Schweitzer Fachinformationen
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Zehn meisterhafte Kurzgeschichten der Literatur-Nobelpreisträgerin und Anti-Apartheid-Aktivistin Nadine Gordimer Jede Erzählung ist eine Offenlegung inneren Lebens, jede voller überraschende Wendungen, jede in dem geschliffenen Stil und der kompromisslosen Aufrichtigkeit, für die Nadine Gordimer berühmt ist. »Dies sind bewundernswerte, unwiderstehliche Erzählungen ... Gordimer kann einen immer noch so genau auf den Solarplexus treffen wie kaum ein anderer Autor. Vielleicht sollte man ihr den Nobelpreis noch einmal geben.« Booklist
Es wurde immer viel gefeiert, am Wochenende, oben im Haus des Direktors. Am Montagmorgen machte sich einer vom Küchen- und Hauspersonal, der dafür zuständig war, auf den Weg, um mit der Bestellung des Herrn zu Fuß fünfzig Meilen zum Spirituosengeschäft in der Stadt zu gehen. Eine Kiste Scotch. Mit zwölf Flaschen Whisky auf dem Kopf ging der Mann wieder zurück und kam am Freitag an. Jeden Freitag. Der Kraftakt war eine berühmte Dinnerparty-Geschichte, jedes Wochenende: Das ist mein Mann - was für Köpfe sie haben, was, dick wie ein Holzklotz!
Roberta Blayne geborene Cartwright ist bei einer internationalen Hilfsorganisation beschäftigt, hat in der Genfer und in der New Yorker Zentrale gearbeitet und war mehrfach im Ausland stationiert. Ihren ersten Posten in Afrika bekam sie, als sie fast sechsundvierzig war und fand, dass sie auch so aussah; sie war einmal verheiratet gewesen, vor langer Zeit, schien ihr. Der Ehemann, ein Journalist, hatte sich während eines Einsatzes in Beijing in eine Chinesin verliebt; die Ehe war ohnehin eine sozusagen sporadische Angelegenheit gewesen, weil beide Teile des Paars meist irgendwo anders waren, und sie erlosch in aller Freundschaft. Ihr Bedürfnis, an der Veränderung der Welt mitzuwirken, das umgekehrt proportional zu jedem anderen emotionalen Bedürfnis wuchs, teilte er nicht. Es gab keine Kinder zur Erinnerung an die Ehe; nur die tragisch dreinblickenden, blähbäuchigen Kinder der Horde, die hier, dort auf Hilfe durch die bürokratischen Prozesse wartete, denen Roberta Blayne diente: nicht immer - oder nicht oft - auf direktem Weg, nämlich durch Fütterung der aufgesperrten Nestlingsschnäbel, sondern über Projekte der Politik, Infrastruktur, Telekommunikation, über Handelsabkommen, Ausbildung, Landverteilung, die Wege, auf denen Entwicklungshilfe jeden Hunger stillen sollte.
