Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Meine Reise
"Man braucht im Leben nichts zu fürchten, man muss es nur verstehen. Jetzt ist es an der Zeit, mehr zu verstehen, damit wir weniger fürchten müssen."
Marie Curie1
Dieses Buch ist eine Einladung. Eine Einladung zum Widerstand und zur Furchtlosigkeit. Eine Einladung zum Verstehen, zu mehr digitaler Achtsamkeit und Selbstfürsorge. Dieses Buch ist meine Art, mich zu wehren, mein Rückzug ins Private auf die wohl öffentlichste Weise, die mir einfällt. Und ich lade Sie herzlich ein, mir ins Private zu folgen und gemeinsam Widerstand zu leisten: gegen die Neugier großer Technologieunternehmen, Behörden und Krimineller.
Mein Widerstand geschieht nicht auf Grundlage umfassender technischer Kenntnisse oder Zugang zu streng geheimen Informationen. Denn ich bin vor allem eins: eine Anwenderin wie Sie. Bis vor Kurzem habe ich als Medienpädagogin noch aufgeregt die neuesten Apps auf dem Markt ausprobiert, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was da eigentlich genau mit meinen Daten passiert. Doch dann hatte ich meine persönliche Offenbarung: Auf einem Fachtag zu sozialer Arbeit im Internet bin ich durch eine Verstrickung glücklicher Umstände bei einem Vortrag des Journalisten Stefan Mey gelandet. In jenen Stunden lernte ich zwar nichts über soziale Arbeit im Internet, jedoch allerhand über das Darknet, die Bedeutung von Verschlüsselung und die gesellschaftlichen Auswirkungen von behördlicher und kommerzieller Überwachung. Plötzlich wurde ich mir bewusst, welche Datenspuren ich selbst hinterlasse.
Seit jenem Tag habe ich ständig dazugelernt, und dieser Prozess wird auch niemals abgeschlossen sein, dafür entwickeln sich die Technologien zu schnell - und mit ihnen die gesetzlichen Regulationsmaßnahmen. Doch dieser Vortrag brachte mich auf einen Weg der digitalen Selbstbestimmung, und dafür bin ich Stefan sehr dankbar.
Nun, drei Jahre später, gebe ich selbst Workshops zu diesem Thema, spreche auf Konferenzen und stecke Menschen beruflich wie privat mit meiner Begeisterung für den Widerstand an. Nun bin ich jemandes "Stefan", und vielleicht sind Sie später jemandes "Luise" und so weiter. So funktionieren nämlich gesellschaftliche Bewegungen, und die wird es brauchen, wenn wir uns nicht bald in einer Welt wiederfinden wollen, die an George Orwells Klassiker "1984" erinnert. Krempeln Sie die Ärmel hoch, es gibt einiges zu tun! So müssen wir zuerst einmal die Information verdauen, dass die Rettung der Welt - pardon: die digitale Selbstverteidigung - überhaupt etwas mit Datenschutz zu tun hat. Ich weiß, das klingt zunächst einmal schnarchig. Aber nach dieser Lektüre werden Sie das Thema so lieb gewonnen haben, dass Sie ihm einen Welpen in die Hand drücken wollen, versprochen.
Doch zurück zum Anfang. Da Sie dieses Buch in den Händen halten, sind Sie schon Teil dieser Bewegung! Die Gemeinschaft aus Nerds und Aktivist*innen heißt Sie herzlich willkommen. Schön, dass Sie dabei sind!
Darf ich mich vielleicht zunächst kurz vorstellen? Ich bin Luise Görlach, Pädagogin, Speakerin - und während ich diese Zeilen schreibe, auch Weltreisende. Das klingt schön, besonders Letzteres. Aber besonders beim Reisen bin ich der Technik und ihren naiven Nutzenden hilflos ausgeliefert. Ein Beispiel:
Was gibt es Schöneres, als den Tag mit einer Runde Schwimmen zu beginnen? Müde reibe ich mir den Schlaf aus den Augen und schüttele mich einmal wach, dann ab in den Badeanzug und auf zum Pool. Nach drei Bahnen bekomme ich Gesellschaft, allerdings nicht im Becken, sondern daneben. Zugegeben, in dieser indonesischen Stadt gibt es nicht so viele Menschen aus Europa, aber dass die Dame aufgeregt ihre Freundin per Videocall anruft und die Kamera auf mich hält, finde ich dann doch etwas übertrieben. Also schwimme ich zur Seite, wo sich allerdings prompt ein Kind demonstrativ neben meinem irritierten Gesicht positioniert - knips, da lande ich auch schon in dessen Familiengruppe auf WhatsApp. Ich drehe mich um und blicke in die Kamera des Hotelpersonals. Nur ein schnelles Foto für unsere Webseite!
Hastig ergreife ich die Flucht, vielleicht herrscht ja im Fitnessstudio weniger Überwachungswahnsinn. Eine händische Papierliste für die Besuchenden, sehr gut. Aber Moment, warum soll ich da meine Zimmer-, Telefon- und Passnummer eintragen? Da muss ich mal im Handy schauen .
Oh, eine neue Nachricht vom Motorradverleih: "Bitte laden Sie Ihren Pass sowie ein Selfie bei Google Forms hoch." Schweißgebadet verlasse ich, ganz ohne Workout, den Fitnessraum, dabei immer verfolgt von den allsehenden Augen der Überwachungskameras. Völliger Datenkollaps, und das schon vor dem Frühstück!
