Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Ein Sportler beim Bouldern an der Kletterwand - als Cover für eine Religionsdidaktik? Vielleicht hat dieses Bild Sie angesprochen und Sie blättern nun neugierig in diesem Buch oder schauen sich im Internet eine Leseprobe an. Vielleicht fühlen Sie sich an die eigene "Kletterwand" erinnert, an der Tag für Tag neue Herausforderungen auf Sie warten, sei es im Studium, als Referendarin oder Referendar im Vorbereitungsdienst und als Lehrkraft im Beruf. Was brauchen Sie, um diese Anforderungen bewältigen zu können? Welches Wissen, welches Können, welche Motivation?
Zur Bedeutung von Anforderungssituationen für die Religionsdidaktik
Wir haben den beruflichen "Ernstfall" als Ausgangspunkt für diese religionsdidaktische Darstellung gewählt. Wir sind davon überzeugt, dass theoretisches Wissen im Studium von vornherein auf das spätere Berufsfeld bezogen sein muss und umgekehrt berufliche Erfahrungen an wissenschaftlichen Erkenntnissen geprüft und evaluiert werden sollten. Deshalb beschreiten wir den ungewohnten Weg, von Anforderungssituationen aus zentrale Themen der religionspädagogischen Fachdidaktik zu entwickeln und immer wieder auf praktische Problemstellungen zu rekurrieren. Sie als Studierende werden den "Kletterwänden" des Berufs umso besser gewachsen sein, wenn Sie bereits im Studium gelernt haben, mit solchen Anforderungssituationen konstruktiv und wissensbasiert umzugehen.
Das grundlegende Gutachten "Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards" (Klieme, 2003) leitete mit der Metastruktur der Kompetenzorientierung eine Umsteuerung des gesamten Bildungswesens ein. Seitdem hat der Begriff Anforderungssituation in der Allgemeinen Didaktik und in einer Reihe von Fachdidaktiken Fuß gefasst. Kompetenzen, so lautete die These des Gutachtens, seien kognitive Dispositionen, die Personen befähigen, "bestimmte Arten von Problemen erfolgreich zu lösen, also konkrete Anforderungssituationen eines bestimmten Typs zu bewältigen" (Klieme, 2003, 72). Damit Kompetenzen überhaupt ausgebildet werden können, ist domänenspezifisches Wissen und Können erforderlich, das in und für Handlungssituationen erworben wird und - verallgemeinert und systematisiert - neue Herausforderungen zu bewältigen hilft. Diese Bestimmungen, die auf den pädagogischen Psychologen Franz E. Weinert zurückgehen, wurden nicht nur in der Religionspädagogik rezipiert, interpretiert und als "didaktisches Schlüsselprinzip" kompetenzorientierten Religionsunterrichts (Obst, 2015, 243; Lenhard, 2017, 6) ausgewiesen.
Auch in Forschungen der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" - und hier mit besonderem Nachdruck - wurde der Begriff Anforderungssituation im Blick auf die dringliche Aufgabe einer "Verzahnung von Theorie und Praxis im Lehramtsstudium" aufgenommen. Beispielsweise führen Alexander Kauertz und Regina Schleicher in ihrem Aufsatz "Modularisierte Schulpraxiseinbindung - Schulische Anforderungssituationen als Elemente universitärer Lehre" dazu aus:
"Mit der Integration von schulischen Anforderungssituationen in das Studium inner- und außerhalb von Praxisphasen wird versucht, angehende Lehrkräfte angemessen vorzubereiten. Bei einer schulischen Anforderungssituation handelt es sich um einen Ausschnitt aus dem professionellen Alltag einer Lehrkraft, der einer zeitlich abgrenzbaren Aufgabe entspricht. Die Praxis der Lehrkraft ist hier von Theorie durchdrungen [.]. Der in der Praxis stattfindende Prozess wird in der Anforderungssituation mit einer theoretischen Erwartung an die Reaktion einer Lehrkraft kombiniert. Lehramtsstudierende können auf diese Weise die 'Vermittlung' von Theorie und Praxis [.] selbst vollziehen, und ihr individueller Bildungsprozess wird vorangetrieben." (BMBF, 2019, 82)
Inzwischen wird auch durch religionspädagogische Projekte an Hochschulen erprobt, wie das Lehramtsstudium durch die Integration schulischer Anforderungssituationen stärker auf das spätere Berufsfeld ausgerichtet und eine berufliche Handlungsfähigkeit als Religionslehrkraft angebahnt werden kann. Dabei können reale oder realitätsnahe Anforderungssituationen in besonderer Weise religionspädagogische Theorien auf den Prüfstand stellen und ihre Relevanz aufweisen. Eine solche professionelle Handlungsfähigkeit entwickelt sich
- auf der Grundlage reichhaltigen, miteinander vernetzten wissenschaftlichen Wissens,
- in der kritischen Bearbeitung der eigenen Überzeugungen, subjektiven Theorien, Motivationen und Werthaltungen sowie
- durch die reflexive Auseinandersetzung mit konkreten Herausforderungen, Rollenerwartungen und Erfahrungen in Schule und Unterricht.
