Schweitzer Fachinformationen
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Die Umstände führten dazu, dass sie erst am späten Nachmittag nach Berlin aufbrechen konnten.
Auf der Fahrt begann es zwischendurch einmal wieder zu regnen; die Luft war zwar warm, doch graue Wolken verhängten den Himmel und ließen die Sonne nur ab und zu durchblitzen. Kurz vor Berlin dämmerte es schon und als sie Kreuzberg erreichten, war es dunkel.
Die bescheidenen Leuchtreklamen der kleinen Läden, Kneipen und Restaurants reihten sich dicht an dicht und wirkten in ihrer Unaufdringlichkeit wie freundliche Glühwürmchen, kuschelige Stimmung versprechend.
Um diese Zeit würden die Straßen und Gassen ihrer Heimatstadt bereits ihre Nachtgewänder übergestreift haben, Licht für Licht würde erlöschen und eine biedere Ruhe würde einkehren, in zufriedener Selbstgefälligkeit, ging es Katharina durch den Kopf.
Als sie die Wohnung betraten, hörten sie Gundel und Andy in der Küche miteinander reden. Sie traten ein. Katharina ging auf sie zu und begrüßte sie. Andy konnte seine Verblüffung nicht verbergen.
"Was für ein Wesen hast du uns hier mitgebracht, Norbert? Könnte es sich um Katharina handeln?"
"Frag sie selber. Die Dreadlocks sind inzwischen abgemeldet, wie ihr seht. Und dann haben wir noch eine Vereinbarung geschlossen, was das Weingut anbetrifft. Es wird alles so ähnlich laufen, wie ich mit Gundel und dir besprochen habe."
"Hoffentlich", ergänzte Katharina. "Die Familie Bachner wird den größten Anteil behalten. Und von euch will ich hoffen, dass ihr mit euren Anteilen vernünftig umgeht."
"Kommt darauf an, wie sich die Weinvermarktung entwickelt", grinste Norbert. "Läuft sie, haben wir ein gutes Geschäft gemacht. Läuft sie nicht, können wir sie ohnehin nicht verkaufen. Dann sind sie nämlich nichts wert." Gundel stand auf.
"Wenn ihr ausgepackt habt, sollten wir noch ausgehen und unseren Geschäftsabschluss feiern. Mir ist danach zumute."
"Der Abschluss ist noch nicht komplett. Aber feiern können wir schon", stimmte ihr Norbert zu.
Eine Stunde später machten sie sich auf. Ganz in der Nähe der U-Bahnstation Schlesisches Tor fanden sie ein vietnamesisches Restaurant, von dem Andy schwärmte, es verwende nur knackfrische Zutaten. Sie konnten draußen sitzen, das Restaurant hatte eine Markise und ein paar Schirme aufgespannt; das Drippeln kurzer Regenschauer störte sie nicht, während sie aßen und Norbert Katharina den Gebrauch von Essstäbchen erklärte. Gundel hatte ihren unternehmungslustigen Tag, fühlte sich nach dem Essen noch munter, und so gingen sie hinüber ins "Schlesische Eck".
Es war brechend voll, wie meistens, und der penetrante Rauch- und Schnapsgeruch ließ sie heimatliche Gefühle des Erkennens empfinden, so auch Katharina, wie Norbert mit einem Nebenblick auf sie erstaunt feststellte.
Milla war an diesem Abend nicht da, doch sie trafen Till, den Künstler, mit seiner Freundin Sandy und Rocker-Dave, den motorradfahrenden Antiquitätenhändler. Till trug eine leuchtend grüne Hose mit einem orangefarbenen T-Shirt und Sandy einen sündig kurzen Minirock, der ihre ansehnliche Kehrseite noch mehr als sonst betonte.
"Na, Till?" Till schien bestens gelaunt, als Norbert ihn ansprach.
"Nächste Woche große Vernissage bei mir", eröffnete Till. "Ich gehe davon aus, dass ihr kommt."
"Ich komme auf jeden Fall", ließ Dave vernehmen.
Ein Seitenblick auf Norbert veranlasste Till mit ironisch hochgezogenen Brauen zu einer kurzen Bemerkung.
"Zu essen und zu trinken gibt es auch, leider nichts aus eurem Feinkosttempel. Das ist mir armen Künstler zu teuer, also müsst ihr mit Schnittchen vorliebnehmen."
Norbert verharrte in einem Moment der Nachdenklichkeit.
Klar, die Produkte aus dem Laden konnten sie sich selbst nicht ständig leisten. Ein plötzlicher Gedanke kam ihm, wie ein Blitz.
"Was bringen denn deine Gäste an Geschenken mit?"
"Meist Blumen, wie immer. Das Zeugs lässt dann schon am nächsten Tag die Köpfe hängen, weil wir nachher zu faul und besoffen sind, es ins Wasser zu stellen. Außerdem hab ich in meinem Atelier keine Blumenvasen." Dave widersprach.
"Als geschichtlich denkender Mensch werde ich dir etwas aus dem Fundus meines Ladens zukommen lassen. Das, mit dem ich handele, verdirbt nicht, jedenfalls nicht so schnell." Till bekam einen Lachanfall.
