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64 nach Christus - Rom brennt, lichterloh, ganze sechs Tage lang. 70 Prozent der Stadt fallen den Flammen zum Opfer, die Hälfte von Roms Bevölkerung wird obdachlos. Und Kaiser Nero? Der »fiedelt, während Rom brennt«, sagt zumindest ein bekanntes Sprichwort. Rom liegt also in Schutt und Asche - mit einem für Nero günstigen Nebeneffekt: Bauplatz wird frei.
Und so lässt der Kaiser in nur vier Jahren eines der größten und grandiosesten Bauwerke der antiken Welt erschaffen: die Domus Aurea - das Goldene Haus. Mit Marmor, Edelsteinen, künstlichem Himmel und einem riesigen Teich, auf dem sogar Schlachtschiffe segelten. Und das Tolle ist: Wir alle können diesen Palast heute besuchen - und mit einer Virtual-Reality-Brille Neros Größenwahn quasi hautnah miterleben.
Das Goldene Haus des Nero war lange nur eine Legende. Ja, es gab zwar Gerüchte. Aber jahrhundertelang blieb der sagenumwobene Kaiserpalast verschollen. Bis zu diesem Nachmittag, irgendwann im Jahr 1480. Ein junger Römer ist auf dem Oppius-Hügel im Zentrum Roms unterwegs, als er urplötzlich im Boden verschwindet. Einfach so. Durch eine Felsspalte fällt er in etwas, was zunächst wie eine kleine, versteckte Höhle aussieht - aber was ist das? Immer noch zitternd vor Schreck versucht sich der junge Mann zu orientieren. Sind das etwa Zeichnungen an der Wand? Und was zeigen diese seltsamen bunten Muster? Blumen, die sich in Tiere verwandeln, die sich wiederum in Menschen verwandeln? Wie grotesk! Davon muss er unbedingt den anderen erzählen.
Was der junge Mann damals natürlich nicht ahnen konnte: Durch die Felsspalte war er direkt in Neros Goldenes Haus gefallen. Es existierte also wirklich. Was für ein Schatz, was für eine Aufregung! Immer mehr Menschen kamen zum Oppius-Hügel, um diese einzigartige Höhle mit eigenen Augen zu sehen. Auch die gefragtesten Künstler der Zeit machten Exkursionen in die Unterwelt: Pinturicchio und Raffael. Sie ließen sich in die Höhle abseilen, um im flackernden Schein ihrer Fackeln die Wandgemälde ganz genau zu studieren - und zu kopieren. Raffael malte später sogar die Papstgemächer mit ähnlichen Ornamenten aus. Diese seltsam anmutenden Verzierungen, halb Tier, halb Mensch oder Pflanze, die wurden zu einem Genrebegriff und Stilmittel der späten Renaissance.
Was für eine faszinierende Fantasiewelt, die per Zufall in dieser Grotte wiederentdeckt wurde! Und vielleicht haben Sie es bereits geahnt: Ja, tatsächlich, unser heutiges Wort »grotesk« - und auch die Kunstform der »Groteske« - haben ihren Ursprung genau hier, in dieser »Grotte« des Nero.
Fantasievolle Ornamente: Die »Grotesken« haben ihren Namen aus dieser »Grotte« des Nero.
Aber besagte Höhle war natürlich nur ein winzig kleiner Teil der prachtvollen Domus Aurea des Kaisers. Der Palast soll sich über drei Hügel Roms und gigantische 80 Hektar erstreckt haben - eine Fläche rund 25-mal so groß wie das heutige Kolosseum. Und warum kleckern, wenn man auch klotzen kann? Schon Nero wusste offenbar, dass der erste Eindruck, den man hinterlässt, der bleibendste ist. Und so wurden die Besucher des Kaisers von einer riesenhaften, 35 Meter hohen Nero-Statue begrüßt. Sie überragte sogar eines der antiken Weltwunder, den legendären Koloss von Rhodos, um etliche Meter. Wie gigantisch der gesamte Komplex gewesen sein muss, beschreibt der römische Schriftsteller und Zeitzeuge Sueton:
In der Eingangshalle des Hauses hatte eine 120 Fuß hohe Kolossalstatue mit dem Porträt Neros Platz. Die ganze Anlage war so groß, dass sie drei Portiken von einer Meile Länge und einen künstlichen See umfasste, der fast ein Meer war, umgeben von Häusern, so groß wie Städte. Dazu kamen Villen mit Feldern, Weinbergen und Weiden, Wälder voller wilder und zahmer Tiere aller Arten. Einige Teile des Hauses waren vollständig vergoldet und mit Gemmen und Muscheln geschmückt. In den Speisesälen gab es bewegliche Decken aus Elfenbein, durch die Blumen herabgeworfen und Parfüm versprengt werden konnte. Der wichtigste von ihnen war kreisrund und bewegte sich bei Tag und bei Nacht ständig, wie der Himmel. Die Bäder wurden mit Meer- und Schwefelwasser gespeist. Als Nero nach Abschluss der Bauarbeiten das Haus einweihte, zeigte er sich sehr zufrieden und sagte, dass er jetzt endlich in einem Haus wohne, das eines Menschen würdig sei. (Sueton, Nero, 31)
Unter mangelndem Selbstbewusstsein scheint der gute Nero also nicht gelitten zu haben. Und er hatte wohl einen eher komplizierten Charakter. Kein Wunder, wenn man einen Blick auf seinen Lebenslauf wirft: Nero wurde zum Herrscher über ein Weltreich, als er gerade mal 16 Jahre alt war - generell ja ein eher schwieriges Alter. Seine Mutter, Agrippina die Jüngere, wurde verdächtigt, seinen Stiefvater Claudius mit einem Pilzgericht vergiftet zu haben. Fünf Jahre später wiederum ließ Nero eben jene Agrippina - seine eigene Mutter - umbringen, weil er nicht in ihrem Schatten stehen wollte. Agrippina soll zu ihren Mördern gesagt haben: »Stecht mit Euren Messern genau hier rein, in meinen Bauch - dort, wo ich das Monster genährt habe.« Schwierige Familienverhältnisse also.
