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Kurzfristig können die Kurse ordentlich schwanken. Langfristig aber schlugen Aktien die Inflation - und sogar andere Anlageformen.
Lassen Sie sich zu Beginn kurz auf ein kleines Experiment ein: Versetzen Sie sich gedanklich einmal zurück in die Vereinigten Staaten des Jahres 1900, als der New Yorker Bürgermeister noch Theodore Roosevelt hieß, die Farbfotografie als neueste Innovation galt und im Finanzteil der New York Times über Eisenbahnaktien berichtet wurde. Keine Angst, Sie haben bei diesem Gedankenspiel im Grunde nichts zu verlieren, der Einsatz ist bloß ein US-Dollar. Diese Münze mit dem Adler auf der Rückseite hätten Sie entweder in weltweite Aktien, in Staatsanleihen vieler Länder oder sogenannte Schatzpapiere der Vereinigten Staaten investieren können, also sehr sichere Staatspapiere.
Zur Entscheidung gibt es eine kurze Handreichung: Mit äußerst sicheren Schatzpapieren hätten Sie den USA als Staat für drei Monate Geld besorgt und es mit größter Sicherheit anschließend wiederbekommen, um es erneut anzulegen. Bei den Staatsanleihen wiederum hätten Sie unterschiedlichsten Regierungen weltweit auf mehrere Jahre Geld geliehen, um Zinsen zu kassieren. Und als Aktionär oder Aktionärin wären Sie Miteigentümer vieler großer Börsenfirmen rund um den Globus geworden, um von Kurssteigerungen und Gewinnausschüttungen zu profitieren. Was, glauben Sie, wäre aus heutiger Sicht die beste Anlage gewesen?
Was wäre die beste Anlage gewesen?
Wer das Geld damals in die sicheren Schatzpapiere steckte, hätte Ende 2022 nominal mit 61,10 US-Dollar dagestanden. Hätten Sie das Geld stattdessen in länger laufende Staatsanleihen investiert, wäre Ihr Ertrag auf immerhin 284 Dollar angewachsen, also knapp fünfmal so stark. Wer stattdessen im Jahr 1900 bloß einen Dollar in weltweite Aktien angelegt hätte, dürfte sich heute über 15 645 US-Dollar freuen.
Rückblickend wäre die Aktienanlage also die ertragreichste Wahl gewesen, und zwar mit weitem Vorsprung. Die einzigen beiden Voraussetzungen in unserem Gedankenexperiment: Anlegerinnen und Anleger hätten das Geld über den gesamten Zeitraum an der Börse investiert lassen müssen und ihre Aktien auch bei Crashs nicht aus Panik verkaufen dürfen. Außerdem hätten sie alle Erträge immer wieder mitanlegen müssen, also die Zinsen der Anleihen oder bei Aktien die Gewinnausschüttungen in Form von Dividenden.
Vielleicht ist diese Langfristbetrachtung das stärkste Argument: Aktien haben langfristig die besten Erträge aller Geldanlageformen gebracht. Zieht man die Inflation ab, ändern sich zwar die Endwerte - nicht aber die Grundaussage. Die Grafik rechts oben ist deswegen die wichtigste Darstellung in diesem Buch. Sie stammt aus einem Datensatz der Finanzhistoriker Elroy Dimson, Paul Marsh und Mike Staunton von der London Business School, die im Auftrag der Großbank UBS die Entwicklung unterschiedlicher Anlageformen bis ins Jahr 1900 zurückverfolgt haben.
Jährlich aktualisieren sie ihre Langfrist-Rechnung im "UBS Global Investment Returns Yearbook", inzwischen umfasst es mehr als 120 Jahre Kapitalmarktgeschichte. Laut Rechnungen der drei Londoner Forscher ergaben sich in US-Dollar seit dem Jahr 1900 im Schnitt bis zum Ende des Jahres 2022 aus nominaler Sicht folgende Renditedaten:
Weltweite Aktien: 8,1 Prozent pro Jahr,
Weltweite Staatsanleihen: 4,7 Prozent pro Jahr,
Sehr sichere US-Schatzwechsel: 3,4 Prozent pro Jahr.
Die Jahrhundertbilanz der Börse
Reale Langfristentwicklung von Welt-Aktien, Welt-Anleihen, US-Schatzwechseln seit 1900
Copyright © 2024 Elroy Dimson, Paul Marsh and Mike Staunton, London Business School
Weil natürlich kaum ein einzelner Anleger oder eine einzelne Anlegerin mehr als ein Jahrhundert lebt, könnten so manche die Daten der Forscher als unrealistisch abtun. In den Finanzwissenschaften ist der Datensatz jedoch zum Goldstandard für Renditedaten geworden. Denn in den mehr als 120 Jahren Börsengeschichte steckt eine Menge drin: Positiv spiegelt sich eine atemberaubende, industrielle Transformationsgeschichte. Im Jahr 1900 hatte schließlich praktisch niemand je ein Auto gefahren, Radio gehört, in einem Flugzeug gesessen, geschweige denn ein Smartphone in der Hand gehalten.
