Schweitzer Fachinformationen
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Vor einem Dutzend Jahre stand ich einmal auf dem Anstand, eines armen Häschens wartend. Der Jägerbursche war mit den Hunden tief unten im Walde schon geraume Zeit, die Hunde schlugen an oder gaben Vorlaut, wie man hier zu sagen pflegt, aber auf wollte das Häschen nicht. Es wird bös Wetter geben wollen, dachte ich, es hebt kein Tier gerne sich aus dem warmen Lager, wenn ein Sturm im Anzug ist. Ein kalter Ostwind rauschte in den Wipfeln der gewaltigen Tannen, die dicht beisammenstanden, fast wie das Korn im Acker, schlank und hoch hinauf in den Nebel ragten, als seien sie eigens zu Schiffsmasten gewachsen. Es war ein trüber, saurer Novembertag, grau der Himmel, gelb die Erde, schwarz der Wald, gerade so einer von den Tagen, welche die schweren Gedanken bringen, die Schwermut herauf?locken aus der Menschenseele, die Schwermut mit ihrer unerträglichen Pein, mit ihrem schwarzen Sinnen, mit ihrem Hass gegen Licht und Leben. Ich hörte nichts mehr von Jäger und Hunden. Der Wald war groß und, an einer Bergseite liegend, mit Schlünden durchzogen, aus welchen Laut und Ruf schwer zur Höhe dringen. Es ward mir unheimlich im Gemüte in des Waldes unheimlicher Stille, in welcher nichts vernehmbar war als des Windes einförmig, unheimlich Rauschen in den Wipfeln der Tannen. Da rauschte es plötzlich hinter mir im Unterholze, ich schrak zusammen, wie von einem elektrischen Schlage getroffen. Da schämte ich mich, wandte mich um, mit angezogener Flinte ein aufgestöbertes Tier, das von den Hunden sich geschlichen, erwartend. Ich sah nichts, aber langsam bewegte es sich im Gebüsche und schwerfällig, so dass ich nicht begreifen konnte, was es sein möchte. Dass wilde Schweine da seien oder Rehe, hatte ich nicht gehört. Zudem geht es bei diesen Tieren, wenn sie einmal auf den Beinen sind, rascher. Endlich bewegte es sich ganz nahe. Zwischen dunkeln Tannenzweigen sah ich ein breit Gesicht und neben dem Gesichte auf der Achsel eine Bürde. Es war ein Mann, welcher Reisbündel trug, und hinter dem Mann kam noch ein breit Gesicht mit einer ähnlichen Bürde, das aber war ein Weibsgesicht.
Sie legten ihre Bündel, welche aus dem schlechtesten Holze, zumeist aus Dornen gemacht waren, auf einen Haufen an den Weg, setzten sich auf Tannenwurzeln, zogen ihr kaltes Mittagessen, Milch in einer Flasche und ein Stück hartes, schwarzes Brot, hervor und begannen schweigend ihre Mahlzeit. Meines Bleibens war nun nicht länger hier; denn wo Leute zu Mittag speisen, ist ein schlechter Platz, um scheues Wild zu erwarten. lch zog mich dem Jäger nach, dessen Ruf ich wieder hörte, brachte aber die Leute nicht alsbald aus dem Sinn, sie waren mir zu sehr aufgefallen. Sie sahen nicht aus wie arme Leute, es waren nicht bettelhafte Gestalten, groß waren beide nicht, aber dick und fest gebaut, der Mann besonders hatte Glieder von außergewöhnlicher Stärke und einen Kopf, mit welchem man eine Mauer sprengen konnte. Die Kleider waren schlecht, passend, um Dornen zu hauen, aber sie waren aus gutem Stoff, den man an armen Leuten nicht sieht. Besonders das Säcklein, in welchem sie ihre Mahlzeit hatten, war mir aufgefallen, das war wie neu, recht schön, passte gar nicht zu dörnenen Reisbündeln. Während ich dem nachdachte, brach das Geheul der Hunde los, der Hase war auf, die Jagd stäubte durch den Wald, wir hintendrein, stellten hier, dort uns an, aber umsonst, es war ein alter Pfif?fikus und überhaupt das Jagen schlecht. Nachdem wir einige Stunden lang uns abgehetzt, ging der Bursche spurlos verloren; wir hatten den Mut verloren, einen andern zu suchen, und machten uns missmutig auf den Heimweg zu ungewohnt früher Zeit.
Unser Weg führte an einem Wirtshause vorbei. Es ist sonst nicht meine Sitte, auf der Jagd einzukehren, heute dünkte es mich, ich möchte den Ärger hinunterspülen. »Hans, hilfst einen Schluck trinken?«, frug ich. »Zwei, Herr, wenn Ihr's zwingen wollt«, gab Hans zur Antwort. Vor dem Wirtshause stand eine Chaise mit schönem Ross und elegantem Geschirr, und aus dem Wirtshause stolperten zwei angetrunkene Schlingel, brüllten und fluchten, kletterten mit Not ins Fuhrwerk, und als sie oben saßen, brüllte der eine: »Seh, Wirt, bring noch eine, bin beim - schon wieder durstig, weiß beim Hagel nicht, wie das gehen soll bis heim, dass ich nicht vor Durst versaufe!«
Ich mochte dem Spektakel, der mich ärgerte, nicht lange zusehen, ging in die Stube. Sie sei doch froh, bewillkommte mich die Wirtin, dass sie andere Gäste bekomme und die Unfläte loswerde. Wie viel sie auch vertäten, und wie nötig sie auch das Geld hätte, sie erschrecke doch allemal, wenn sie die von weitem sehe, vor denen sei niemand sicher. Sei kein Mannevolk da, um zu streiten, so gerieten sie hinter das Weibervolk, und habe sich dieses mit Not geflüchtet, so müsse der Hund unter dem Ofen herhalten oder die Tauben und Hühner vor dem Hause.
