Schweitzer Fachinformationen
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Der unmittelbare Anlass für dieses Buch war meine in Covid-19-Zeiten im virtuellen Raum gehaltene Abschiedsvorlesung an der Universität Zürich, «Ein Handwerk studieren. Zur Zukunft der (Berufs-)Bildung in der Schweiz»[1], die auch für meine persönliche Zukunft den Übergang von einer vollzeitbeschäftigten Professur für Berufsbildung zu einer teilzeitbeschäftigten Anstellung im Rahmen von Forschungsprojekten markierte.
Daraus ist nun dieses Buch entstanden, das als Versuch (Essay) diesen und andere in jüngster Zeit gehaltene Vorträge und Publikationen bündelt und sie in die Perspektive der Zukunftsfähigkeit der beruflichen Bildung in der Schweiz einordnet.
Zukunftsfähigkeit ist wahrscheinlich kein streng wissenschaftlicher Begriff und bekanntlich sind, wie es sarkastisch heisst, Prognosen besonders wenn sie die Zukunft betreffen schwierig. Dennoch schienen mir nicht nur die Abschiedsvorlesung, sondern auch weitere Vorträge, die ich seither und davor gehalten habe, immer auch diese Erwartungsdimension vonseiten der Veranstalter von Seminaren, Tagungen, Workshops wie ebenso der Leserschaft schriftlicher Beiträge miteinzuschliessen.
Inwiefern hat die bisher so erfolgreiche Berufsbildung in der Schweiz weiterhin Bestand? Oder wird - ähnlich wie in anderen Ländern - die duale berufliche Bildung langsam austrocknen, weil der schulische Part immer dominanter wird und die betriebliche Ausbildungsbereitschaft sinkt? Oder aber wird sie weiterhin gefeiert und hoch geachtet, aber dennoch zur Nische herabgestuft werden? Diese Fragen werden in den folgenden Beiträgen aus unterschiedlichen Perspektiven aufgegriffen.
Weiter ist diese Publikation stark geprägt von Vorträgen und Vorlesungen, die ich als Master-Veranstaltung im Jahre 2018 angeboten habe. Ich habe die damaligen Ausführungen in einige Kapitel eingebracht, aktualisiert und etwas umgestaltet. Ausserdem führt dieses Buch ein vor zehn Jahren veröffentlichtes Projekt, betitelt mit «Herausforderungen der Berufsbildung in der Schweiz» (Maurer & Gonon 2013), weiter fort, damals herausgegeben mit meinen Assistierenden.
Ich habe mir hierbei auch Mühe gegeben, nicht das zu fordern, was alle fordern oder was als allgemein naheliegend betrachtet wird.
Die Sammlung, Verschriftlichung und Reformulierung unterschiedlicher anlassbezogener Ausführungen wird in dieser Publikation unter vier Gesichtspunkten verdichtet, die auch die Kapitelstruktur wiedergeben:
Nachhaltigkeit bzw. green skills,
Hybridität,
Durchlässigkeit,
Integration bzw. Inklusion und Diversität.
Die Zukunftsfähigkeit der Berufsbildung wird unter diesen vier Gesichtspunkten in den Blick genommen. Berufsbildung soll grüner, hybrider, noch durchlässiger und noch inklusiver werden. Es sind normative Ansprüche, die sich auch an bestimmte Gruppen adressieren lassen: Die Nachhaltigkeit (1) etwa im Besonderen an die Firmen, die heute - die Zeichen der Zeit erkennend - viel tun, um im «grünen Bereich» aufzufallen, beziehungsweise auch für künftige Lernende attraktiv bleiben wollen. Die Hybridität (2) wiederum verlangt von den Verbundpartnern eine Neu- und Umgestaltung der Bildungspläne und Curricula in dem Sinne, dass sie den Lernenden mehr Spielräume hinsichtlich der Selbstorganisation von Wissen und Fertigkeiten zugestehen.
Weiter geht es auch um den Anspruch der Durchlässigkeit (3), der in erster Linie als Forderung an die Bildungspolitik, sprich das SBFI (Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation) und die Bildungsinstitutionen zu richten ist und ein Navigieren der jugendlichen und erwachsenen Lernenden im Bildungssystem erlaubt beziehungsweise erleichtert. Integration, das heisst die Bemühungen um Inklusion und Diversität (4) wiederum sind darauf angelegt, Barrieren abzubauen und vor allem auch aus einer menschenrechtlichen Perspektive den Zugang zur Bildung sowie auch den Verbleib und das Fortkommen im Bildungssystem zu ermöglichen. Solche Forderungen können vorwiegend von Berufsfachschulen, aber auch von der Bildungspolitik bearbeitet werden, indem Beauftragte und Kommissionen, die unterschiedlichen spezifischen Bedürfnisse aufklären und entsprechende Forschung fördern.
Einige erwartbare Herausforderungen scheinen in der obigen Einteilung nicht prominent auf, wie etwa die Digitalisierung oder aber der Akademisierungstrend und der Fachkräftemangel. Sie sind jedoch Bestandteil der diskutierten Facetten, wie aus den Texten hervorgeht.