Kompetenzen im Lehrerberuf werden im Laufe des Studiums, des Vorbereitungsdienstes und der Berufseingangsphasen langfristig angelegt, ausgebaut, elaboriert und evaluiert. Zusammengefasst gilt für die berufliche Handlungsfähigkeit von Religionslehrkräften Theologisch-religionspädagogische Kompetenz als Leitziel.
"Theologisch-religionspädagogische Kompetenz meint dabei die Gesamtheit der beruflich notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten, der Bereitschaft und berufsethischen Einstellungen, über die ein Religionslehrer bzw. eine -lehrerin verfügen muss und die es ihnen ermöglicht, mit der Komplexität von beruflichen Handlungssituationen konstruktiv umzugehen, d. h. religionspädagogisch handlungsfähig zu sein." (EKD, 2008, 16)
Für wen das Buch gedacht ist
Diese Erkenntnisse zur Bedeutung schulischer Anforderungssituationen für die Entwicklung fachbezogener Kompetenzen liegen der Konzeption des Buches zugrunde. Es richtet sich daher in erster Linie an Studierende des Faches Evangelische Theologie/Religionspädagogik, die sich einen Überblick über wesentliche Bereiche der Religionspädagogik und Religionsdidaktik verschaffen möchten oder ihre Kenntnisse reaktivieren und vertiefen wollen. Außerdem erhalten Religionslehrkräfte einen Einblick in den aktuellen Stand des religionspädagogischen Diskurses und können ihre eigene Praxis an empirischen Erkenntnissen und theoretischen Ansätzen überprüfen und verbessern.
Was Sie von diesem Buch erwarten können und was nicht
Der Schwerpunkt der ausgewählten Themen liegt auf der Religionsdidaktik. Eine Reihe von Kapiteln geht über den engeren Bereich der Didaktik hinaus und spricht allgemeinere Probleme der Religionspädagogik an. Deshalb wurden beide Begriffe in den Titel des Buches aufgenommen:
Religionspädagogik in Anforderungssituationen - Fachdidaktische Grundlagen für Studium und Beruf.
Dabei erheben wir nicht den Anspruch, alle Bereiche der Religionspädagogik sowie der Religionsdidaktik umfassend abdecken zu können. Dies wäre ein gigantisches Unternehmen, das nur in Kooperation vieler spezialisierter Verfasserinnen und Verfasser zu leisten ist - so wie es etwa das "Handbuch Religionsdidaktik" (Stuttgart 2021) oder das "Studienbuch Religionsdidaktik" (Bad Heilbrunn 2021) beanspruchen könnte. Das vorliegende Buch fällt nicht nur durch seine inhaltliche Begrenzung, sondern vor allem durch seine auf das Praxisfeld fokussierte Darstellung in ein anderes Genre. Es konzentriert sich auf die Themen, die - abgesehen davon, dass sie häufig Gegenstand von Prüfungen sind - nach unseren erfahrungsgestützten Einschätzungen für künftige und aktuelle Religionslehrkräfte eine besondere Herausforderung darstellen.
Herausforderungen im Fachunterricht können nur dann bestanden werden, wenn Lehrkräfte über die drei konstitutiven professionellen Kompetenzfacetten verfügen: über Fachwissen, allgemeines pädagogisches Wissen und fachdidaktisches Wissen. Dabei ist das Fachwissen
"eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für qualitätsvollen Unterricht und Lernfortschritte der Schülerinnen und Schüler [.]. Fachwissen ist die Grundlage, auf der fachdidaktische Beweglichkeit entstehen kann" (Baumert/Kunter, 2006, 496).
Allgemeines pädagogisches Wissen gehört ebenso wie fachdidaktisches Wissen zum Kern der professionellen Kompetenz von Lehrkräften, wobei letzterem eine Schlüsselrolle für erfolgreiches Unterrichten zukommt (ebd., 485). Den Zusammenhang von pädagogischem und fachdidaktischem Wissen entfalten eine Reihe von Kapiteln in diesem Buch.
Allerdings ist auch klar, dass es ein langer Weg vom Wissen zum Können ist. Gewusst ist nicht gekonnt. Gerade deshalb sollte dieses wissenschaftliche Wissen nicht kontextlos präsentiert und erworben werden, sondern bereits im Studium auf Anwendungszusammenhänge bezogen werden. Auch wenn das Studium nur selektive Einblicke in Praxiskontexte bietet, bereitet eine reflektierte Antizipation beruflicher Handlungssituationen die konkreten Lern- und Bewährungsherausforderungen der Praxis vor. Sie bietet keine Gewähr dafür, dass professionelles Können entsteht, aber sie erleichtert von vornherein die Inanspruchnahme erworbenen Wissens bei der Bewältigung praktischen Handelns.
Die in diesem Buch...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
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