Es hätte Indien sein können. Sogar die europäischen Länder, die durch Bürgerkriege in Dritte-Welt-Zustände geraten waren. Aber es war Afrika; ein Diensteinsatz, es war ein Land im Wandel wie die meisten anderen Länder des afrikanischen Kontinents. Sie bezog ein Haus in der Hauptstadt, das ihre Hilfsorganisation als Teil dessen, was dem Personal in mittlerer Position zustand, anmietete. Der Vorort stammte zweifellos aus Kolonialzeiten; eine um drei Seiten laufende Veranda verdunkelte Zimmer mit offenen Kaminen, die jetzt zugemauert und mit Elektroöfen verstellt waren, ein Garten, in dem sich Wollmispel und Bougainvillea, knorrig wie alte Eichen, über steiniger roter Erde ineinander verschlangen. Das Schlafzimmer, das sie sich aussuchte - es gab deren drei -, war offensichtlich das beste; dies bestätigten ihr die Aura der Benutzung durch ihren Vorgänger und seinen oder ihren Bettgefährten sowie die Kleiderbügel an den Stangen, die noch die Geister von Kleidungsstücken trugen. Deren Platz nahmen nun ihre Sachen ein; ihre Papiere und Bücher breiteten sich aus, wo andere beiseite geräumt und fortgeschafft worden waren. Sie war an diese Form der Übernahme gewöhnt. Was immer von der Anwesenheit anderer noch nachklang, wurde durch ihre eigene rasch ausgemerzt. Dies war eine Gewissheit, die sie das Wesen internationaler Arbeit gelehrt hatte und die ihr in Fleisch und Blut übergegangen war wie der Umgang mit dem Computer: Man muss in ständiger Verbindung mit der Zentrale stehen, dem Sitz der Organisation in New York oder Genf, und man quartiert sich in der bereitgestellten Unterkunft ein, wo andere vor einem waren und nach einem kommen werden - obwohl der schwarze Mann, der darauf besteht, einen morgens mit Tee zu wecken, und die Fußböden bohnert, und der andere, der sich niederkauert, um das Unkraut zu rupfen, das sich der Blumenbeete bemächtigt hat, alte koloniale Riten eines Zuhauses inszenieren.
Nach ihrem Titel war sie Assistentin des Direktors der Programme für dieses Land, die von Experten in New York und Genf gemäß den Leitsätzen der Organisation geplant wurden. Die Umsetzung bestand zu einem großen Teil darin, New York/ Genf so taktvoll wie möglich darauf hinzuweisen, dass der Plan, das Land zur Globalisierung hinzuführen, sich nicht ganz so verwirklichen ließ wie gedacht. Und darüber hinaus zu verheimlichen, dass sie und der Direktor behutsam und auf krummen Wegen erkundeten, wie in der Sache vorzugehen sei - nicht nach ihrem eigenen gut eingeübten theoretischen Modell, sondern in der auch von der Regierung selbst bevorzugten Weise. Denn das Land musste Reformen und Innovationen entsprechend den in New York/Genf oft unvorstellbaren Lebensumständen seiner Bevölkerung durchführen, und je nach den Erwartungen, Forderungen, Vorurteilen, politischen Rivalitäten, mit denen die Minister sich herumschlugen, um ihre Kabinettssitze zu behalten. Dies bedeutete nicht nur, in den Busch und Flüsse aufwärts zu fahren, um Gemeinden aufzusuchen, deren Dorfschule laut Entwicklungsplan mittels informationstechnologischer Ausstattung in die neue globale Welt katapultiert werden müsse - und wo der Direktor und seine Assistentin dann feststellten, dass es im ganzen Dorf keinen Strom gab -, sondern erforderte auch intensive soziale Kontakte mit Ministern und ihren diversen Stellvertretern, Beratern, häufig nicht näher definierten, aber unverkennbar einflussreichen Begleitpersonen, die eine vage Äußerung eines Ministers mitten im Satz aufzugreifen und energisch zu klären pflegten. Wer waren diese Männer - und sogar die eine oder andere Frau? Wie konnte man sie ansprechen, um interne Fakten und Hinweise zu erfahren oder Tipps zu bekommen, an wen man sich wenden musste, um in die Verallgemeinerungen eines Ministers, diese zugeschlagene Tür, mit der unerwünschte Wirklichkeiten ausgeblendet wurden, eine Bresche zu schlagen?
