Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Die großen Terrassentüren meines Schlafzimmers waren weit geöffnet. Im lauen Wind blähten sich die bodenlangen weißen Gardinen. Es war ein heißer Tag in Los Angeles. Die Geräusche des Rasensprengers, gemischt mit dem Rascheln der Blätter, drangen leise durch die offenen Flügeltüren zu uns herauf.
Ich saß an meinem Schminktisch, auf einem mit weißem Leder bezogenen bequemen Drehhocker, betrachtete selbstkritisch mein Spiegelbild und war mir nicht sicher, ob ich mit dem, was ich sah, wirklich zufrieden war. Um ehrlich zu sein, hatte ich mir von meiner optischen Verwandlung ein bisschen mehr versprochen.
Amanda baute sich mit verschränkten Armen hinter mir auf. Unsere Blicke begegneten sich im Spiegel.
»Okay, was stört dich an deinem Aussehen?«, fragte meine beste Freundin, die nebenbei auch meine Stylistin war, während sie mit einer ihrer Schuhspitzen ungeduldig auf meinen weißen Parkettboden tippte.
Ich war eine absolute Perfektionistin und das wusste Amanda. Das musste ich sogar sein. Sonst hätte ich es nämlich nie dahin geschafft, wo ich heute war.
»Ich finde, ich sehe noch zu sehr wie Samantha Davenport, die berühmte Schauspielerin, aus. Oder was meinst du?«, antwortete ich wahrheitsgemäß und berührte dabei nachdenklich eine Strähne meiner braunen Haare, die in langen Wellen über meine Schultern fielen. Und genau darin lag das Problem. Denn für die nächsten drei Monate wollte ich genau diese Person nicht mehr sein.
Amanda seufzte hinter mir leise auf. »Bist du dir wirklich sicher, dass das, was du vorhast, eine gute Idee ist?«
Ich nickte. Schließlich hatte ich schon weitaus verrücktere Dinge getan. Während ich Amanda meine ganze Aufmerksamkeit schenkte, gab ich zurück: »Und ob. Um ehrlich zu sein, kann ich es gar nicht erwarten, endlich in dieses neue, aufregende Abenteuer zu starten.«
Ich grinste wie ein Honigkuchenpferd, als ich an die Herausforderungen dachte, die mich erwarteten. Bei diesem Gedanken erhob ich mich schließlich und ging zum Fenster auf der Westseite. Von hier aus hatte ich einen perfekten Blick hinaus in meinen üppig bepflanzten Garten. Seit nun fast fünf Jahren lebte ich hier, in meiner wunderschönen großen weißen Villa inmitten dieser bewachten exklusiven Wohnanlage in Los Angeles, und mein Anwesen glich einem Hochsicherheitstrakt. Niemand kam ohne das Wissen meiner Bodyguards und des Sicherheitspersonals rein oder raus. Es sei denn, ich gestattete es höchstpersönlich. Es war ein gut behütetes Leben, das ich führte. Aber es war auch ein Leben in einem Käfig. In einem goldenen zwar, aber ein Käfig blieb eben ein Käfig. Und niemand, der nicht selbst berühmt war, konnte nachvollziehen, wie es sich anfühlte, nicht einen Schritt in der Öffentlichkeit tun zu können, ohne ständig von Paparazzi verfolgt und fotografiert zu werden. Keine Restaurantbesuche ohne ein Foto in der Zeitung oder im Internet am nächsten Tag. Kein Joggen in einem öffentlichen Park, ohne abgelichtet zu werden. Nirgendwo konnte ich mich wirklich frei bewegen und deshalb fieberte ich meinem neuen Abenteuer so glühend entgegen. Denn dann würde ich all diese und noch viele weitere Dinge völlig unbehelligt tun können, und darauf freute ich mich wahnsinnig. Was mich wohl erwartete? Ich lernte gerne neue Menschen kennen und stellte mich immer wieder neuen Herausforderungen. Für mich gab es kaum etwas Schöneres.
»Was halten deine Eltern eigentlich von deiner Idee?«, wollte Amanda wissen und begann, ungeduldig in meinem großzügigen Schlafzimmer auf- und abzulaufen. Das tat sie immer, wenn sie nervös wurde. Allerdings hatte sie wenig Grund dazu, schließlich war ich diejenige, die sich auf dieses waghalsige Abenteuer einließ.
»Mom hat ihren neuesten Roman endlich fertig geschrieben und ist den ganzen Sommer über auf großer Lesungstour quer durch die Staaten, um ihn zu promoten, und Dad ist seit Wochen nur noch mit der Eröffnung seiner neuen Galerie in Washington beschäftigt.«
Meine Eltern und ich standen uns nicht besonders nahe. Im Sommer bekamen wir uns kaum zu Gesicht. Das änderte sich allerdings meist im Herbst und im Winter. Zumindest Weihnachten verbrachten wir jedes Jahr gemeinsam, in ihrem Haus in den Hamptons. Das war Tradition.
»Der Einzige, der von meiner Idee so gar nicht begeistert ist, ist übrigens Rodney«, berichtete ich Amanda weiter, woraufhin sie schmunzeln musste. Mit meinen Ideen brachte ich ihn regelmäßig an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Rodney war mein Manager, seit ich meine erste kleine Nebenrolle in einer Fernsehserie hatte.
