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Eine Einführung ins Thema
Eine Essstörung ist keine psychische Erkrankung, die bei A anfängt und dann einen "typischen" Verlauf nimmt. Zwei Personen mit der Gleichen Essstörung, z. B. einer Bulimie, werden trotz identischer Diagnose verschiedene Ursachen, Verläufe und auch Abweichungen in ihrer jeweiligen Symptomatik nennen können. Um die Breite und Unterschiedlichkeit der Herausforderungen zu verdeutlichen, mit denen Betroffene kämpfen, erzählen in diesem Buch deshalb außer uns Herausgeberinnen noch andere Menschen von ihren Erfahrungen.
Bevor wir tiefer in die verschiedenen Themen dieses Buches einsteigen, wollen wir einen kurzen Überblick über das Thema Essstörungen geben. Wenn dich einzelne Erkrankungsformen und Diagnosen noch mehr interessieren, findest du online viele Informationen und Fachliteratur dazu.
Eine Essstörung ist eine schwerwiegende und ernst zu nehmende Erkrankung. In den letzten Jahren wurde immer mehr zu den Hintergründen und Formen von Essstörungen geforscht, sodass man in den Diagnosehandbüchern mittlerweile verschiedenste Ausprägungen von Essstörungen findet.
Zu wissen, was genau sich hinter welchem Störungsbild verbirgt, kann oft schon ein erster Schritt sein, um sich als Betroffener einzugestehen oder überhaupt erst zu merken, dass man Hilfe braucht. Aber auch für Außenstehende kann das Wissen über die verschiedenen Diagnosen helfen, sensibilisiert zu werden, aufmerksam zu bleiben und betroffenen Personen liebevolle Unterstützung anbieten zu können.
Dennoch ist es uns wichtig zu sagen, dass du dir nicht erst Hilfe suchen darfst, wenn du alle Kriterien einer Störungsform erfüllst. Auch wenn du dich in keiner der beschriebenen Diagnosen zu 100 Prozent wiederfindest, aber merkst, dass du mit dem Thema Essen auf irgendeine Weise kämpfst, ermutigen wir dich, dir Unterstützung zu suchen. Es gibt kein "krank genug", um die Hilfe zu bekommen, die du brauchst.
Bei all den Diagnosen gibt es immer auch ein Dazwischen, Darunter und Halbzutreffend. Nicht ohne Grund werden deshalb mittlerweile auch atypische Essstörungen diagnostiziert.
Der Bereich der Essstörungen wird fortlaufend erforscht. So werden im klinisch-therapeutischen Bereich Diagnosen und Symptome angepasst. Ärzte und Therapeuten nutzen die internationale Klassifikation von Krankheiten (ICD) als Grundlage, um Diagnosen zu erstellen. Die Ziffern dieser Diagnoseschlüssel, egal ob Erkältung, Beinbruch oder psychische Erkrankung, kennen die meisten von uns wahrscheinlich aus den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die wir vom Arzt erhalten, wenn wir krank sind. Dort geht aus der jeweiligen Ziffer die Diagnose bzw. der Grund der Krankschreibung hervor.
Mittlerweile gibt es eine elfte Revision dieser Klassifizierung, die im Januar 2022 in Kraft getreten ist. Diese Revision an Krankheitsdiagnosen enthält auch einige Neuerungen im Bereich der Essstörungen. So wurden beispielsweise Gewichtskriterien angepasst, Formen verändert, und die Binge-Eating-Störung wurde als feste Diagnose aufgenommen. Wir sehen die Neuerungen der ICD-11 sehr positiv, weil sie zeigen, dass Kriterien immer auch von der festgelegten Norm abweichen können und individuell verlaufen, wobei der Leidensdruck oder eine vorhandene Erkrankung nicht gering geachtet werden.
Im Folgenden geben wir dir einen kurzen Überblick über verschiedene Essstörungsformen. Wir können dabei nicht auf alle Essstörungen eingehen, und auch zu den Risikofaktoren oder Behandlungsmöglichkeiten gäbe es eine Menge mehr zu sagen. Wir sind superdankbar, dass es viele Fachleute gibt, die dazu bereits Studien oder Fachliteratur veröffentlicht haben und dies alles sorgfältig und viel ausführlicher beschrieben haben, als wir das hier können.
Deshalb beschreiben wir in diesem Buch nur die am häufigsten auftretenden Essstörungen. Die folgende Aufzählung soll kurz erklären, was man unter der jeweiligen Essstörung versteht, ersetzt aber keine Diagnose durch einen Arzt. Außerdem ist uns wichtig zu sagen, dass Übergänge zwischen den einzelnen Essstörungsformen fließend sind und viele Betroffene von einer Form in die nächste rutschen oder mehr als nur eine Essstörung erleben.
