Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Der neue Tag brachte nichts Gutes, zumindest aus der Sicht der Polizei. Bereits frühmorgens demonstrierten einige hundert Personen dieses Mal vor der CS am Bankverein und verursachten so ein weiteres Verkehrschaos. Kein Tram kam mehr durch. Ferrari musste am Aeschenplatz aussteigen und den Rest zu Fuss gehen. Eine junge Demonstrantin drückte ihm einen Zettel in die Hand. Die Aktivisten protestierten gegen die Inhaftierung ihrer Genossen, sozusagen ein Protest in eigener Sache. Ferrari blieb einen Moment stehen und beobachtete, wie seine Kollegen ver suchten, die Tramschienen freizubekommen. Ohne Erfolg. Das wird schwierig.
«Möchten Sie eine Himbeere?», fragte ihn die junge Frau, die ihm den Zettel gegeben hatte. «Sie sind frisch gepflückt und aus biologischem Anbau.»
«Danke», Ferrari nahm zwei. «Sie sind sehr fein.»
Die junge Aktivistin lächelte und drückte bereits dem nächsten Passanten einen Zettel in die Hand. Als sie ihm die Himbeeren hinhielt, schlug ihr der Mann die Früchte aus der Hand. Schockiert wich die junge Frau zurück.
«He, sind Sie verrückt?»
Der Mann drehte sich um und kam auf Ferrari zu. Seine Augen funkelten.
«Wie war das?»
«Es gibt keinen Grund für Ihren Ausraster. Die junge Frau hat Ihnen nichts getan.»
«Ach ja? Die sollen arbeiten statt demonstrieren. Dieser Chaotenbrut muss der Garaus gemacht werden. Wegen dem Dreckspack komme ich zu spät zu meinem Termin.»
«Dann hätten Sie eben etwas früher aufstehen müssen.» Ferrari liess den Mann stehen und wandte sich an die Demonstrantin. «Bist du in Ordnung?»
«Es geht, danke. Schade um die Himbeeren.»
«Ja. Zum Glück denken nicht alle so wie dieser Idiot. Mach dir nichts draus.»
«Wer ist hier ein Idiot?», die Stimme des Mannes zitterte vor Wut.
Bevor Ferrari antworten konnte, holte der Mann zum Schlag aus. Doch ein uniformierter Beamte, der die Szene beobachtet hatte, hielt ihn gerade noch rechtzeitig fest.
«Danke, Christoph. Lass ihn bitte los.»
Der Mann schaute ihn irritiert an. Ferrari zückte seinen Ausweis.
«Mein Name ist Ferrari, Kommissär Ferrari. Sie sind ohne Grund auf die junge Frau losgegangen und wollten nun mich angreifen. Sie müssen mit einem Strafverfahren rechnen. Christoph, bring ihn in den Waaghof.»
«Wirklich?»
«Ja. Die Kollegen sollen seine Personalien aufnehmen. Ich will mich in Ruhe mit dem Herrn unterhalten.»
«Das lass ich mir nicht gefallen. Ich werde gegen Sie vorgehen, Sie werden mich kennenlernen!»
«Ich freue mich darauf. Wenn Sie sich weigern, freiwillig mitzugehen, wird mein Kollege Sie in Handschellen abführen. Das ist ganz Ihre Entscheidung. Wir sehen uns.»
Ferrari drehte sich zu den Demonstranten um, die das Geschehen neugierig beobachteten. Erst jetzt bemerkte er Petra Ludwig.
«Guten Morgen, Herr Kommissär.»
«Guten Morgen, Frau Ludwig. Sie sind früh im Einsatz.»
«Wie Sie . Sarina, bist du in Ordnung?»
«Ja, noch etwas zittrig. Ich habe nicht damit gerechnet, dass mich der Mann angreift.»
«Leider verstehen nicht alle unsere Anliegen. Wenn du möchtest, kannst du nach Hause gehen.»
«Ich setze mich für einen Moment auf die Bank und dann mach ich weiter. Danke für Ihre Hilfe.»
«Gern geschehen.»
«Was geschieht jetzt mit dem Mann?»
«Er wird seinen Termin endgültig verpassen, Frau Ludwig. Spätestens um zehn oder elf läuft er wieder frei herum.»
«Die Verhaftung ist unverhältnismässig.»
«Sagt die, die den ganzen öffentlichen Verkehr lahmlegt. Er wurde nicht verhaftet, sondern lediglich zur Überprüfung seiner Personalien mitgenommen. Das dauert eben seine Zeit. Ausserdem wollte er mich angreifen.»
«Beamtenwillkür.»