Abermals seufzte Amanda leise auf und ließ sich dann auf den weißen Lederhocker sinken, auf dem ich vor ein paar Minuten noch gesessen hatte.
»Nun gut«, gab sie schließlich zurück. »Das, was du jetzt vorhast, ist immer noch besser, als sich wie damals für ein Vierteljahr inkognito in eine Psychiatrie einweisen zu lassen.«
Ich lachte laut auf, als ich an diese Zeit zurückdachte. »Das stimmt, diese Erfahrung war wirklich beängstigend. Aber das ist für mich nun mal der beste Weg, um mich auf eine neue Rolle vorzubereiten. Und bitte denke daran, der Film hat mir damals immerhin einen Oscar eingebracht. Also hat sich die Anstrengung gelohnt. Und ich hoffe, dass es sich dieses Mal auch auszahlen wird.«
Amandas rot geschminkte Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. »Von der Seite betrachtet, ist es wohl wirklich weniger dramatisch, Mist zu schaufeln, anstatt sich mit psychisch Kranken einsperren zu lassen.«
»Recht hast du. Und wenn mein Plan funktionieren soll, musst du mir einfach helfen. Du weißt, dass mich niemand erkennen darf. Die Leute verhalten sich seltsam, sobald sie bemerken, dass ich Samantha Davenport bin. Und dann kann ich auf dieser Ranch nicht das lernen, was ich für meine nächste Filmrolle brauche.«
Amanda nickte erneut. »Geht klar, schließlich will ich nicht dafür verantwortlich sein, dass dir eine Oscar-Nominierung durch die Lappen geht.«
Jetzt war es an mir zu lächeln. »Dann sind wir uns einig. Irgendwelche Ideen, wie ich mich optisch so verändern kann, dass es unmöglich ist, mich zu erkennen?«
Amanda legte den Kopf schief und betrachtete mich nachdenklich. »Lass mich kurz überlegen.«
Dann hellte sich ihre Miene auf und ihre Augen begannen zu leuchten. Enthusiastisch sagte sie: »Das lässt sich alles machen. Die Frage ist nur - wie weit bist du bereit zu gehen?«
Sie tippte mir mit dem Zeigefinger auf die Brust. Ich musterte meine beste Freundin eindringlich und überlegte, was sie mit diesen Worten im Sinn hatte. Bis jetzt hatte ich mich immer auf Amanda verlassen können und ich war mir sicher, dass sie mich auch diesmal nicht enttäuschen würde.
»Ich bin bereit, mich auf alles einzulassen. Also, was schwebt dir vor?«
Amanda nickte zufrieden. Sie liebte ihren Job und vor allem liebte sie die große Veränderung. Ich war es natürlich gewohnt, mich für meine Rollen immer wieder zu verwandeln, in neue Charaktere zu schlüpfen und mich auszuprobieren. Und trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass nun kribbelnde Aufregung in mir aufstieg, und genoss das Gefühl der Vorfreude in vollen Zügen.
»Wunderbar. Dann lass uns anfangen. Ich habe schon ein paar ganz tolle Ideen«, versprach Amanda und strahlte dabei übers ganze Gesicht, als sie fortfuhr: »Ein veränderter Kleidungsstil und ein bisschen mehr Make-up reichen tatsächlich nicht aus, um dich in eine andere Person zu verwandeln. Was du brauchst, sind auf jeden Fall Kontaktlinsen.« Das stimmte, es war erstaunlich, wie anders man aussah, wenn man nur die Augenfarbe wechselte. Amanda machte eine kurze Pause. »Und du brauchst definitiv einen neuen Haarschnitt mitsamt neuer Haarfarbe, versteht sich.«
»Ich soll mich von meiner langen braunen Mähne trennen?«, fragte ich erschrocken, setzte jedoch kurz darauf nachdenklich hinzu: »Für die anstehenden Dreharbeiten dürfte die Veränderung zumindest kein Problem darstellen. Soweit mir bekannt ist, werde ich eine Perücke tragen oder zumindest Extensions bekommen.«
»Das klingt super, dann steht einem Umstyling ja nichts mehr im Weg.«
Ich dachte kurz über Amandas Vorschlag nach, und stimmte dann spontan zu.
»Ich vertraue dir voll und ganz. Du hast freie Hand«, sagte ich tapfer. Obwohl mir allein beim Gedanken, etwas von meiner Haarpracht zu opfern, das Herz blutete. Aber ich wusste auch, was ich wollte. Und ich wollte mich auf meine neue Filmrolle optimal vorbereiten. Amanda stand vom Hocker auf und tauschte nun mit mir wieder den Platz.
»Bist du bereit?«, fragte sie schließlich lächelnd, als sie wieder hinter mir stand. Sie konnte es gar nicht erwarten, ihre Schere zu zücken. Ich atmete tief durch, während sich unsere Blicke abermals im Spiegel begegneten.
Ich nickte fest. »Ja, ich bin bereit«, gab ich zurück und ließ mich mit Haut und Haar auf dieses neue Abenteuer ein.
Einige Tage später, an einem frühen Samstagmorgen, startete ich in mein neues Abenteuer. Mein Reisegepäck hatte ich auf das Nötigste...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.