Anorexia Nervosa ist im Sprachgebrauch als Anorexie oder Magersucht bekannt. Ein wichtiges Merkmal ist ein absichtlich selbst herbeigeführter Gewichtsverlust. Die Betroffenen haben große Angst davor, an Gewicht zuzunehmen, und sehen sich selbst auch dann noch als zu dick, wenn sie bereits deutliches oder sogar lebensbedrohliches Untergewicht erreicht haben.
Zu den Symptomen zählen außerdem übertrieben viel Sport und ein hoher Druck, sich selbst zu kontrollieren. So stellen sich Betroffene oft mehrmals am Tag auf die Waage. Wenn sie das Gefühl haben, zu viel gegessen zu haben, können selbst herbeigeführtes Erbrechen oder das Einnehmen von Abführmitteln eine weitere Form sein, um nicht an Gewicht zuzunehmen.
Für die ICD-11 wurde vorgeschlagen, dass eine Magersucht nicht mehr nur abhängig vom BMI oder einem absoluten Gewichtskriterium diagnostiziert werden kann, sondern dass ein sehr schneller und ausgeprägter Gewichtsverlust (z. B. mehr als 20 % des gesamten Körpergewichtes innerhalb von sechs Monaten) diesen ersetzt, solange die anderen Kriterien für die Magersucht erfüllt sind (Claudino et al., 2019).
Die Bulimie wird häufig auch Ess-Brech-Sucht genannt. Dabei kommt es immer wieder zu Heißhunger, der zu Essanfällen und anschließendem Erbrechen führt. Es muss aber nicht immer zu Erbrechen kommen; auch andere restriktive Verhaltensweisen wie der Gebrauch von Abführmitteln, anschließendes Hungern oder übermäßig viel Sport, um das aufgenommene Essen zu kompensieren, können Formen einer Bulimie sein.
Bei der atypischen Anorexie bzw. atypischen Bulimie handelt es sich um eine Störung, die einige Kriterien der Anorexie und Bulimie erfüllt, diese Diagnose aber anhand des gesamten klinischen Bildes nicht rechtfertigt. So kann das Körpergewicht bei der atypischen Anorexie beispielsweise trotz hohem Gewichtsverlust im oder über dem Normbereich liegen. Auch bei der atypischen Bulimie sind alle Kriterien der Bulimie erfüllt, nur dass die Frequenz und Dauer der Essanfälle bzw. regulierenden Maßnahmen wie Erbrechen geringer sind.
Von Binge Eating, auch Esssucht genannt, spricht man, wenn Betroffene mindestens einmal pro Woche über einen Zeitraum von drei Monaten hinweg Essanfälle haben. Während der Essanfälle wird innerhalb kürzester Zeit unkontrolliert viel Essen aufgenommen. Im Unterschied zur Bulimie werden dabei anschließend keine kompensatorischen Maßnahmen wie Erbrechen oder Sport ergriffen. Betroffene leiden besonders unter Ekel- und Schamgefühlen. Häufig geht (manchmal auch erst im Verlauf der Erkrankung) krankhaftes Übergewicht mit der Esssucht einher, was aber kein Muss ist.
Vielleicht hast du den Begriff "emotionales Essen" schon einmal gehört oder kennst das von dir selbst. Von "emotionalem Essen" spricht man dann, wenn die Reaktion auf heftige Gefühle wie Angst, Wut oder Stress das Essen ist. Emotionales Essen an sich ist keine eigene diagnostizierte Essstörung, kann aber ein Merkmal einer Essstörung sein.
Außerdem wird oft ein Zusammenhang zwischen Essstörungen und anderen psychischen Erkrankungen wie Zwangsstörungen, Angststörungen oder Depressionen festgestellt. Europäische Studien zeigen, dass mehr als 70 Prozent der Patienten mit einer Binge-Eating-Störung mindestens noch an einer weiteren psychischen Erkrankung leiden (Keski-Rahkonen & Mustelin, 2016). Und auch bei anderen Essstörungen hat man eine auffällig hohe Verbindung zu anderen psychischen Erkrankungen festgestellt. Das zeigen auch einige der Geschichten von Betroffenen in diesem Buch.
Wenn du mehr darüber wissen möchtest, welche Auswirkungen Essstörungen mit sich bringen können oder wie du möglicherweise erkennen kannst, dass jemand betroffen ist, findest du im Internet auf zahlreichen Webseiten weitere Informationen, zum Beispiel auf der Seite der Bundeszentrale für Aufklärung und Gesundheit (BzGA). Am Ende dieses Buches gibt es außerdem einen Verweis auf Ressourcen (Bücher, Podcasts, Webseiten und mehr), die wir zusammengestellt haben.
Grundsätzlich gilt: Essstörungen erkennt man nicht am Gewicht. Nicht nur sehr schlanke Menschen können magersüchtig oder bulimisch sein und nicht nur Menschen mit stark erhöhtem Gewicht leiden unter Esssucht. Damit eine Erkrankung rechtzeitig erkannt und behandelt werden kann und damit Betroffene sich ernst genommen fühlen, braucht es eine Sensibilisierung für genau diese...
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