"Am liebsten eine Zeichnung von Dürer!", rief er, so laut, dass sich ein Teil seiner Umgebung umdrehte. "Wenn ich die verkaufe, kann ich bis zum Lebensende hier in Kreuzberg machen, was ich will!"
"Na ja", sagte Norbert, "was die Getränke anbelangt, können wir dich entlasten. Wir bringen als Geschenk den kompletten Wein für deine Vernissage mit." Till war gerührt.
"Lass dich von Sandy umarmen, Norbert!" Sie schlängelte sich an ihn heran und gab ihm einen feuchten Kuss auf die Wange.
Während dieser Unterhaltung waren Gundel, Katharina und Andy sprachlos geblieben, eine Sprachlosigkeit, die sich auflöste, als Till eine Runde "Braunen" mit Bier für sie bestellte. Es wurde an diesem Abend nicht so grenzenlos wie sonst, und als sie nachher zusammen am Küchentisch saßen, fragte Andy:
"Und an welchen Wein hattest du gedacht?"
"Natürlich an den 2009er Silvaner, den Katharinas Mutter gerade abfüllt! Der Wein ist Spitzenklasse und Tills Vernissage ist ein Stück Werbung für uns. Zu seinen Events kommen meistens über hundertfünfzig Berliner, die totale Mischung aus Chaos, Kunstkennern, Verrückten und Reichen, die meisten wohnen in Kreuzberg. Und was die Reichen betrifft, unsere Zielgruppe: manchen siehst du den Reichtum an und andere unterschätzt du, weil sie undercover herumlaufen, die Belegschaft der Kreuzberger Penthäuser ist ebenso von Multikulti und Diversität geprägt wie Kreuzberg selbst. Sei es, wie es sei: diese Gelegenheit ist ein Highlight für uns, unseren Wein zu vermarkten! Und 50 Flaschen von dem Wein machen uns auch nicht ärmer."
"48 oder 54", korrigierte Katharina. "Wir verpacken in 6er Kartons."
"Na dann eben so. Wenn wir morgen die Spedition anrufen und deine Mutter verpackt die Flaschen, ist der Wein in drei Tagen da. Sie soll ihn unetikettiert verpacken, wir machen Etiketten mit dem neuen Design und kleben sie drauf. Ist eine halbe Stunde Arbeit, wenn wir es zu dritt machen."
"Aber wir haben keine Etiketten!"
"Werden in der Druckerei bestellt, übermorgen haben wir sie." Manchmal war es so, dass Norbert die Umständlichkeit seiner Mitbewohner nervte. Nicht immer, in anderen Dingen waren sie nicht so umständlich.
In den nächsten Tagen gab es viel zu tun. Norbert schloss schriftlich mit Katharina die von ihm vorbereiteten Verträge für die neue Gesellschaft "Weingut Bachner, Iphofen GbR" ab. Katharina hatte die Bevollmächtigungserklärungen ihrer Mutter und ihrer Schwester bereits eingeholt und mitgebracht und Norbert war in seiner Funktion als Geschäftsführer der "Feinkost Renner GbR" vertretungsberechtigt.
Die Etiketten für die Flaschen kamen früher als der Wein, und als die Kartons eintrafen, machten sie sich einen vergnügten Abend daraus, sie auf die Flaschen zu kleben. Adelheid Bachner hatte 60 Flaschen geschickt, und ein Karton wurde bis Mitternacht leer; Gundel und Andy waren voll des Lobes über die Qualität des Weines. Als sie spät zu Bett gingen, verschwand Norbert in seinem Schlafzimmer und Katharina im Fremdenzimmer.
Bevor sie einschlief, befiel sie Unmut. Sie hätte nichts dagegen gehabt, wenn sie zusammen in sein Zimmer gegangen wären, doch mal abgesehen von dem kurzen Ereignis in der Hütte am Echterberg hatte er in der letzten Zeit keinen Versuch mehr unternommen, sich an sie heranzumachen, und ständig Signale an ihn zu senden, war ihr zu blöd. Aber geschlafen hatte sie vor einem Dreivierteljahr gerade hier mit ihm, und das ausgerechnet, als sie noch ihre Dreadlocks hatte, die er überhaupt nicht mochte! War was verkehrt an ihr? Sie schaute in den Spiegel, war doch alles o.k.
Die Kreuzberger sind doch alle verrückt.
Das Atelier von Till grenzte an die Köpenicker Straße und befand sich in einem alten, aus roten Ziegeln erbauten Fabrikgebäude, nicht weit von der Spree entfernt. Ursprünglich hatte zu ihm ein Anleger gehört, von dem aus Schiffe die hier gefertigten Produkte aufnahmen. Jetzt stand es größtenteils leer und der Verfall begann einzusetzen, die ehemalige Lage dicht an den Grenzbefestigungen hatte ihm wohl zugesetzt. Auf dem ehemaligen Fabrikhof war das Pflaster teilweise aufgebrochen und Löwenzahn und Disteln steckten ihre Köpfe hindurch. Alte Schrottautos, Reifen und Karosserieteile standen herum und eine Reihe rostiger Kanister warf die Frage auf, wer für die Entsorgung zuständig sei.
Obwohl sie das Atelier in fünf Minuten...
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