Umgekehrt brachte die Zeit seit der Jahrhundertwende zwei Weltkriege, zahlreiche regionale Konflikte und eine Terrorwelle nach der Jahrtausendwende. Ob beim Großen Börsenkrach 1929, beim Blitzcrash an der Wall Street im Jahr 1987, mit der Dotcom-Blase zur Jahrtausendwende, der Finanzkrise und der Eurokrise nur wenige Jahre später - immer wieder bebten die Kurse an den Börsen. Selbst die vermeintlich völlig neue Pandemiesituation rund um das Coronavirus ab 2020 hat in den Daten des Forschertrios bereits einen historischen Vorgänger: Ab 1918 verbreitete sich die Spanische Grippe rund um den Globus und forderte geschätzt 25 bis 50 Millionen Tote.
Trotz all dieser Krisen, Kriege und Crashs haben die weltweiten Aktienmärkte ihre alten Höhen immer wieder erreicht und sogar nachhaltig übertroffen. Der gravierende Aktiencrash von 1929 mit dem berühmt gewordenen "Schwarzen Freitag" ist im Diagramm oben auf dieser Seite aus heutiger Sicht bloß noch eine kleine Delle. Dass wohl auch automatische Verkaufsorders den US-Index Dow Jones am 19. Oktober 1987 an nur einem Tag um rund 23 Prozent in die Tiefe drückten, ist in der Kursgrafik nicht einmal mehr zu erkennen. Auch Finanzkrise und Coronacrash sind nurmehr winzige Einkerbungen auf dem unaufhaltsamen Aufwärtsweg des Aktienmarktes.
Diese historischen Renditedaten sind inzwischen von unzähligen Forscherinnen und Forschern bestätigt worden: US-Finanzprofessor Jeremy Siegel von der Wharton School der University of Pennsylvania rechnete 2021 für die US-Kapitalmärkte sogar bis ins Jahr 1802 zurück - also noch ein Jahrhundert länger - und fand ganz ähnliche Zahlen: Aktien brachten nach seiner Rechnung in US-Dollar im Schnitt 8,4 Prozent Rendite pro Jahr, US-Staatsanleihen 5,0 Prozent, die sicheren Schatzwechsel 4,0 Prozent und Gold im Schnitt 2,1 Prozent pro Jahr.
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SEKUNDEN FAKTEN
10,6%
des weltweiten Börsenwerts entfielen im Jahr 1900 auf Unternehmen an den deutschen Börsen, heute sind es nur noch 2,0 Prozent.
63%
des Börsenwerts US-amerikanischer Firmen entfiel 1900 auf Eisenbahnaktien. Heute sind Techaktien die wichtigste Branche.
5,0%
betrug die jährliche, inflationsbereinigte Rendite der Weltbörsen seit 1900. Mit 0,0 Prozent lag Österreich ganz hinten, am besten schnitten Australien und die USA mit 6,4 Prozent ab.
Quelle: Credit Suisse/Dimson/Marsh/Staunton (2023), MSCI
Auch für andere Länder ist dieses Muster an den Börsen erstaunlich stabil. Die drei Londoner Finanzforscher haben die wesentlichen Anlageformen inzwischen in 21 Ländern bis ins Jahr 1900 zurückverfolgt, von Australien bis Südafrika. In anderen Ländern wie Malaysia, Singapur oder Chile fehlen oft durchgängige und belastbare Finanzdaten, dort beginnt die Analyse der Forscher erst später. Das Ergebnis: In keinem einzigen entwickelten Land liegt die langfristige Aktienrendite über die gesamte Zeitspanne seit 1900 gerechnet hinter Staatsanleihen oder den kurzlaufenden und besonders sicheren Schatzwechseln des Staates.
Für Deutschland ist die Sache nicht ganz so einfach, da die Hyperinflation 1923/1924 das komplette Vermögen von Anleihehaltern auslöschte. Den deutschen Leitindex Dax gibt es ebenfalls erst seit 1988, sodass erst seitdem belastbare Daten vorliegen. Zuvor berechneten Banken und Tageszeitungen zwar eigene Börsenindizes, viele dieser Kursbarometer ließen aber die Dividenden bei ihren Rechnungen außen vor. Finanzprofessor Richard Stehle von der Berliner Humboldt-Universität hat daher im Jahr 2018 die Renditen deutscher Staatsanleihen und heimischer Aktien inklusive Dividenden bis ins Jahr 1955 zurückgerechnet. Auch hier liegen Aktien im Langfristergebnis deutlich vor den Staatsanleihen.
Anlegerinnen und Anleger sollten diese Langfristrenditen jedoch nicht wie ein physikalisches Gesetz betrachten. Um das zu zeigen, trug der kanadische Finanzprofessor Edward McQuarrie von der Santa-Clara-Universität einen Datensatz über mehr als 200 Jahre Kapitalmarktgeschichte zusammen: Rollt man alle Phasen von 30 oder 50 Jahren innerhalb dieses Datensatzes...
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