Lage und ich mag Valeria. Nur das, was ihr da von mir verlangt, ist ziemlich heavy.«
»Ich weiß.« Paps knetet seine Hände und zieht die Brauen in einer dermaßen verzweifelten Geste zusammen, dass der härteste Stein weich werden würde.
»Okay, mal angenommen, nur rein hypothetisch, falls ich das mache, dann habe ich zwei Bedingungen.«
»Lass hören«, seufzt mein Vater mit einem erleichterten Lächeln.
»Ich sag mal so, das wären die Grundvoraussetzungen. Erstens: Vinc muss mit. Und zweitens: Valeria muss mich in die Kunst der Tortellini-Herstellung einweisen, inklusive des Originalrezepts für ihre persönlichen Nodi d'Amore.«
Paps kratzt sich am Kopf. »Vinc geht klar, aber das mit dem Rezept . Schatz, du weißt, wie Profiköche da ticken.«
»Eben deshalb. Ich bin selber Köchin. Und das Rezept will ich haben. Bis auf die letzte Prise Muskat, um es mit deinem Lieblingsgewürz auszudrücken.«
Mein Handy klingelt. Vinc.
»Hallo,...
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