Auf meine Frage, wer sie seien, sagte sie: Es seien zwei reiche Bauernsöhne aus den Dörfern herauf, die aus Hochmut was Apartes vorstellen möchten. Da sie nun nicht tun könnten wie Herren, so täten sie wie Kälber, verklopf?ten ein Sündengeld, dass einem die Haare zu Berge stünden. Besonders der Ältere und Größere, Erzlige Joggi heiße er eigentlich, verschleudere unsinnig. Sage man ihm: »E Joggi, Joggi, denk, es hat alles auf der Welt einen Boden, jedes Loch und jeder Sack, so lacht er und pocht auf seiner Mutter Bruder, wenn der mal unter der Erde sei, und er da geerbt, so vertäten es ihrer sieben nicht, und wenn sie siebenmal mehr vertäten als er.« - »Das müsste ein Reicher sein«, sagte ich. »Reich ist der«, sagte die Wirtin, »grausam reich, aber er tut darnach, aber ob der Erzlige Joggi was kriegt, selb ist noch nicht ausgemacht. Er meint den Harzer Hans zu Hartherzige, einen der Reichsten, von denen man hört im Lande, aber unter allen Wüsten vielleicht auch der Wüsteste, man erzählt von ihm Sachen, man darf sie kaum hören, geschweige glauben.« Plötzlich schoss die Wirtin wie ein Wirbelwind zum Fenster und rief: »Geschwind, geschwind, seht, dort geht er mit seiner Frau. Wo, Teufel, waren die denn, man sieht sie sonst monatelang nicht. Es ist wie immer, wenn man vom Wolf redet, so ist er weit oder nah.« Eben nicht in großer Hitze bewegte ich mich zum Fenster, sah nach dem Fußwege, welcher hinter dem Wirtshause durchführte, wohin die Wirtin zeigte; dort gingen zwei Leute. Jetzt erst ward ich lebendig, spitzte meine beiden Jägeraugen, und wen sah ich? Die beiden Menschen, welche Dornbündel zusammengetragen und über Mittag mit Milch und hartem, schwarzem Brote vorliebgenommen hatten. Sie werde spaßen, sagte ich der Wirtin, das seien arme Leute, und erzählte, wie ich die beiden angetroffen. Sie schlug die Hände zusammen und rief: »Da seht Ihr, wie er ist, und könnet daraus abnehmen, dass ich nicht gelogen, wenn ich gesagt, er sei der wüsteste Hund, der auf zwei Beinen läuft. Der Wald, in welchem Ihr ihn antrafet, ist sein Eigentum und ist nicht der einzige Wald, welchen er besitzt. Ich habe oft sagen hören, er könnte in seinen Waldungen für 20- bis 30000 Gulden Holz schlagen, und zwar zum größten Vorteil der Wälder. Aber nicht bloß hat er Holz im Walde, er hat ein großes Holzhaus voll gehauenes daheim, von welchem es heißt, die Franzosen hätten es noch hineingetan (1798). Er hat vor den Fenstern seines Stöckleins, in welchem er jetzt wohnt, Reisbündel bis über die Fenster hinauf, dass die Leute sagen: Gar geistlich müsse Harzer Hans nicht sein, wenn er viel in der Bibel lesen würde, täte er mehr Licht durch die Fenster lassen. Aber er denkt wenig an die Bibel, sondern ans Geld. Hat er die Fenster mit Holz verschlagen, so hat er die Diebe weniger zu fürchten, braucht nicht zu fürchten, dass die Leute von der Straße weg sehen, wie er statt hinter der Bibel hinter dem Gelde sitzt und tagelang seine Taler zählt.
Alle Jahre tut der 5 bis 8000 Gulden an Zins, und soll es doch niemand merken. Er hat nicht umsonst drei große Höfe und ausgeliehenes Geld, es weiß kein Mensch, wie viel, und gönnt doch keinem Menschen was, sich selbst nicht einmal. Darum ging er mit seinem Weibe an einem solchen sauren Tag in den Wald, und noch dazu in seinen entferntesten, weil er armen Leuten die Dornen nicht gönnt und den Rossen seines Pächters die Ruhe nicht, denn die müssen sie ihm nun herfahren, und seine Frau muss sie grün verbrennen und im Höllenrauch fast ersticken, während er für viele Jahre dürres Holz beim Hause hat. Eine solche Bosheit wurde in Israel doch kaum erfunden.« - »Ja«, sagte ich, »allerdings kommt ein solcher Geiz selten vor bei solchem Reichtum, und noch dazu bei einem verheirateten Menschen. Heiraten und Kinder haben lassen solche Dinge selten aufkommen, oder es müssten Mann und Weib darnach sein und eins das andere im Laster stärken.« Kinder hätten sie keine, sagte die Wirtin, sonst könnte ja Erzlige Joggi sich nicht auf das Erbe vertrösten. Die Frau wäre kaum so, aber sie müsse halt mitmachen, sie sei zu bedauern, der Geiz scheine ein Familienweh zu sein bei Harzer Hans und immer zu wachsen.
Darum auch werde Gott der Familie die Nachkommenschaft versagt haben. Was in hundert Jahren Geizhälse zusammengekratzt, das wisse Gott rasch wieder unter die Leute und zu Nutzen zu bringen. »So ist das Familienübel«, frug ich, »ein angeborener Fehler?« - »Ja«, sagte die Wirtin, »doch so, wie es bei diesem war, war es noch bei keinem. Sein Vater durf?te noch was brauchen, gab armen Leuten Holz, gab Bauholz denen, welche ein neues Haus bauen lassen wollten, ließ neue...
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