Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
2
»Wusstet ihr, dass die Dinosaurier hundertsiebzig Millionen Jahre auf der Erde gelebt haben, bevor sie ausgestorben sind?«
Es war inzwischen Mitte Juli und glutheiß. Auf der gelb verdorrten großen Wiese spielten Kinder Fußball, und Hunde jagten blaffend ihren Bällen hinterher. Der Himmel spannte sich über ihnen wie eine strahlend blaue Kuppel, grenzenlos und doch von irgendeiner unsichtbaren Macht zusammengehalten. Alles schien verlangsamt, schwerfällig.
Bis auf Will, der unermüdlich weiterplapperte: »Und wir sind erst seit knapp sieben Millionen Jahren hier. Faszinierend, oder?«
Ida lehnte rücklings auf den aufgestützten Armen, und die langen Grashalme schmiegten sich an ihre glatte, dunkle Haut. »Ja, total faszinierend, Will. Allerdings haben die Viecher in den hundertsiebzig Millionen Jahren ja nicht gerade viel auf die Reihe gekriegt, außer sich gegenseitig aufzufressen.«
»So kann man das nun auch nicht sagen. Viele von ihnen, wie der Stegosaurus zum Beispiel, haben sich komplett von Pflanzen ernährt. Aber stimmt schon, das Spannendste an ihnen ist wahrscheinlich die Sache mit dem Meteoriten«, redete Will hastig weiter, um seine Zuhörerinnen bei der Stange zu halten. »An der Einschlagstelle wurde die komplette Erdkruste bis in zehn Kilometer Tiefe pulverisiert. Wuuusssch! Und der dabei freigesetzte Kohlenstoff hat danach alles andere zerstört. Oder fast alles. Wie eine Million Atombomben auf einmal.«
»Wer soll das denn bitte ausgerechnet haben?«, schnaubte Ida.
Will tat so, als hätte er den beißenden Sarkasmus in Idas Stimme nicht bemerkt. »Anschließend war überall Staub, jede Menge Staub, die ganze Erde war darin eingehüllt! Fünfundsiebzig Prozent aller Lebensformen sind damals ausgestorben. Und es war rund um die Uhr dunkel, weil überhaupt kein Tageslicht mehr durchkam.«
Maggie zuckte zusammen und sah zu Ida rüber, aber die zeigte keine Reaktion - wie immer.
»Im Grunde könnten wir unser ganzes Projekt nur über diesen Meteoriten machen«, schloss Will.
Ida setzte sich auf. Sie lächelte, in ihren Augen lag jedoch ein spöttisches Funkeln. »Klar könnten wir das. Aber wozu ein ganzes Projekt über so einen blöden Steinklumpen, der vor Millionen von Jahren mal ein paar Echsen ausgeknockt hat? Echt, Will, das ist wie mit den Menschen im Mittelalter. Interessiert kein Schwein.«
»Ach, aber deine Frauenrechtlerinnen von vor hundert Jahren sind interessanter, oder was?«
»Die Suffragetten waren kluge, mutige Vorreiterinnen, die die Welt verändert haben. Sie haben uns modernen Mädchen und Frauen den Weg zu mehr Freiheit und Mitbestimmung geebnet.«
Idas Meinungen klangen oft wie Sätze, die sie in Büchern gelesen hatte und Wort für Wort nachplapperte. Dieser ungewohnt rebellische Gedanke schoss Maggie durch den Kopf, bevor sie es verhindern konnte.
Will schnaubte. »Ich find das Thema langweilig.«
»Nur weil's dabei um Frauen geht.«
»Negativ.« Will strich sich den Pony aus der schweißglänzenden Stirn, woraufhin ihm die dicken blonden Strähnen ulkig vom Kopf abstanden. Es war unerträglich heiß, selbst im Schatten.
»Was meinst du dazu, Maggie?«, fragte Ida plötzlich.
Maggie mochte es nicht, so in die Ecke gedrängt zu werden. Sie wurde rot und zuckte mit den Schultern. »Ich find beides okay.«
Ida und Will stöhnten nur und stürzten sich dann wieder in ihre Diskussion. Maggie hatte sich schon oft darüber gewundert, mit welcher Begeisterung die beiden zankten. Ihr selbst war es völlig egal, ob sich ihr Sommerferienprojekt um Dinosaurier, Suffragetten, Menschen im Mittelalter oder mittelalterliche Dinosaurier-Suffragetten drehte. Das war doch alles bloß Schulkram . ein einziger endloser Strom aus Aufgaben lösen und dafür bewertet werden, und Letzteres in ihrem Fall selten sonderlich gut.
