© Vivien Venzke
Im Stall und auf der Weide
Für den alten Stallmeister war ein gut gepflegter und sauber gehaltener Stall ein Aushängeschild seiner sachgemäßen Pferdehaltung. Die Pferde, die damals viel leisten mussten, sollten in einer ruhigen und sauberen Umgebung Kraft und Erholung finden können. Einiges davon ist auch für uns wichtig und anwendbar!
Wer gute Pferde hält
und will ihr recht genießen,
wird ihre Wartung wohl
fürs erst bestellen müssen.
Durch strenge Ordnung, Maß in
Arbeit, Trank und Speis',
Durch stete Reinigung von Unrath,
Staub und Schweiß.
Weil viel mehr gute Pferd'
von schlechter Wartung sterben,
als durch viel Unglücksfäll' und den
Gebrauch verderben.1
TROCKENE EINSTREU
Stroheinstreu und besonders Sägemehleinstreu in Boxen und Offenställen bleibt länger trocken, wenn man darunter eine dünne Schicht Sand anbringt. Der Sand bewirkt eine Drainage und verhindert ein schnelles Vollsaugen der Einstreu mit Urin. Er muss bei etwa jeder dritten großen Ausmistaktion gewechselt werden.
© Jeanne Kloepfer
EINFACHE DRÄNAGE: Sand unter der Einstreu
© Horst Streitferdt
SAUBERES STROH und gutes Heu sind ein Muss!
© Jeanne Kloepfer
ZU HOCH ANGEBRACHTE HEURAUFEN begünstigen Senkrückenbildung.
HEURAUFEN
Inzwischen sollte es jedem Reiter und Pferdehalter bekannt sein, dass man Heuraufen niemals erhöht anbringt. Ein Fressen aus der hochgehängten Raufe mit durchgedrücktem Rücken und gestrecktem Hals erschwert den Speichelfluss und begünstigt den Senkrücken. Dazu trägt es zu Husten und Augenentzündungen durch den unweigerlich frei werdenden Heustaub bei. 1878 war diese Erkenntnis noch relativ neu, wurde aber in einem Ratgeber für Pferdehalter und -pfleger sehr plastisch an den Leser gebracht: "Die hohe Raufe ist ein entschiedener Widersinn, denn das Pferd ist ein Tier der Ebene, das vom Boden weidet, nicht von den Bäumen wie die Giraffe."2
SAUBERKEIT IM STALL
"Die Wichtigkeit einer guten Streu wird vielfach verkannt; es steht jedoch fest, dass, mag man ein Pferd noch so gut pflegen, es ohne ein gutes Lager nie in den Vollbesitz seiner Kräfte gelangen wird. Kein Futter ist im Stande, dem ermüdeten Pferd die Wohltat einer reinlichen und reichlichen Streu zu ersetzen."3
In vielen Reitställen - alten wie neuen - beschränkt sich die Reinlichkeit weitgehend auf die Stallgasse. Während diese bei jeder Gelegenheit gefegt und ausgespritzt wird, handhabt man das Misten der Pferdeboxen eher lasch. Bevor Sie also einen Standplatz für Ihr Pferd anmieten: Schauen Sie nicht nur ins Reiterstübchen und auf die bunt gestrichenen Hindernisse, sondern werfen Sie einen Blick in möglichst viele Boxen und wählen Sie keinen Stall, in dem das Stroh für die Einstreu rationiert ist. Wer nämlich schon am Stroh spart, der spart meist auch am Futter für die Pferde!
© Milada Krautmann
SAUBERKEIT IM STALL beschränkt sich nicht auf das Fegen der Stallgasse.
© Hans Kuczka
HECKEN UND BÄUME spenden Schatten und werden gerne beknabbert.
STROHFRESSER HABEN KEINE NERVEN!
Das war ein geflügeltes Wort bei der Kavallerie. Nervöse und schwierige Pferde erhielten eine große Futterstrohration, dafür wurden die Hafergaben gekürzt. Ob die Wirkung nun wirklich darauf beruhte, dass Stroh "dem Organismus reichlich Nährsalze liefert"4, oder ob einfach die stundenlange Beschäftigung mit dem Raufutter die nervösen Pferde beruhigte, ist fraglich, in der Praxis aber unwichtig.
RAUS AUS DEM STALL!
Oberst Spohr empfahl in seinem Buch "Die Logik in der Reitkunst", zum Scheuen und zur Nervosität neigende Pferde als erstes aus "stillen, ammoniakerfüllten, womöglich noch dunkel gehaltenen Ställen"5 herauszuholen und ihnen viel Bewegung zu verschaffen (mindestens zwei bis drei Reitstunden am Tag).
Weide und Offenstallhaltung waren beim alten Kavalleriepferd nicht machbar. Beim modernen Freizeitpferd erfüllen sie alle Bedingungen zur Erzeugung eines scheufreien, ausgeglichenen Pferdes.
