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WM 2006. Viertelfinale. Deutschland -Argentinien. 17 Uhr. Das Spiel geht los und zieht uns in seinen Bann. Wird die deutsche Elf, die zwei Jahre zuvor bei der EM noch sang- und klanglos in der Vorrunde ausgeschieden ist, es schaffen, gegen den Favoriten aus Argentinien zu siegen? Gut, man spielt zu Hause. Das Wirgefühl kommt wieder hoch. Eine Mannschaft, mit der man sich identifizieren kann. Aber sind Lahm, Lehmann und Odonkor gut genug?
Ich bin zu Hause und ich schaue mir das Spiel an. 1:0 für Argentinien: Ayala. Kopfballtor nach einer Ecke. Ein Mist. Es war unverdient. Aber so ist es eben. Deutschland kämpft weiter. In der 80. Minute erzielt Miroslav Klose dann den Ausgleich. Verlängerung. Und ich . muss los.
Grund war die feierliche Zeugnisausgabe der Abiturienten, und ich musste zur Chorprobe, um im Anschluss auf besagter Veranstaltung zu singen. Ich schwang mich aufs Fahrrad und fuhr in drei Minuten durch die Crimmitschauer Innenstadt, bis ich am Theater war.
Mein Herz schlug schnell und mein Adrenalinpegel war hoch. Meine Gedanken waren in Berlin. Beim »falschen« Nationaltorwart Jens Lehmann. Ich war und bin für Team Kahn. Für mein Kindheitsidol Jürgen Klinsmann, der die deutsche Fußballwelt aus der Lethargie herausgeholt hat. Und ich wusste: So wie mir ging es vielen anderen auch. Mit einigen der Absolventen spielte ich Fußball beim »ruhmreichen« FC aus meiner Heimatstadt. Denen war es doch egal, was sie für einen Abi-Schnitt hatten. Hauptsache, Deutschland wird Weltmeister!
Handys mit Newstickern gab es damals noch nicht, und so wurde mir erzählt, dass bei der Zeugnisausgabe jemand mit einem Kofferradio im Publikum saß. Er bekam die Aufgabe übertragen, sich zu melden, falls was passierte.
Ich sprintete in den Ballettsaal, wo sich der Oberstufenchor traf. Ich kam, wie so oft, zu spät. Aber dieses Mal mit gutem Grund. Es ging ja schließlich um Deutschland! Hallo? Mein Chorleiter konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen.
Kurze Zeit später stand ich auf der Bühne, im feinen Hemd, leicht verschwitzt, etwas zitternd, weil ich nach dem Text suchte, und sang als Solostimme ein halbwegs schönes und freudiges »Don't worry, be happy«. Manchmal kann es im Leben echt zynisch zugehen.
Gott sei Dank waren wir zu Beginn der Veranstaltung dran. Nachdem wir fertig waren, stürmte ich mit einer guten Freundin aus dem Theater. Wir liefen über rote Ampeln - es fuhren ohnehin keine Autos - und rannten rüber zum Dönerladen. Dort war ein Fernseher.
Elfmeterschießen. Völlig außer Atem sah ich Oliver Kahn, wie er Jens Lehmann viel Erfolg wünschte. Und Deutschland gewann tatsächlich 4:2 nach Elfmeterschießen. Lehmann war der Held und ich kannte kein Halten mehr. Jaaa!!! Deutschland hat gewonnen!
Ich umarmte fremde Männer, die nach Bier, Döner und Schweiß rochen. Wir gingen raus. Zogen freudentrunken nach Hause. Allen wollte ich es am liebsten erzählen: »Wir haben gewonnen!« Obwohl mir klar war, dass der jeweilige Empfänger dieser Nachricht es wahrscheinlich schon wusste, hätte ich sie trotzdem jedem und jeder zugerufen. Denn diese Botschaft war einfach überwältigend.
Nun stell dir vor, du sitzt sonntags in der Kirche beim Gottesdienst. Der Prediger steht vorne und sagt: »Corona ist vorbei.«
Okay. Ich sitze hier noch mitten im Lockdown. Wenn du diese Zeilen liest, haben wir das Ding hoffentlich schon weitestgehend in Griff. Aber du weißt, wie dieses Thema unsere Welt in Atem hielt. Menschen starben, andere wurden arbeitslos, ihrer Freiheit beraubt. Einfach nicht besonders knorke, dieses Corona-Virus.
Also, stell dir vor, der Prediger hat diese Information als Allererster in der Gemeinde und verkündet nun: »Ihr lieben Freunde, ab heute ist Corona Geschichte. Weg mit der Maske. Ihr müsst ab jetzt keinen Abstand mehr halten. Ihr dürft singen, und zwar immer und überall. Unser >normales< Leben hat wieder Einzug gehalten. Alles ist vorbei. Ist das nicht wunderbar?«
Bestimmt kannst du dir ausmalen, wie die Menschen reagieren würden: Erst ungläubig, aber dann immer zuversichtlicher würden sie feststellen: »Freiheit! Juhu! Ich darf endlich wieder machen, was ich möchte!« Und sie würden aufeinander zugehen und sich umarmen, singen, dass Gott wunderbar ist, und alles wäre supi! Fast so wie damals, als Deutschland Argentinien bezwang.