Sie genoss die Exkursionen: Sie misstraute der Abstraktion. »Dann arbeitest du für den falschen Laden.« Ihr Direktor, ein Kanadier, machte sich über sie lustig; aber sie kamen gut miteinander aus. Er hatte seine Frau und seinen halbwüchsigen Sohn bei sich, der Junge besuchte eine lokale Schule zum Beweis dafür, dass der Direktor fest entschlossen war, an jedem Einsatzort am Leben der einheimischen Bevölkerung teilzunehmen. Als Junggesellin (seine Frau nannte sie so mit gespieltem Neid) war Roberta eingeladen, jederzeit zu ihnen zu kommen und mit ihnen zu essen, in dem Haus, in dem dieselbe Art Teekocher und Fußbodenbohnerer ein Kumpel des Schuljungen geworden war, ihm traditionelle afrikanische Musik auf der Gitarre beibrachte und dafür in die neueste Popmusik eingeweiht wurde. Zusätzlich zu den offiziellen Versammlungen und Botschaftspartys war das Haus des Direktors der Ort, an dem Minister und andere Regierungsbeamte, Parlamentsmitglieder, die Honoratioren der Hauptstadt, Richter, Anwälte, Geschäftsleute bewirtet wurden, um Informationen zusammenzutragen, die dem Auftrag der Organisation eventuell dienlich sein konnten. Wenige brachten ihre Gattinnen mit; die Wohlfahrtsministerin und zwei weibliche Parlamentsmitglieder waren in der Regel die einzigen anwesenden schwarzen Frauen, und sie waren gnadenlos schrill in ihren Einbrüchen in männliche Gespräche, was sie auch sein mussten, um sich von den zu Hause gelassenen Ehefrauen abzuheben. Roberta Blayne, der Direktor und seine Frau Flora empfanden ihre weiße Hautfarbe in dieser Gesellschaft nicht besonders stark; alle drei hatten im Zuge ihrer Arbeit überall auf der Welt mit schwarzen, gelben, allen Rassen zusammengelebt und akzeptierten die eigene physische Besonderheit wie den Unterschied zwischen Augen mit und ohne Mongolenfalte, zwischen vorstehenden und platten Nasen. Sie waren sich auch bewusst, dass sie umgekehrt bei all den bedeutenden anwesenden Schwarzen nicht immer akzeptiert waren - den ehemaligen Herren fällt es leichter, die Masken abzulegen, hinter denen sich ihre Menschlichkeit verbarg, als den ehemaligen Sklaven, die Gesichter darunter zu erkennen. Oder darauf zu vertrauen, dass die Gesichter nun keine neue Maske tragen.
In den ersten paar Monaten richteten weder die Minister noch ihre Trabanten ein Wort an Roberta Blayne, abgesehen von der üblichen allgemeinen Begrüßung, die damals zumindest schon ihren Namen einschloss - der nicht sehr schwer zu behalten war: jemandes Assistentin, einheimisch oder importiert, eine Gattung, die ignoriert werden kann. Doch da ihr Direktor, Mr. Alan D. Henderson, häufig im Plural-»Wir« sprach und sie aufforderte, bei einem Interview ihre Auslegung bestimmter Punkte, ihre Beobachtungen auf einer Exkursion zu äußern, begannen die Würdenträger sie zwar nicht auf der Ebene von Wohlfahrtsministerinnen und weiblichen Parlamentsmitgliedern zu sehen - ihr Auftreten war nicht schrill -, aber als Teil einer Delegation, als eine der Honoratioren. Auf ihren Status verwies die Beobachtung, dass sie statt des Biers, das die Begleiter bekamen, mit den Ministern Whisky trank. Ein Tischherr mochte sich mit den üblichen Fragen obligatorischen Interesses an sie wenden - woher kam sie? - natürlich Engländerin? - wie denkt sie über unser Land? - je in Afrika gewesen - das erste Mal? »Das erste Mal. Indien, Bangladesch, Afghanistan - aber nicht hier.« - »Sehen Sie, Sie sind willkommen, wir Afrikaner sind freundliche Menschen, finden Sie nicht.« Da war ein Anwalt, der geistreich und direkt war und mit seinen Anekdoten und Parodien über Begegnungen mit Funktionären von Hilfsorganisationen den Direktor und seine Assistentin zu selbstironischem Gelächter veranlasste. »Wovon ihr Entwicklungsspezis keine Ahnung habt, das ist die neue Sorte von Witzen, zu denen ihr uns inspiriert habt.« Der Direktor war dem Geplänkel gewachsen. »Es ist ein gutes Zeichen, wenn über einen Witze gemacht werden, das heißt, man ist akzeptiert.«
Der...
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