Wie bereits festgehalten, prägen viel öffentlich geäussertes Lob und wenig oder allenfalls verhaltene Kritik den Diskurs der Berufsbildung. Aber wer genauer hinschaut, findet dennoch einige Problembereiche: Stagnation und Rückgang selbst in hochqualifizierten Berufsausbildungen der Industrie (z.B. Polymechaniker/in EFZ), eine weiterhin erstaunlich hohe Anzahl an Lehrvertragsauflösungen und höhere Durchfallquoten zum Abschluss der Berufsausbildungen, um nur einige davon zu benennen. Aber auch die höhere Berufsbildung ist, wie es in einer jüngeren Veröffentlichung hiess, «im Gegenwind» (Gonon 2021). Weiter als in dieser Publikation zu thematisieren wären ebenso folgende Bereiche:
wenig Allgemeinbildung (über einen weiteren Abbau wird sogar nachgedacht);
wenig Erwachsene, die die Berufsbildung abschliessen;
Branchen, die keine Lernenden mehr finden;
vergleichsweise (zu) lange Lehren (4 Jahre);
ein zunehmender «Mismatch» zwischen «geeigneten» Lernenden und Lehrstellen, selbst in scheinbar weniger anforderungsreichen Berufen;
zu wenig pädagogisch qualifizierte Ausbilder;
zu viele, die den Eintritt in das Gymnasium anstreben, das heisst zu wenige, und oft auch so gemeinhin artikuliert, zu wenig gute und zu wenig intelligente Lernende, die sich für die Berufsbildung erwärmen.
Trotz der hohen Legitimität der Schweizer Berufsbildung, trotz dem hohen Ansehen im In- und Ausland werden doch auch am Narrativ der Erfolgsgeschichte hie und da (Selbst-)Zweifel laut. Gerade wenn es um die Zukunftsfähigkeit der Berufsbildung geht, werden Einwände und Kehrseiten der besten aller (Berufsbildungs-)Welten sichtbar.
Mit anderen Worten: Es lassen sich heute kritische Aspekte identifizieren, und so argumentierte Avenir Suisse bereits 2010, dass angesichts künftiger Herausforderungen ein gut laufendes System dennoch sich kritisch befragen lassen muss, um Innovationen voranzutreiben, um die hervorragende Stellung oder - wie Ökonominnen und Ökonomen es gerne zu sagen pflegen - die «Marktführerschaft» zu halten (vgl. Schellenbauer et al. 2010).
Die Berufsbildung in der Schweiz gibt dem informellen Lernen im Betrieb und den informellen Absprachen viel Raum. Darüber hinaus ist die Schweiz wie kaum ein anderes Land durch das Milizwesen geprägt. Anders formuliert: laienhaftem Agieren und dem Dilettantismus wird ebenso Spielraum belassen, im Vertrauen darauf, dass das Ergebnis insgesamt gut ist. Der Berufsbildung wird dennoch insgesamt gerne ein hohes Mass an Professionalität bescheinigt, auch wenn gewisse Branchen und Betriebe eine solche zunehmende Professionalisierung als Bürokratisierung und Gängelei gerade beklagen, wenn etwa der traditionelle Beruf des Schmieds von Verbandsseite abgeschafft (und durch den Metallbauer ersetzt) wird, trotz bestehender Nachfrage (Donzé 2022, S. 12).
Die Berufsbildung selbst, aber auch die Umwelt der Berufsbildung ändern sich kontinuierlich. Einige Entwicklungen wie die technologischen Innovationen der letzten Jahre werden gar als «externe Schocks» bezeichnet und verlangen eine adäquate Antwort des Bildungssystems und insbesondere der Berufsbildung (Iversen & Soskice 2019, S. 138). Aber auch interne Entwicklungen wie der weltweit zu konstatierende «Erfolg» der Universitäten beeinflussen die Berufsbildung, indem sich diese zunehmend nach deren Standards ausrichtet (Baker 2014). Es findet auch in der Schweiz ein academic drift statt. Das sind nicht nur naive oder uninformierte Eltern (wie oft ins Spiel gebracht wird), die die Chancen und Qualität der Schweizer Berufsbildung nicht kennen oder zu wenig würdigen, sondern ebenso die Bildungsinstitutionen selbst, die sich nicht nur aus Prestigegründen am als höher betrachteten akademischen Status orientieren wollen. Hier wird insbesondere auf die Fachhochschulen verwiesen, die sich an die Universitäten anlehnen und deren wissenschafts- und akademischen Laufbahnkriterien mehr oder weniger stillschweigend übernehmen. Der schöne helvetische Duktus zwischen traditionellen und neuen Hochschulen, nämlich «gleichwertig aber andersartig», wird infrage gestellt, wenn diese Grenzen verwischen.
Eine weitere helvetische Eigenart besteht darin, Ungeklärtes zu belassen und nicht auszudiskutieren. Im Bildungsdiskurs werden gewisse Themen pragmatisch gehandhabt: Sind denn die Fachhochschulen akademische Institutionen oder doch etwas anderes? Offiziell lässt sich dazu wenig finden, streng genommen müssten sie es sein, darauf verweisen die Einbindung in das Bologna-System und die internationalen Bezeichnungen, die von «Universities of Applied Sciences» ausgehen. In der Schweiz selbst wird aber - auch in Bezug auf die Fachhochschulen - das Wort «akademisch» eher gemieden. Und was ist nun mit der höheren Berufsbildung? Soll es einen...
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