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Am Silvestertag traf der erste Brief von seiner Frau ein. Begierig las er die Zeilen. Es ging ihr und dem kleinen Bruno einigermaßen gut. Dank der Vermittlung des alten Deiningers hatte Magdalena einen Nebenverdienst finden können. Sie arbeitete für einen in Blaubeuren ansässigen Leinwandhändler, der ihr für Flachsspinnerei zwar nur einen kärglichen Lohn bezahlte. Aber es reichte für das Notwendigste und war besser als gar nichts. Zudem schaute Gustav Nagel immer wieder einmal nach dem Rechten, von den Deiningers brachte er bei etwa jedem zweiten Besuch etwas Geld mit. Zwar hätte ihn Magdalena einmal im Monat besuchen dürfen. Aber sie sah keine Möglichkeit, wie sie nach Asperg hätte kommen können. Peter grämte sich sehr beim Lesen dieser Zeilen. Gleichzeitig beruhigte es ihn aber, dass seine Familie unterstützt wurde und keine Not leiden musste. Nachdem er Magdalenas Brief mehrfach durchgelesen hatte, bat er den Wärter um Schreibzeug. Mit dem Abendessen wurden ihm die Utensilien tatsächlich ausgehändigt. Bevor es richtig dunkel wurde, begann Peter seinen Brief an Magdalena.
Liebste Magda! Mein Engel!
Dass ich mich nicht einmal am Ende der Gerichtsverhandlung von dir habe verabschieden können, tut mir bis heute noch weh. Unaufhörlich sind meine Gedanken bei dir und unserem Bruno.
Wenigstens fühle ich mich gesund. Im Gegensatz zu meinem Zellengenossen. Er ist ein Studierter, ein Philosoph, der vor Jahren seinen Doktor an der Universität Tübingen gemacht hat. Obschon er ein weit schlimmeres Schicksal als ich hinter sich hat (schon das vierte Weihnachtsfest musste er im Zuchthaus verbringen), ist er fast jeden Tag bester Laune. Wir reden viel miteinander. Johannes, so heißt er, wird aber seit Wochen von einem Husten geplagt. In der Zwischenzeit ist es wirklich schlimm geworden, vor allem in den Nächten. Er macht sich noch lustig darüber, obwohl ich oft denke, er hustet sich die Lunge aus dem Leib. Essen gibt es zweimal am Tag. Am frühen Morgen und am späten Nachmittag. Die Mahlzeiten sind - wie du dir denken kannst - ziemlich gewöhnungsbedürftig. Sie machen jedoch einigermaßen satt. Schlimmer ist die zugige Zelle. Tagsüber dürfen wir zwar heizen. Doch ist das Holz rationiert, und wir müssen das Feuer gegen Abend ausgehen lassen. Dann wird es rasch bitterkalt. Ein paar Mal bin ich schon frierend aufgewacht. An ein Einschlafen ist dann nicht mehr zu denken gewesen. Und das alles ist natürlich Gift für Johannes. Mehrfach habe ich den Wärter um eine zusätzliche Holzration gebeten. Sie wurde jedes Mal strikt abgelehnt. Wir werden wie gemeine Verbrecher behandelt. Kein Mensch hat mit dem armen Johannes Mitleid. Vor wenigen Tagen wollte ich deshalb mit dem Gefängnisdirektor sprechen. Aber der Wärter hat mich nur ausgelacht.
Johannes ist übrigens wirklich ein intelligenter Mensch. Ich kann von ihm einiges lernen und höre ihm gern zu. Aber ich weiß beim besten Willen nicht, wie es mit ihm weitergehen soll. Sein Zustand verschlimmert sich von Tag zu Tag.
Immer noch hoffe ich inständig, dass sich meine Unschuld herausstellt. Man muss doch den zweiten Burschen finden und ihn zu einem Geständnis zwingen können. Johannes hat mir auf seine direkte Art klargemacht, dass dafür die Chancen denkbar schlecht seien. Da Steinhuber aus einer angesehenen Familie stammt, sein Vater sogar Mitglied der bürgerlichen Kollegien in München ist, wird sich jeder hüten, ihm kriminelle Machenschaften nachweisen zu wollen. Johannes hat mir viel über die Polizeimethoden in unserem Land und die Ausübung der Macht durch die herrschenden Fürsten erzählt. In Vielem wurde ich bestätigt. Johannes drückt es nur viel klüger aus als ich. Er kann immer auf irgendwelche Philosophen und große Denker verweisen, denen es um die Freiheit der Menschen und um ein besseres Leben für alle gegangen ist.
Herzallerliebste Magda!
Ich weiß nicht, ob du diesen Brief überhaupt erhältst und lesen kannst. Alle Briefe, die von draußen kommen oder nach draußen gehen, werden geprüft und unter Umständen einfach zurückbehalten. Johannes spricht dabei von einer scharfen Zensur, die es in Deutschland seit Jahren bei allen möglichen Presseerzeugnissen gibt. In der Hoffnung, dass du die Zeilen zu lesen bekommst, möchte ich dir sagen, wie sehr ich dich lieb habe. Und wie sehr ich dich und Bruno vermisse! Mache dir um mich keine Sorgen. Ich werde das alles schon durchstehen. Einmal im Monat darf ich dir schreiben. Es wird also wieder einige Zeit dauern, bis du wieder etwas von mir hören wirst. Gib du nur gut auf Bruno Acht.
In Gedanken umarme und küsse ich dich!