Nun steht der Prediger zwar vorne, sagt aber nichts über Corona oder Jens Lehmann. Keine Deutschland-Flaggen werden geschwungen. Keiner wirft FFP2-Masken von sich weg. Sondern der Prediger verkündet am Ostersonntag: »Er ist auferstanden.«
Und die Gemeinde antwortet im müden Gleichton: »Er ist wahrhaftig auferstanden!« Keiner rastet aus. Keiner jubelt. Es gibt kein Feuerwerk, kein »We are the Champions« schallt durch die Kirche. Auch kein »Dieser Weg« von Xavier Naidoo oder Sportfreunde Stillers Aufzählung der WM-Erfolge: »'54, '74, '90, 2006 .«.
Nur ein wunderschönes, aber auch echt molliges »Christ ist erstanden von der Marter alle. Des solln wir alle froh sein .«
Aha. Sollen wir also. Also entweder sind wir froh oder wir sind es nicht, oder? Dieses Lied mit diesem »Sollen« finde ich immer komisch. Werde ich jetzt zur Freude gezwungen?
Statt auf die Botschaft von der Auferstehung mit einem unbeschreiblichen Jubel zu reagieren, kommt eben nur ein beiläufiges »wahrhaftig«. Ein Wort, das ich ehrlich gesagt nur zu Ostern sage (und es manchmal in meiner Lutherbibel lese). Klischeemäßig würde man in einer charismatischen oder »jugendorientieren« Gemeinde so lange »Der Herr ist auferstanden« sagen, bis die Reaktion darauf so enthusiastisch klingt, dass die Stimmung explodiert und mindestens an die von Jens Lehmann gehalten Elfmeter erinnert.
Aber mal ganz ehrlich: Ich erwische mich ja zu oft selbst bei der oben beschriebenen Gleichgültigkeit. Es ist kein großes Ding mehr, wenn man jedes Jahr zu Ostern davon hört. Oder wie Wir sind Helden mal sangen: »Die Zeit heilt alle Wunder«. Auch das Überwunder. Auch das Wunder schlechthin. Zumindest in der Wahrnehmung. Ob es dir ähnlich geht, darfst du für dich selbst beantworten.
Nun ist dieses Überwunder ja der Inbegriff des Evangeliums, der Frohen Botschaft. Paulus definiert sie so: »Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den zwölfen« (1. Korinther 15,3-5; LUT 84).
So wie ich nach dem verschossenen Elfmeter von Esteban Cambiasso fast einen Herzinfarkt bekommen habe, muss es doch damals auch den Jüngern gegangen sein, als ausgerechnet die Frauen kamen und sagten: »Jesus ist auferstanden!«
Spannend finde ich, dass das Überbringen dieser Botschaft analog, also ohne Technik, vonstattenging. Wie bei der Abiturzeugnisausgabe im Zeitalter vor Smartphones. Hatte man damals den Auftrag, etwas weiterzugeben, dann musste man laufen. Zu Fuß. Die ganze Strecke für eine gute Botschaft. Ohne Newsticker, nur pures Evangelium.
Evangelium. Ein Wort, das wunderbar ist. So wurden Botschaften genannt, die gut waren, beispielsweise »Der Krieg ist vorbei« oder »Der Kaiser hat einen Sohn geschenkt bekommen!« Beides waren wichtige Nachrichten in der Antike. (Übrigens ist es sehr schade, dass die Geburt einer Tochter kaum der Rede wert war.)
In der Bibel spielt das Wort Evangelium ebenfalls eine große Rolle. Die Berichte von Jesus werden so genannt, und was wir dort lesen, ist nicht nur eine Biografie, sondern es verändert alles.
Der Tod und die Auferstehung Jesu sind wohl die größten Meilensteine in der Menschheitsgeschichte, wobei witzigerweise die Geburt Jesu als historischer Nullpunkt genommen wurde. Aber trotzdem: Gottes Sohn stirbt und Gottes Sohn lebt. Halleluja. Bitte jetzt ausrasten! Auch du! Ekstase! Freude!
Aber was war eigentlich das Evangelium, das Jesus selbst verkündet hat? Ich kann dir sagen: Es war ein anderes Evangelium als das, was wir heute - ganz in der paulinischen Tradition - darunter verstehen. Denn Jesus konnte nur schwer seinen Tod und seine Auferstehung als das große Ding anpreisen, wenn er zu dem Zeitpunkt der Verkündigung noch quicklebendig war. Er hat Wasser in Wein verwandelt, den Menschen neue Perspektiven auf Gott und die Welt geschenkt und mit so manchem Tabu der damaligen Zeit gebrochen.
Welche Richtung sein Evangelium hatte, zeigen drei wichtige Bibelstellen. Sie stehen jeweils zu Beginn der Jesus-Biografien, die wir im Neuen Testament finden:
Markus 1,15: »Er [Jesus] sagte: >Die Zeit ist gekommen, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt diese gute Botschaft!<« (NGÜ).
In Lukas 4,44 wird berichtet: »Von da an verkündete er die Botschaft vom Reich Gottes überall in den Synagogen des jüdischen Landes« (NGÜ).
Matthäus 4,17 zitiert Jesus folgendermaßen: »Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe« (NGÜ).
Anscheinend ist Jesus also mit folgender Message durchs Land gezogen: »Umkehren!« Und: »Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.« Gut. Gecheckt. Aber was bedeutet das eigentlich?
Vielleicht hast du dich ja schon mal gefragt, warum das Neue Testament ausgerechnet mit dem Matthäusevangelium beginnt. Die...
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