Sein Volk hielt Nero zu Anfang noch mit großen Festen und Spektakeln bei Laune - zum Beispiel im Jahr 59 mit der »Juvenalia«, einer Feier zum Gedenken an seine erste Bartrasur, kein Scherz. Beim Senat hingegen war Nero eher unbeliebt, weil er sich selbst als großen Sänger und Schauspieler betrachtete. Schauspieler genossen damals allerdings ungefähr das gleiche Ansehen wie Prostituierte, und so fand Roms Oberschicht, dass derartige Ambitionen eines Kaisers schlichtweg unwürdig seien. Nero schien all das aber nicht zu stören.
Im Jahr 59 ließ Nero die Juvenalia ausrichten, ein großes Fest zum Gedenken an seine erste Bartrasur.
Rom war zu jener Zeit die größte Stadt der Welt, die erste Stadt der Menschheitsgeschichte, die mehr als eine Million Einwohner hatte. Überfüllt, dreckig und gefährlich war es hier. Als Nero 26 Jahre alt war, vier Jahre vor seinem Selbstmord, entflammte dann das große Feuer. Ja, es hatte auch schon zuvor viele Feuer in der Stadt gegeben, doch keines war so verheerend gewesen wie dieses. Aber hatte Nero den Brand tatsächlich selbst gelegt, wie viele behaupteten? Machte er stattdessen die Christen - eine damals noch kleine Sekte - zu Sündenböcken, indem er ihnen die Schuld an der Feuersbrunst gab? Und zündete er daraufhin wirklich Christen an, die er vorher gekreuzigt hatte, um mit diesen »menschlichen Fackeln« seinen Garten zu beleuchten?
Ja, es gibt viele extrem verstörende Geschichten rund um Kaiser Nero, die ihn als extravaganten und ruchlosen Psychopathen schildern, der nicht nur seine eigene Mutter umbringen ließ, sondern auch seinen Stiefbruder und seine Ehefrauen. Nero, ein bizarrer Tyrann also!
Doch war er das wirklich?
Chefarchäologin Francesca Guarneri erklärt die enormen Ausmaße der Domus Aurea. Der Kaiserpalast war 25-mal so groß wie das Kolosseum.
Ich treffe mich mit Francesca Guarneri, der Chefarchäologin der Domus Aurea. »Nero war gar nicht so verrückt, wie alle immer denken«, sagt Francesca, »im Gegenteil, er war sogar ein echtes Genie, zumindest was seine Selbstvermarktung betrifft. Würde er heute leben, dann wäre er ganz bestimmt bei Facebook und Instagram vertreten. Er hat die Stadt großartig wiederaufbauen lassen, war ein leidenschaftlicher Künstler und ein cleverer Politiker, der vom Volk geliebt wurde. Und übrigens«, fährt Francesca fort, »er hat auch ziemlich beeindruckende Special Effects erfunden, Du wirst sie gleich mit eigenen Augen sehen. Komm, Stefan, lass uns mal reingehen.«
Und so nimmt mich Francesca mit in ein faszinierendes unterirdisches Labyrinth. Insgesamt 60 Räume können besichtigt werden: bis zu zwölf Meter hohe Tonnengewölbe, Korridore, riesenhafte Gänge, die sich immer wieder verzweigen. Säle, die in schwaches Licht getaucht sind und heute wie uralte, gigantische Kellerräume wirken, obwohl manche von ihnen zur Zeit Neros einen Blick in den freien Himmel erlaubten.
Für Laien ist diese gesamte Anlage tatsächlich schwer zu durchschauen. Manche Areale, durch die wir jetzt gehen, waren überdacht. In anderen Bereichen konnte man damals hingegen den Himmel sehen. Das absolut Neue an der Domus Aurea war der Einsatz von Mosaiken. Bis dato hatte man immer nur Fußböden mit ihnen dekoriert. Hier aber findet man Mosaike zum ersten Mal auch als Wand- und Deckenschmuck. Einige Räume waren mit Gold verziert. Früher dachte man, dass daher auch der Name »Goldenes Haus« herrührt. Heute vermuten wir aber, dass es eher von der Vorstellung kommt, der Kaiser sei der personifizierte Sonnengott. In manchen Zimmern gab es Springbrunnen, in anderen Pools. Und dann waren da ja auch noch die Parallelgänge für die Bediensteten, damit der Kaiser niemals ungewollt seinem Personal begegnen musste.
Du musst Dir vorstellen, all diese Räume waren quasi bis obenhin mit Schutt aufgefüllt, weil man darüber die Trajansthermen bauen wollte. Da durften natürlich keine Hohlräume...
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