Kapitel 1: Der objektive Sinn des Lebens, die Entwicklung der Intelligenz
Vermutlich seit der Mensch denken kann, fragt er nach dem Sinn des Lebens. Auch heute noch ist es die wohl wichtigste Frage der Menschheit. Jeder fragt sich, warum bin ich da, welchen Sinn hat mein Leben? Wenn man sich intensiver mit der Frage befasst, fällt auf, dass alle - auch die großen Philosophen wie Platon, Aristoteles, Kant, Heidegger usw. - sich bei der Frage nach dem Sinn des Lebens immer darauf beschränken, den Sinn aus der Sicht des menschlichen Lebens zu erklären. Sie alle gehen offensichtlich davon aus, dass der Mensch außerhalb der Natur oder sogar über ihr steht. Dies mag eine Folge des christlichen Glaubens sein, der das abendländische Denken Jahrhunderte lang geprägt hat.
Viele kamen deshalb zu dem naheliegenden Schluss, dass der Sinn des menschlichen Lebens in der Aufgabe liegt, Gott zu dienen. Für andere liegt der Sinn des Lebens in der Suche nach dem Glück. Sie sind in guter Gesellschaft, denn auch Aristoteles und Thomas von Aquin sahen im Glück das letzte Ziel des Menschen. Viele sehen auch in der Sicherung der menschlichen Existenz durch Fortpflanzung den wahren Sinn des Lebens. Und schließlich gibt es viele Menschen, für die das menschliche Leben »a priori« keinen Sinn hat.
Albert Einstein ist die Frage nach dem Zweck des eigenen Daseins und der anderen Geschöpfe dieser Welt ebenfalls als sinnlos erschienen. Diese Einstellung verkennt die Neugier, den unwiderstehlichen Drang der menschlichen Intelligenz, alles zu erforschen und alles zu verstehen und letztlich auch die Frage nach dem Sinn des Lebens zu klären.
Auch wenn die Wissenschaftler bisher nicht sagen können, wer oder was die Existenz des Universums in Gang gesetzt hat - ein Gott, eine Superintelligenz - und auch die Frage nicht beantwortet ist, ob, wann und wie alles wieder enden wird, muss man jedenfalls heute doch von der Annahme ausgehen, dass - jedenfalls nach unserem bisherigen Wissen aus dem 20. Jahrhundert - das Universum mit dem Urknall seinen Anfang genommen hat. Und seither hat sich die Welt des Wissens - wie die Wissenschaftler überzeugend nachgewiesen haben - ständig verändert. Dies muss geradezu verpflichten, nach dem Sinn dieser Entwicklung, dem - wie ich meine - dem objektiven Sinn des Lebens, zu forschen.
Die Behauptung, die Entwicklung des Lebens sei rein zufällig geschehen, einen objektiven Sinn des Lebens gebe es nicht, verträgt sich nicht mit der Tatsache, dass die nachgewiesenen Entwicklungen der Welt nach dem Urknall bis heute streng nach den Regeln der fein aufeinander abgestimmten Naturgesetze abgelaufen sind. Und diese Regeln waren nach einhelliger Meinung der Wissenschaftler auch schon im Augenblick des Urknalls vorhanden. Deshalb ist für die Wissenschaftler klar, dass die Entstehung des Lebens keineswegs zufällig ist.
Sicherlich kann man sich darauf beschränken, ausschließlich nach dem Sinn des menschlichen Lebens zu forschen. Allerdings muss man sich dann klar darüber sein, dass dies nur ein Teilaspekt der großen Sinnfrage sein und deshalb nur zu einem subjektiven Sinn des Lebens führen kann. Die Fixierung auf den Menschen zeigt sich gerade in der Zielsetzung des Projekts »Zoonomia«, mit dem Wissenschaftler belegen wollen, welche Gene den Menschen so einmalig machen. Die Wissenschaftler haben die genetischen Merkmale von 240 Säugetierarten aus dem Wasser, vom Lande und in der Luft untersucht, um herauszufinden, welche der Merkmale für den Menschen einzigartig sind. Beim Vergleich mit den Affen, den nächsten Verwandten des Menschen, hat man festgestellt, dass die größten Unterschiede zwischen beiden Arten in der Weise liegen, wie die neurologischen Gene reguliert sind. Interessanterweise liegen die Unterschiede hauptsächlich in der Hirnleistung und in der Kognition, mit anderen Worten: in der Intelligenz.
Wer bei der Frage nach dem Sinn des Lebens sich auf das menschliche Leben beschränkt, übersieht, dass das Leben in vielfältigsten Formen in der Natur vorhanden ist. Die Natur ist Leben. Und Leben ist Intelligenz. Also muss man bei der Frage nach dem Sinn des Lebens nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere, die Pflanzen und die Pilze in die Betrachtung einbeziehen. Nur so lässt sich möglicherweise ein Sinn, ein »objektiver« Sinn des Lebens, erkennen.
Das Weltbild des Menschen hängt immer von den technischen Fertigkeiten ab, über die der Mensch in der jeweiligen Zeit verfügt. Man denke nur an Nikolaus Kopernikus (1473-1543), der wie auch später Galileo Galilei (1564 bis 1641) behauptete, dass nicht die Erde Mittelpunkt der Welt war, wie es die Kirche behauptete, sondern die Sonne. Mit verbesserten Fernrohren hatten sie erkannt, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt. Und noch ein Beispiel: erst 1808 entdeckte John Dalton, dass die Welt aus Atomen zusammengesetzt ist.