Dein Peter
Peter sprach viel mit Johannes über Philosophie. Johannes war selbst sehr froh darüber, hatte er doch jemanden, der ihm zuhörte und mit dem er diskutieren konnte. Als die letzte Januarwoche des Jahres 1845 anbrach, verschlimmerte sich jedoch sein kränklicher Zustand alarmierend. Er bekam hohes Fieber, fantasierte und erkannte zeitweilig nicht einmal mehr Peter. Wieder und wieder bat Peter die Wärter um Hilfe, die aber nicht helfen wollten. So gut es ging, versuchte er Johannes zu helfen. Doch zwischenzeitlich fürchtete er um dessen Leben. Johannes nahm keine Nahrung mehr zu sich. Seine Hustenanfälle nahmen gravierende Ausmaße an. Er spuckte Blut, verlor immer wieder das Bewusstsein und zitterte oft stundenlang am ganzen Körper. Als endlich ein Arzt zur Untersuchung kam, war es fast schon zu spät.
»Eigentlich müsste der Mann sofort in ein Lazarett. Er würde allerdings den Transport nicht überleben. Allem Anschein nach liegen eine beidseitige Lungenentzündung und eine Rippenfellentzündung vor«, stellte der Mediziner in Gegenwart von Peter und zweier Gefängniswärter fest. Peter blickte sie anklagend an, doch hielt er sich zurück, weil er fürchtete, die Wärter könnten sich noch zusätzliche Schikanen für ihn und seinen Leidensgenossen ausdenken.
»Ich muss es dem Direktor melden. Der Mann bekommt ab sofort eine besondere Verpflegung und zusätzliche Decken. Auch wird die Zelle von Stund an Tag und Nacht beheizt. Zunächst ist es wichtig, dass er es immer warm hat und man ihm Brust und Rücken mit einer lindernden Salbe einreibt. Dann muss er nach Möglichkeit immer wieder Tee trinken. Auch wenn er ihn wieder ausspuckt oder erst gar nicht aufnehmen will: Du achtest darauf, dass er den Tee schluckt!«
Das sagte der Arzt unmittelbar zu Peter. Dann wandte er sich zornig an die Wärter. »Wehe, es geschieht nicht so, wie ich es angeordnet habe. Falls der Gefangene stirbt, mache ich euch verantwortlich. Und was euch dann blüht, könnt ihr euch selbst ausrechnen.« Er instruierte die Wärter noch im Einzelnen, gab detaillierte Anweisungen und verließ dann grußlos die Zelle.
Keine Viertelstunde später wurden die vom Arzt verordneten Mittel und Utensilien gebracht. Peter bemühte sich sofort um die Linderung der Leiden seines Freundes. Mit altem Stoff dichtete er die Ritzen am Fenster ab. So konnte die eiskalte Winterluft nicht weiter ungehindert in den Raum dringen. In der Zwischenzeit kochte in einem Kessel auf dem Herd das Wasser. Er brühte einen Tee auf, anschließend tauchte er zwei Tücher in das heiße Wasser. Sie sollten als Wadenwickel dienen, die das Fieber senken würden. Er wrang sie aus und umwickelte Johannes Beine mit den heißen und feuchten Tüchern. Dann legte er trockene Tücher darüber, deckte den Freund bis zum Bauch zu, öffnete sein Hemd und rieb ihm Brust und Rücken mit der scharf riechenden Salbe ein. Ein Wärter brachte kurz darauf Kräuterwickel, die dem Schwerkranken ebenfalls auf Brust und Rücken gelegt wurden.
Johannes schwitzte jetzt gewaltig. Schweißperlen liefen über sein gerötetes Gesicht. Er fantasierte wieder. Undeutlich konnte Peter seinen gestammelten und verzerrten Worten eine Art politische Rede entnehmen. Der Kranke fuchtelte dabei immer wieder wild mit den Armen in der Luft herum. Auch seine Beine zuckten heftig. Mit einem Mal lag er aber plötzlich ruhig und still. Peter versuchte nun, ihm den Tee einzuflößen. Es war ein äußerst schwieriges Unterfangen, weil Johannes nicht schlucken wollte. Peter versuchte es immer und immer wieder. Er ließ sich auch nach etlichen Fehlversuchen nicht entmutigen. Die ganze Nacht wachte er am Bett des Freundes, bei dem es um Leben oder Tod ging. Die schlimme Nacht zog sich unendlich in die Länge. Peter kam es vor, als wollte sie kein Ende finden. Als er die Morgendämmerung wahrnahm, betrachtete er voller Sorge den kranken und zermürbten Körper seines Freundes. Johannes hatte eingenässt. Peter bemerkte es und säuberte Johannes mit warmem Wasser. Etwas später kam der Wärter. Peter verlangte nach einer neuen, sauberen Strohmatte und einem frischen Leinenkittel. Diesmal wurden die Sachen rasch gebracht. So konnte er für Johannes wieder ein sauberes Bett herrichten und dem Geplagten frische Kleidung anziehen. Das Fieber war zwar nur geringfügig zurückgegangen, doch immerhin nahm Johannes bereitwillig den Tee zu sich. Auch der Arzt besuchte den Kranken bereits am frühen Morgen wieder. Er untersuchte ihn sorgfältig, gab verschiedene Anweisungen an Peter und den Wärter. Er fuhr den Gefängniswärter ungeduldig an, als dieser die erbetenen Wadenwickel nicht augenblicklich besorgen ging. Mit Peters Pflege sichtlich zufrieden, verließ er die Zelle wieder und versprach einen weiteren Besuch für den Abend.
Peter kümmerte sich aufopferungsvoll um Johannes. Der üble Zustand hielt noch weitere Tage an. Peter konnte nur wenig Schlaf finden. Ständig wechselte er die Wadenwickel, die das Fieber...
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