Wieder schweiften ihre Gedanken ab. Sie wusste schon gar nicht mehr, wie ein grauer Himmel aussah oder wie sich Regen anfühlte. Es war, als hätte es nie etwas anderes gegeben als diese Hitze. Und als wären Ida, Will und sie schon ewig befreundet.
Bei ihrem ersten Anruf hatte Ida noch das Ferienprojekt als Grund vorgeschoben, aber sich die Erklärungen dann schnell gespart, und bald war es einfach völlig normal gewesen, dass sie sich jeden Tag trafen. Will und Ida beklagten sich andauernd über die angebliche Langeweile, also stimmte Maggie mit ein. Dabei hatte sie in Wahrheit selten tollere Sommerferien erlebt.
Nach allem, was in der Düsterwelt passiert war, genoss sie die Ruhe und Normalität. Zwar hatte Ida ihr Versprechen, sich ab Januar in der Schule neben Maggie zu setzen, nicht gehalten, aber immerhin hatten Helena, Daisy und sie Maggie nicht mehr geärgert, sondern sie manchmal sogar angelächelt oder ihr Hallo gesagt. Irgendwann hatte Ms Thomas Ida und sie in Bio zusammen für ein Referat eingeteilt und kurz darauf auch noch Will dazugesteckt, der wegen eines Zahnarzttermins zu spät gekommen war. Maggie fragte sich, ob Ms Thomas die Sache wohl mit Absicht so eingefädelt hatte, um ihr zu helfen, weil die beiden nun mal Klassenbeste waren und Maggie sich eher am anderen Ende des Noten-Spektrums befand.
Will Snowden war erklärter Einzelgänger, strahlte mit seinem hellblonden Topfschnitt jedoch ein beeindruckendes Selbstbewusstsein aus. Nie wurde er gemobbt, obwohl er ein ziemlicher Besserwisser sein konnte, und außerdem schien er sich nicht im Geringsten dafür zu interessieren, was andere über ihn dachten. Beneidenswert.
Oft hatten die drei nach der Arbeit am Referat noch in der Schulbibliothek zusammen ihre Hausaufgaben gemacht. Oder besser gesagt: Will und Ida hatten Hausaufgaben gemacht, und Maggie hatte sie bei ihnen abgeschrieben. Manchmal waren Ida und Maggie danach sogar gemeinsam nach Hause gegangen. Dabei hatte Ida Maggie nie irgendwelche Fragen gestellt. Stattdessen neigte sie dazu, ununterbrochen zu reden, über sich und ihre Freundinnen und was sie so machten. Mit keinem Wort erwähnte sie je die Düsterwelt, wie sehr sie sich dort gefürchtet hatte oder das, was sie Maggie letzte Weihnachten in Moss Hill erzählt hatte. Maggie konnte das gut verstehen - sie wollte das alles ja selbst am liebsten vergessen.
Schließlich hatten sie sich in den Sommerferien zu diesem seltsamen Trio zusammengefunden. (Vielleicht, weil Helena und Daisy beide schon im Urlaub waren, aber trotzdem.) Maggie hatte noch nie so was wie Freunde gehabt und mochte das Gefühl. Das Gefühl, dazuzugehören. Das würde sie ganz sicher nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
Gedankenverloren zupfte sie an der dünnen Spitze ihres Bauernzopfes. Den hatte Ida ihr heute Morgen geflochten, und zwar so straff, dass Maggie jetzt noch die Kopfhaut wehtat. Anschließend hatten sie zusammen vor dem Spiegel gestanden und das Ergebnis bewundert. Maggie sehe ja wohl mega aus, hatte Ida geschwärmt, aber Maggie wusste, dass das nicht stimmte. Erst recht nicht im direkten Vergleich mit Ida. Die streng zurückgenommenen Haare ließen ihre Augen bloß noch riesiger und durchgeknallter wirken. Sie würde nie so hübsch sein wie ihre Freundin.
Dazu kam, dass Maggie, die immerhin vor ein paar Wochen dreizehn geworden war, in letzter Zeit kaum mehr gewachsen war. Ida dagegen hatte bestimmt fünf Zentimeter zugelegt. Was Idas Mutter auf die Idee gebracht hatte, die ausrangierten Klamotten ihrer Tochter an Maggie weiterzureichen. So kam es, dass Maggie jetzt richtig gute Jeans besaß (auch wenn sie die Hosenbeine mehrmals umkrempeln musste), und haufenweise teure T-Shirts und Pullover, die alle noch nach dem Weichspüler dufteten, den die Haushälterin der Beechwoods benutzte.
Natürlich wusste Maggie, dass Mrs Beechwood es nur gut meinte, aber in ihr ballte sich dennoch ein harter Klumpen Scham zusammen, wann immer sie darüber nachdachte . also ließ sie es lieber bleiben.
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.