Unser aktuelles Bild vom Universum ist geprägt von den Erkenntnissen von Wissenschaftlern des 20. Jahrhunderts wie Albert Einstein (1879-1955), Edwin Hubble (1889-1953) und George Lemaître (1884-1966).Nach der Theorie des letzteren ist die Welt durch einen Urknall entstanden. Diese etwa hundert Jahre alte, allgemein anerkannte Theorie scheint nunmehr von den Daten widerlegt zu werden, die die beiden Weltraumteleskope Hubble und James Webb bisher geliefert haben. Eines scheinen die beiden Teleskope jedoch zu belegen: das Universum treibt auf sein Ende zu. Es ist deshalb durchaus logisch anzunehmen, wo ein Ende ist, muss es auch einen Anfang geben. Solange daher noch keine neue, allgemein anerkannte Theorie über die Entstehung der Welt begründet ist, sollte daher weiterhin von der Theorie des Urknalls ausgegangen werden.
Die meisten Wissenschaftler nehmen an, dass im Zeitpunkt des Urknalls nur anorganische Materie vorhanden war. Manche Wissenschaftler gehen allerdings davon aus, dass es im Zeitpunkt des Urknalls auch schon organische Materie gegeben hat. Dies ist aber nicht herrschende Meinung.
Die durch den Urknall entstandene anorganische Materie hätte ohne jede Veränderung bis in alle Ewigkeit weiter bestehen können. Um die Existenz einer solchen toten Materie hätte sich kein Mensch Gedanken machen müssen. Die Frage der Fortpflanzung und der Existenzsicherung als Sinn des Lebens hätte sich nicht gestellt. Aber warum setzte vom Urknall an eine lange Entwicklung ein, die - auf der Erde - zunächst organische Materie und später die belebten Natur hervorbrachte?
Es drängt sich zwingend die Frage auf, warum hat es diese Entwicklung von der anorganischen Materie hin zur belebten Natur gegeben? Die Menschheit tut sich schwer, diese Frage sinnvoll zu beantworten.
Hinter der ständigen Entwicklung und Veränderung der Welt seit dem Urknall muss es einen besonderen, einen objektiven Sinn geben, aus lebloser Materie Leben entstehen zu lassen.
Man könnte natürlich annehmen, dass unsere Existenz rein zufällig ist und keinen besonderen Sinn hat. Aber warum ist eine unbestreitbar nachgewiesene Entwicklung in Gang gesetzt worden? Wer hat sie in Gang gesetzt?
Das Wissen über die Milliarden Jahre lange Entwicklung der Natur hatten die Menschen im Europa der christlichen Zeit lange nicht. Man muss ganz nüchtern feststellen, dass die christlichen Religionen Jahrhunderte lang ganz bewusst die europäische Menschheit daran gehindert haben, sich ein realistisches Bild vom Zustand des Seins, des Universums, und seiner ständigen Veränderungen zu machen. So wusste bis vor kurzem die Menschheit auch noch nicht, dass das Universum schon eine sehr lange Zeit der Entwicklung hinter sich hat. Zu Zeiten Karls des Großen herrschte noch die Vorstellung, die Erde sei 6000 Jahre alt und würde bald untergehen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts glaubte man, die Erde sei zwischen 3 Millionen und 2,4 Milliarden Jahre alt. Sogar noch 1910 gab es Schätzungen, wonach die Erde lediglich 55 Millionen Jahre alt war.
Erst im Laufe des 20. Jahrhundert erkannte die Wissenschaft, dass das Universum seit dem Urknall 13,82 Milliarden Jahre, unsere Milchstraße seit 10 Milliarden Jahre und unsere Erde immerhin seit 4,6 Milliarden Jahre existieren und nachgewiesenermaßen eine ziemlich lange Entwicklung durchgemacht haben. Und dennoch glauben die Kreationisten in den USA immer noch, dass die Erde erst seit 10 000 Jahren besteht.
Noch in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts war die Ansicht verbreitet, dass die Lebewesen außer dem Menschen keine Intelligenz besaßen. Was bei Tieren als Zeichen von Intelligenz beobachtet wurde, wurde gerne als Instinkt abgetan.
Der Glaube daran, dass der Mensch über der Natur steht und es nur um den Sinn seiner Existenz geht, wurde in der abendländischen Kultur durch die christliche Religion bestärkt. 2000 Jahre lang wurde den Gläubigen eingetrichtert, der Mensch sei die Krone der Schöpfung, das Maß aller Dinge (macht Euch die Erde untertan!). Vor allem hielt uns die christliche Schöpfungsgeschichte vom logischen Denken ab. Danach soll die existierende Welt in sieben Tagen geschaffen worden sein. Auch der Mensch, so wie er heute gebaut ist, sei von Gott schon so geschaffen worden. Während im alten Griechenland noch die berühmten Ärzte Herophilos (330-255 v. Chr.) und Erasistratos (305-250 v. Ch.) frei von religiösen Beschränkungen...