«Genau. Er wird sich zwar nicht ändern und auch das nächste Mal wieder auf die Demonstranten losgehen, aber ich konnte wenigstens meine kleinen Machtgelüste stillen. Das stellt mich für den ganzen Tag auf.»
«Sie sind ein komischer Kauz.»
«Das höre ich öfters. Wie wärs, wenn Sie Ihre unverhältnismässige Aktion beenden und die Tramschienen wieder freigeben?»
«Gut. Im Gegenzug sorgen Sie dafür, dass meine Freunde entlassen werden.»
«Nur unter der Bedingung, dass gegen keine Person etwas vorliegt.»
«Einverstanden.»
Petra Ludwig dirigierte ihre Leute von den Tramgleisen weg. Der Einsatzleiter kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
«Wie hast du das geschafft?», erkundigte er sich bei Ferrari.
«Man muss mit den Leuten reden, Gerhard.»
«Mit mir wollte niemand vernünftig sprechen.»
«Du weisst ja, Deeskalation heisst das Zauberwort. Das ist sozusagen mein Lebensmotto.»
«Ach ja? Und was wäre passiert, wenn Christoph nicht dazwischengegangen wäre? Deeskalation der Marke Francesco?»
«Hm.»
Nadine stand mit Borer beim Kaffeeautomaten.
«Ah, da sind Sie. Sind Sie von allen guten Geistern verlassen?»
«Das merken Sie erst jetzt?»
«Wie kommen Sie dazu, einen Angestellten des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten verhaften zu lassen?»
Ferrari sah Nadine fragend an.
«Christoph brachte auf deine Anweisung hin einen Herrn im Anzug zu mir, in Handschellen.»
«Der Typ ist ein Bundesbeamter?»
«Er hatte einen Termin auf dem Thailändischen Generalkonsulat.»
«Wo ist er jetzt?»
«Wo wohl? Denken Sie wirklich, dass wir ihn festhalten, bis Sie sich hierher bequemen? Zum Glück brachte ihn Ihre werte Kollegin zu mir. Er wird eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Sie einreichen. Das ist gar nicht gut. Hoffentlich führt Ihr Handeln nicht zu diplomatischen Verstrickungen. Und nur, weil Sie den Superstar spielen mussten. Was ist, Anina? . Selbstverständlich nehme ich mir Zeit für den Regierungsrat . Wir sind noch nicht fertig, Ferrari. Ich bin sofort wieder da.»
«Hier, trink erst mal einen Kaffee. Brigitte Oser ist die Einzige, die ich erreichen konnte. Sie erwartet uns um zehn.»
«Schade, dass ich mich mit dem Berner Beamten nicht aussprechen kann.»
«Vergiss es. Ein bornierter Idiot . Ah, es geht in die nächste Runde.»
«Bevor Sie sich weiter aufregen, möchte ich meinen Standpunkt klarstellen. Der Typ schlug einer Demonstrantin, die nichts, aber auch gar nichts verbrochen hatte, eine Schachtel Himbeeren aus der Hand und griff mich an.»
«Das ist schon in Ordnung, Ferrari.»
«Echt?»
«Können Sie mir die Personalien unseres Kollegen aus Bern geben, Frau Kupfer?»
«Sicher.»
«Ich werde die Kuh vom Eis holen. Sein Verhalten war alles andere als korrekt . Sie brauchen gar nicht so triumphierend zu grinsen, Ferrari. Ich dulde Ihre aufbrausende Art in keiner Weise, aber wir wollen für einmal den Ball flach halten. So, jetzt muss ich ins Rathaus.»
Und weg war er.
«Was war denn das? Ich bin irgendwie enttäuscht. Ich dachte, es gibt ein richtiges Kräftemessen. Ein Duell wie im Wilden Westen.»
«Komm, wir gehen kurz zu Anina . Anina, weisst du, was Borer mit dem Regierungsrat besprochen hat?»
«Nur bruchstückweise. Er bedankte sich bei Borer, dass Francesco die Demonstranten dazu brachte, den Verkehr nicht weiter zu blockieren, und dass er eine Demonstrantin beschützte. Mehr weiss ich nicht.»
«Wieso denn das?»
«Das weiss ich nicht, Nadine. Da musst du Jakob fragen.»
«Glück gehabt. Du brauchst gar nicht wie ein Breitmaulfrosch zu grinsen.»
«So bin ich halt. Mein zweiter Vorname lautet Deeskalation. Ich muss noch schnell etwas erledigen. Dann können wir los.»
Unter lautstarkem Protest von Nadine fuhren sie mit dem Sechser von der Heuwaage bis zum Morgartenring.
«Was musstest du vorhin so dringend erledigen?»
«Ich versprach Frau Ludwig, die Demonstranten zu entlassen. Es lag nichts Gravierendes gegen sie...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.