Schweitzer Fachinformationen
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»Sehr gut ausgeblutetes Tier brühen, Borsten abkratzen, ausnehmen, sehr gut waschen, dabei besonders auf Ohren und Rüssel achten, Augen entfernen [.]«
Spanferkel gebraten
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Josepha Regenfuß war eine gottesfürchtige Frau. Schon immer gewesen, nicht erst seit dem Tod ihres Hubertus vor inzwischen neun Jahren. Da hatte Gott ihn zu sich geholt eines Nachts. Hubert hatte sich urplötzlich aufgerichtet, hatte sich an den Hals gefasst, an die Brust, auf den Bauch, hatte gehustet, dass es einen grausen konnte, dann geröchelt und plötzlich Blut gespuckt, einen Schwall nach dem anderen. Dann war er in sich zusammengesunken. Blutsturz hatte der Doktor gesagt, als er nach über drei Stunden endlich kam. Früh um vier und mit einer Fahne - na ja, die Männer sind überall gleich. Dann hatte er sich noch einen Schnaps geben lassen, einen doppelten wie immer, den guten Birn vom Langguth, ihr ein wenig zu lange die Hand gedrückt, ihr glasig in die Augen gesehen, war an der Türschwelle noch über den alten Flickenteppich gestolpert, der dort schon seit Jahren Falten warf, es hätte ihn fast der Länge nach hingehauen, und schließlich war er weggefahren. Nur den Totenschein hatte er noch auf den Tisch gelegt.
86 Jahre war Josepha jetzt, da ging schon alles ein bisschen schwerer. Mühsamer halt, das Alter. Eine riesige Sauerei war das damals gewesen mit dem Hubertus. Sie hatte das Bett frisch bezogen, das alte Bettzeug gleich eingeweicht und es nachher doch wegwerfen müssen, denn das Blut ging nicht mehr heraus. Sie hatte den Boden gewischt, Hubertus von oben bis unten gewaschen, da war er sogar noch ein bisschen warm gewesen, hatte ihm sein gutes Hemd übergezogen, ihn in seinen Sonntagsanzug gesteckt, die Krawatte, die Gott sei Dank immer gebunden war, umgehängt, seine Schuhe noch mal geputzt, bevor sie sie ihm anzog, und ihm schließlich seine Hände auf dem Bauch gefaltet, so wie sie es immer gesehen hatte. Löchrige Socken hatte er in seinen Schuhen, dafür hatte sie sich einen Moment geschämt. Aber die guten wollte sie nicht mit ihm begraben lassen, die konnte sie ja noch tragen, und die Löcher sah ja keiner, dachte sie sich, er hat ja die Schuhe drüber, und ausziehen tut ihm die keiner mehr. Außerdem würde den Sarg eh niemand mehr aufmachen, wenn der Hubertus erst einmal drin lag und der Deckel zu war. Dann hatte er auf dem Bett gelegen, längs ausgestreckt, das Gesicht zur Decke, ganz friedlich und als ob er überhaupt nie jemandem etwas zuleide getan hätte, der alte Sack, auch ihr nicht, und draußen hatten sich die Vögel lauthals in den frühen Morgen gesungen, dass es eine wahre Freude war. So schön! Josepha hatte sich gewundert, dass sie nicht traurig war, ganz im Gegenteil, sie fühlte sich leicht und befreit, fast beschwingt. Mit 77 damals. Das wär's dann also gewesen mit meinem Hubertus, hatte sie nur gedacht, hatte auf dem Stuhl neben seinem Bett gesessen und ihn betrachtet. Wie komisch doch das Leben ist, selbst wenn es dann endlich vorbei ist, wie friedvoll der Tod. Und wie verlogen, wenn man sich's recht überlegt, denn auch das größte Schwein strahlt plötzlich Friedlichkeit aus. Liegt einfach so harmlos und wehrlos da. Doch so ein großes Schwein war er dann doch nicht gewesen, ihr Hubertus.
»Gott liebt mich«, hatte sie dann gedacht, »denn er lässt mich nicht traurig sein«, und hatte ein langes Dankgebet gesprochen.