Pferde brauchen außerdem helle, gut durchlüftete, aber dennoch nicht zugige Ställe, um sich wohlzufühlen. Das war auch dem alten Stallmeister bekannt. Eine einfache Faustregel zur richtigen Beleuchtung nennt Graf von Keller: "Der Stall muß so viel Fensterlicht haben, daß man bequem darin lesen kann."6
© Horst Streitferdt
NICHTS FÜR WEBER - die Außenbox
AUßENBOXEN
Gewöhnlich sind Außenboxen sehr empfehlenswert, denn der Ausblick auf den Hof bietet den Pferden frische Luft und Unterhaltung. Neigt ein Pferd jedoch zum Weben, so ist es in einem Offenstall oder einer Innenbox mit mehrstündigem Auslauf besser aufgehoben. Die Außenbox bietet ihm nämlich nur den Blick auf interessante Vorgänge, erlaubt ihm aber nicht, wirklich daran teilzuhaben. Das Pferd setzt seine Erregung darüber in Bewegung um und webt.
STALLGASSE
"Vor dem Ausfegen der Stallgasse aber empfiehlt sich deren Besprengung mit Wasser, damit alles Aufwirbeln von Staub in die Luft vermieden wird."7
Diese Anweisung des alten Stallmeisters gilt heute noch, denn Pferde reagieren äußerst empfindlich auf Staubpartikel. Viele Fälle von chronischem Husten und sogar Dämpfigkeit haben darin ihre Ursache. Im Sommer gilt die Regel übrigens auch für das Abfegen von gepflasterten Stallvorplätzen in Offenställen mit Sandauslauf.
SCHEUEN IM STALL VORBEUGEN
"Nach meinen Erfahrungen empfiehlt es sich als praktisch, im Stalle Kaninchen, Ziegen, Hunde etc. frei herum laufen zu lassen. Ich beobachtete zum Beispiel bei einem bodenscheuen Pferde, wie dieses, welches anfangs sehr erschrak, wenn ein Kaninchen bei ihm vorüberhuschte, nicht nur das Erschrecken sich dabei abgewöhnte, sondern auch im Freien sich nie mehr über Gegenstände aufregte, welche auf dem Erdboden lagen oder an ihm vorbeisprangen."8
Dies ist ein interessanter Gedanke, auch wenn Sie vielleicht keine Nager in Ihrem Stall aussetzen möchten. Hüten Sie sich auf jeden Fall vor zu steriler Atmosphäre in Pferdeställen! Wenn nur geflüstert wird und nie ein Besen umfällt, wenn die Pferde nie um einen vergessenen Strohballen herumgehen müssen und nie ein vergnügter Hund durch die Stallgasse tobt, werden die Bewohner dieses Stalles in Reitbahn und Gelände vor jeder Kleinigkeit scheuen!
© Horst Streitferdt
BOXENHALTUNG muss dennoch Sozialkontakte ermöglichen.
KOPPEN UND WEBEN
Psychologisch gesehen sind Koppen und Weben sogenannte "Übersprungshandlungen". Das Pferd ist ungeduldig, aufgeregt oder einfach lauffreudig, möchte die Erregung gern in Bewegung umsetzen - und kann es nicht, weil es in der Box stehen muss oder gar angebunden ist. So entlädt sich die Spannung in der schaukelnden Bewegung des Webens. Andere Pferde beginnen aus Frust und Langeweile zu koppen - statt wie das Wildpferd immer wieder kleine Grashappen zu sich zu nehmen, schlucken sie Luft.
Am besten kuriert man Weber und Kopper durch Umstellung auf eine Weide oder in einen Offenstall mit viel Möglichkeit zur Bewegung und zum Kontakt mit Artgenossen. Dazu sollten sie regelmäßig gearbeitet werden, damit auf keinen Fall Langeweile aufkommt.
Weber korrigiert man mit dieser Behandlung meist leicht, aber Kopper finden anscheinend große Befriedigung in ihrer Verhaltensstörung. Sie koppen mitunter trotz idealer Haltungsbedingungen weiter. Zum Glück ist inzwischen erwiesen, dass Koppen wirklich nur eine schlechte Angewohnheit ist, und nicht, wie früher angenommen, zu häufigen Koliken führt. Auf das Anlegen von Kopperriemen oder gar eine Operation zur Beilegung des Koppens können Sie also getrost verzichten.
Auch wenn Kopper und Weber ihre Stalluntugenden weitgehend abgelegt haben, kommt es vor, dass sich diese zur Fütterungszeit noch gelegentlich zeigen. Manchmal koppt oder webt das Pferd auch, wenn sein Reiter noch einige Zeit mit Plaudern und Aufräumen im Stall verbringt, ohne sich ihm direkt zu widmen. Um das dann nicht noch zu fördern, ist es sinnvoll, die "Problempferde" stets zuerst zu füttern oder ihnen zumindest etwas Heu zum Zeitvertreib vorzuwerfen. Damit erweist man sich zwar als "erpressbar", verhindert aber Schlimmeres. Weben und Koppen ist nämlich "ansteckend". Ein ebenso gelangweiltes Pferd, das einem Kopper gegenübersteht, ahmt dessen Untugend gern nach.
© Horst Streitferdt
NEUGIER Psychisch gesunde Pferde verkriechen sich nicht, sondern sind an allem interessiert.
Info
Noch ein Tipp zum Weben
Ob der folgende Trick gegen Weben wirklich hilft, sei dahingestellt, aber im Gegensatz zu anderen Mitteln ist er harmlos und kann insofern relativ gefahrlos ausprobiert werden.
"Man schnalle...