Selten bin ich so auf digitale Kommunikation und öffentliche Netzwerke angewiesen wie beim Reisen. Jeder Schritt steht unter Beobachtung und wird dokumentiert, sei es in sozialen Netzwerken oder in Form von Mitschnitten von Überwachungskameras, sei es auf Smartphones oder in Clouds. Meine Identität wird inflationär per WhatsApp verschickt, und irgendwelche ominösen Dienste schnüffeln meiner Datenspur hinterher, ohne dass ich mein eigenes Gerät auch nur benutzt hätte.
Reisen wirkt wie eine Art Brennglas für jeglichen Daten-Kontrollverlust. Aber das Gefühl kennen Sie vielleicht aus Ihrem Alltag auch?
Leider helfen da Panik und Resignation nicht weiter, sondern . ja, was eigentlich? Digitale Selbstverteidigung zum Beispiel. Ganz stoisch geht es dabei nämlich darum, die Dinge zu ändern, die im eigenen Handlungsspielraum liegen. Für mich heißt das: Wenn ich die Geräte der anderen nicht kontrollieren kann, dann wenigstens meine eigenen!
Diese Art des Widerstandes ist gleichzeitig auch "radikale Selbstfürsorge" im digitalen Raum. Frei nach dem Ansatz im gleichnamigen Buch von Svenja Gräfen stelle ich mir auch bei digitalen Diensten die Frage: Is it helping or is it harming me? Bringt es mir etwas, oder schadet es mir eher?
Ich bin mir sicher, auf einige Dinge können wir gemeinschaftlich verzichten, und genau dazu lade ich Sie herzlich ein. Überlegen Sie mal, wie viel kostbare Lebenszeit Sie gewinnen würden, wenn Ihnen die folgenden Dinge erspart blieben: Pop-ups, Cookie-Banner, Werbe-Banner, Werbevideos, Benachrichtigungen völlig bedeutungsloser Apps, Mail-Spam. Schöne Vorstellung, oder? Und es wird noch besser. Manchmal vergesse ich sogar, dass diese Dinge existieren. Ich vergesse die bunte, blinkende, meine Aufmerksamkeit schreiend einfordernde Werbewelt im Internet.
Wenn ich dann gelegentlich Freund*innen oder Verwandten mit ihren technischen Geräten helfe, droht mir schon nach wenigen Sekunden der Kopf zu platzen, so viel passiert da - und vor allem so viel unsinniger Quatsch. Es fühlt sich so unglaublich laut an, selbst wenn das Handy lautlos gestellt ist. Aus psychologischer Sicht sind das einfach unfassbar viele Reize, die da auf uns einprasseln. Und da unser Gehirn - anders, als von vielen behauptet - tatsächlich nicht zwei oder sogar noch mehr Aufgaben gleichzeitig bewältigen kann, kämpfen all diese Dinge, die da parallel auf dem Bildschirm passieren, erbittert um unsere Aufmerksamkeit. Dabei gibt es eigentlich nur zwei Ziele dieser Design-Schreihälse: unser Geld oder unsere Daten, am liebsten beides.
So ist das Internet nun einmal, höre ich Sie seufzen.
Das stimmt zwar, aber so muss es nicht sein. Es gibt vieles, was wir dagegen unternehmen können, und ich möchte Sie herzlich einladen, mit mir gemeinsam dagegen vorzugehen, dass die Digitalisierung uns alle in den Wahnsinn und ins Verderben blinkt und piept. Ich werde in diesem Buch all das Wissen mit Ihnen teilen, das ich mir über die letzten Jahre in Workshops, bei Vorträgen, durch Artikel, in Büchern und bei Gesprächen angeeignet habe. Doch keine Sorge: Sie müssen nicht alles auf einmal umsetzen. Beginnen Sie gern mit dem, was Ihnen am leichtesten fällt. Die allermeisten Tipps in diesem Buch lassen sich in wenigen Klicks erledigen, also machen Sie doch beim Lesen gleich mit. Ganz in Ruhe, ein Schritt nach dem anderen. Und hierbei bedeutet jeder Schritt ein bisschen mehr Seelenfrieden und Selbstbestimmung. Das spart Ihnen nicht nur Lebenszeit, sondern auch Geld.
Woher ich das weiß? Weil ich es selbst täglich auf meinen Geräten sehe. Bei mir erscheint nichts von dem Unfug, der mir mit perfiden Mitteln das Geld aus der Tasche zu ziehen versucht. Gleichzeitig bewahre ich mir einen offenen Blick in die Welt, beispielsweise durch unverzerrte Suchergebnisse und durch soziale Medien mit einem chronologischen Feed, bei dem eben nicht für mich vorsortiert wird, welcher Beitrag meiner Freund*innen wichtig ist und welcher nicht.
Und genau darum geht es mir: Ich möchte nicht, dass Algorithmen darüber entscheiden, was ich mag und besitze, wen ich treffe und bewundere, woran ich glaube und wofür ich mich engagiere. Ich möchte auch nicht, dass sich Unternehmen, die ich gar nicht kenne, an meiner finanziellen Lage, meinem medizinischen Zustand oder dem Austausch mit meiner Familie bereichern.
Digital und selbstbestimmt gibt's schon, jetzt wird es Zeit für digital selbstbestimmt!
Allerdings muss ich Sie warnen: Nach der Lektüre dieses Buches werden Sie die Welt mit anderen Augen sehen. Viele Dienste, die wir alle ganz selbstverständlich im Alltag nutzen, sind hochgradig datengetrieben. Mit dem Versprechen, unseren Alltag zu erleichtern, sammeln Google, Facebook und Co. gierig die persönlichsten Informationen von uns und unseren Liebsten. Eigentlich wissen wir auch, dass da irgendetwas nicht stimmt, aber wir haben uns schon daran gewöhnt. Dieses Gefühl lässt sich vielleicht mit unserem...
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