Zur Beerdigung waren dann alle gekommen, das ganze Dorf. Beim Heid waren sie gewesen, da hatten sogar noch ein paar geweint, vor allem die alten Frauen. Damit man weiß, dass man ihn gekannt hatte und er einer der Ihren gewesen war. Dann aber, nach dem Schweinebraten, der Pfarrer hatte seine drei Bier schon getrunken und war längst wieder gegangen, hatte der Hinterers Loisl die Quetsche rausgeholt, so wie er es immer tat, der Ludgers Hansi hatte die Klampfe gestimmt, die beim Heid, seit sie denken konnte, hinten an der Wand hing, und dann hatten sie erst ein paar traurige Lieder gespielt, das gehörte dazu. Nehmt Abschied, Brüder, ungewiss, danach Ich seh' den weißen Wolken nach und so, auch etwas Christliches, Jesus, meine Zuversicht, dann aber hatten alle endlich genug getrunken, man fing an, richtig zu singen, und am Ende hatten fast alle getanzt, so wie es sich gehörte. Ja, das war eine schöne Leich' gewesen beim Hubertus, so etwas gab es heute gar nicht mehr. Das hätte ihm sicher gefallen. Und gerauft hatten auch wieder ein paar zum Schluss, immer dieselben, der Manes Fredl und Maurers Ferdl, die mussten immer raufen, das gehörte einfach dazu. Kein Mensch wusste, warum sie das jedes Mal taten, aber man wartete fast schon darauf. Das war dann auch immer das Ende der Feiern, und die Leute gingen heim, sangen noch auf der Straße, nur der Manes Fredl und der Maurers Ferdl standen dann immer noch zusammen und tranken Schnaps, bis einer nicht mehr konnte oder der Wirt sie rausschmiss. Dann brachte der eine den anderen heim, und am nächsten Tag war wieder alles gut. So wie vorher. Jetzt aber waren die auch schon alle tot, und Josepha kümmerte sich um den Grabschmuck. Machte ja sonst keiner. Ohne sie wäre der Friedhof wahrscheinlich schon ganz überwuchert, denn um die Toten kümmerte man sich ja immer weniger, nur um das Erbe, wenn es da etwas zu holen gab. Von der Gemeinde hatte sie schon eine Urkunde bekommen dafür, als sie 80 wurde. Weil sie den Friedhof machte. Da war extra der Bürgermeister bei ihr, zusammen mit Pfarrer Hinz, und sie hatte Kuchen gebacken und Kaffee gekocht. Es mussten aber beide ganz schnell wieder weg, sie hatten Termine. Das war dann doch etwas schade gewesen. Aber immerhin waren sie dageblieben, bis der Fotograf gekommen war, und am nächsten Tag waren sie dann alle drei in der Zeitung. In ihrem Wohnzimmer. Das hatte sie sehr gefreut, auch wenn es ein bisschen komisch war, so im Mittelpunkt zu stehen beziehungsweise zu sitzen, denn sie hatte gesessen und der Bürgermeister und der Pfarrer hatten gestanden - also jetzt keine Untat oder Sünde oder so, sie waren halt einfach stehen geblieben, sie mussten ja auch gleich wieder weg, wie gesagt. Trotzdem: Den Artikel hatte sie sich ausgeschnitten, der hing jetzt an der Wand und war schon ganz gelb. Das ging ja so schnell, dass das Zeug vergilbte.
Ihr Hubertus hatte dann auch ein schönes Grab bekommen, gleich drüben an der Mauer, wo jetzt der Efeu wächst. Der war damals, als sie ihn begraben hatten, noch nicht da gewesen. Josepha wusste auch nicht, wer ihn angepflanzt hatte, aber er gefiel ihr. So war es auch im Winter immer ein bisschen grün.
Jetzt muss ich aber langsam mal los, dachte sie, es ist ja schon Mittag, und bis zur Kapelle brauche ich meine Zeit. Gut, dass es nicht mehr August ist, sondern schon Oktober, da wird es nimmer so heiß. Auf dem Weg hinüber ist ja nur wenig Schatten, und das strengt schon an. Früher hat mir die Hitze ja nichts ausgemacht, da konnte ich auch auf dem Acker sein und arbeiten, wenn die Sonne am Mittag ganz hoch stand, aber jetzt wird mir da manchmal schwindelig, und einmal hat es mich schon hingehauen draußen, erst im letzten Jahr. Da war ich drüben bei der Resl und habe mit der das Sofa rausgetragen, dass sie es ausklopfen kann, da war es heiß, und erst war mir so komisch schummerig, dass ich gedacht hab, was ist denn jetzt, und dann war ich auf einmal weg. Blaue Flecken habe ich dann gehabt, ganz große, das hat lange gedauert, bis die wieder weg waren, aber sonst war nichts passiert. Die Resl war ja da, die hat gleich den Doktor geholt. Wie der dann gekommen ist, später, da war ich schon wieder auf den Beinen, und wir haben zusammen einen Schnaps getrunken, jeder einen, nur der Doktor seinen großen. So wie immer.
Josepha Regenfuß packte ihren Besen, stopfte einen Lappen und ihren Staubwedel in den Eimer, die Blumen dazu, die sie beim Wimmelbacher kaufte, der einmal in der Woche mit seinem Wagen vorbeikam und der immer alles hatte, na ja, fast alles, man musste sich schon einschränken, im Sommer holte sie die Blumen ja immer aus dem Garten . wo hatte sie angefangen zu erzählen, also zu denken, so für sich? Ist wurscht, es hört ja eh keiner zu. Sie machte sich auf den Weg. Den Besen nahm sie als Stock, um sich darauf zu stützen, denn ein Stock kam nicht infrage, und so war das Gehen doch leichter, es war ja auch ein ganzes Stück Weg. Sie ging gleich hinten raus, an den letzten Häusern vorbei, auf der Straße im Dorf war heute tagsüber sowieso niemand mehr, mit dem man hätte ein Schwätzchen halten können. Die paar Kinder wurden jetzt mit dem Schulbus abgeholt und kamen erst am Nachmittag wieder, die Erwachsenen waren alle in der Stadt zum Arbeiten, und die Alten, für die die Jungen keine Zeit mehr hatten, hatten sie alle ins Altersheim gesteckt. Nur der Riemeisls Hans, der letzte Bauer im Dorf, fuhr noch manchmal vorbei mit seinem großen Bulldog, dass die Fensterscheiben klirrten. Die anderen hatten ihre Höfe alle schon aufgegeben, das brachte ja nichts mehr. Und die Willa, die Rudls Wilhelma, hatte ihren Laden schon vor Jahren zugemacht, da haben die Leute zuletzt nur noch gekauft, wenn sie etwas vergessen hatten, alles andere holten sie mit dem Auto in den Supermärkten aus der Stadt. Kofferraumladungsweise, um dann doch wieder die Hälfte wegzuschmeißen.
»Douderfoh konnsd doch nemmer lehm vo dem bisserla«, hatte die Willa gesagt und ihren Laden eines Tages einfach zugesperrt. »Sollsd immer alles dohohm, aber dann kummd kahner und kahfds, blohs wenns was vergessn ham, massdns nadürli nachds, do holns di dann raus, ohmds und am Wochnend, da kenner die niggs und machn auf freindli und Nachberschafd. Naa, do hobbi ka Lusd mehr drauf. Leggd mi doch alle am...
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