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Im Winter des Jahres 1619 zog sich der junge französische Gelehrte René Descartes in die Einsamkeit eines kleinen Zimmers in Neuburg an der Donau zurück. Im flackernden Kerzenlicht begann er, seine "Meditationen" zu schreiben. Er war entschlossen, alles infrage zu stellen, was er je für wahr gehalten hatte. Sein Geist, geschärft durch Jahre des mathematischen Denkens, suchte nach einem unerschütterlichen Fundament der Erkenntnis.
Descartes' Weltbild war geprägt von der aufkommenden mechanistischen Philosophie seiner Zeit. Er sah das Universum als ein gewaltiges Uhrwerk, jedes Phänomen erklärbar durch Ursache und Wirkung, jede Bewegung vorhersagbar wie der Gang eines Zahnrads. Doch selbst diese grundlegende Annahme stellte er nun in Frage. Er zweifelte an der Verlässlichkeit seiner Sinne, sogar an der Gewissheit mathematischer Wahrheiten. In den dunklen Stunden der Nacht quälte ihn der Gedanke, all seine Überzeugungen könnten das Werk eines täuschenden Dämons sein. Doch aus den Tiefen dieses radikalen Zweifels erhob sich schließlich eine unerschütterliche Gewissheit: "Cogito, ergo sum." Ich denke, also bin ich. In diesem Moment der Erkenntnis fand Descartes den Archimedes-Punkt, von dem aus er die Welt des Wissens neu errichten konnte.
Seine "Meditationen über die Erste Philosophie" sollten zu einem Wendepunkt in der Geschichte des abendländischen Denkens werden. Sie legten den Grundstein für den kartesischen Dualismus, die strikte Trennung von Geist und Materie, die das philosophische und wissenschaftliche Denken der kommenden Jahrhunderte prägen sollte. Descartes' mechanistisches Weltbild, seine Methode des systematischen Zweifels und seine Betonung der Vernunft als Quelle der Erkenntnis läuteten eine neue Ära ein. Er stand an der Schwelle zwischen dem mittelalterlichen Denken und der modernen Wissenschaft, ein Pionier, der den Weg für die Aufklärung ebnete.
Mit seinem mechanistischen Weltbild hielt Descartes Geist und Materie auseinander. Über Umwege führte das dazu, Menschen in Organisationen nur als Werkzeuge zu sehen. Seit einigen Jahren bemerken wir endlich, wie wir alle unter dieser Entmenschlichung leiden. Doch die Situation verändert sich nur sehr schleppend, denn die meisten Management- und Organisationsmodelle hängen noch immer an Descartes. Natürlich, die Welt wäre so viel einfacher, wenn Descartes und seine Zeitgenossen Recht gehabt hätten. Es wäre alles so klar, wenn Organisationen einfach nur gigantische Uhren wären, in denen alle Teile ineinandergreifen und einem deterministischen Lauf folgen würden. Wir könnten dieses Uhrwerk zerlegen, seine Teile verstehen und tatsächlich die Zukunft vorhersagen. Planung würde zur Wirklichkeit werden.
Die Ansicht, dass auf jede Aktion eine berechenbare Reaktion folgt, hat sich in vielen Bereichen unseres Lebens festgesetzt. Sie gaukelt uns den archimedischen Punkt vor: Wenn wir nur den richtigen Hebel haben, dann können wir die Welt aus den Angeln heben und das Uhrwerk beherrschen. Doch Denker wie Nietzsche oder Adorno und die Naturwissenschaften selbst lehrten uns am Beginn des 20. Jahrhunderts, dass die Welt so ganz und gar nicht wie ein Uhrwerk funktioniert. Das Weltbild von Descartes und Newton ist nur ein Phänomen, ein Spezialfall unter den Gesetzmäßigkeiten. Es gibt keinen echten Determinismus, keine kausale Vorbestimmtheit, ganz im Gegenteil. Dank Werner Heisenberg wissen wir: Die beobachtende Person beeinflusst das, was sie beobachtet! Wer davon ausgeht, das Licht bestünde aus Teilchen, wird Teilchen finden. Wer meint, dass Licht eine Welle sei, wird feststellen, dass Licht aus Wellen unterschiedlicher Farben besteht. Und es wird noch verrückter: Wer den Ort des Teilchens bestimmt, kann nicht mehr sagen, wohin es sich bewegt, und wer weiß, welche Richtung und Geschwindigkeit es hat, findet keinen Ort mehr.
Aus diesem Basiswissen der Physik entstand später die Systemtheorie, die dem Bild der Welt als Uhrwerk schnell ein Ende bereitete. Stattdessen hängt alles mit allem zusammen: Die Teile eines Systems können ihre Bedeutung im System nur und ausschließlich durch ihr Sein im Kontext des Systems definieren. Die Relationen zwischen den Systemteilen werden in diesem Bild wichtiger als die Teile selbst und schnell wird deutlich: Hier gibt es keinen "Hebel" mehr mit dem Ziel, eine klare und eindeutig definierte Reaktion des Systems zu bekommen. Vielmehr ist es so, dass das System irgendwie auf den Hebel reagieren wird - im besten Fall so wie erwartet, aber in den meisten Fällen wird die Antwort anders ausfallen.1) Die Reaktion des Systems auf einen Impuls, eine Intervention, lässt sich lediglich erahnen.
Tatsächlich lässt sich heute mithilfe von extremer Rechenleistung der eine oder andere Zustand eines Systems für einen kurzen Zeitraum vorhersagen, aber nicht mit Bestimmtheit, sondern nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Durch zusätzliche Modellierungen lassen sich diese Vorhersagen noch verbessern, aber sie werden nie determinieren können, wie sich das System tatsächlich verhalten wird. Das beste Beispiel dafür ist die Wettervorhersage: Im Vergleich zu den 1970er-Jahren erscheint sie mittlerweile exakt, und doch ist sie nie genau.
Strategie kann in diesem Bild nicht mehr als mechanistischer Hebel verstanden werden, den man in der Organisation ansetzt und dadurch Stellschrauben verändert, die das gewünschte Ergebnis liefern werden. Systemisch betrachtet ist Strategie fluide und verändert sich ständig: Je nachdem, von wem sie beobachtet wird, wird sich die Strategie in einem anderen Licht zeigen. Da in Systemen die Beziehungen wichtiger sind als die Teile des Systems, wird die Strategie auch eher auf diese Beziehungen eingehen müssen. Strategie ist also dann wirksam, wenn sie an den Relationen arbeitet, statt an den Teilen.
Systemisches Denken geht aber noch weiter. Wenn die beobachtende Person das System bereits durch die Beobachtung selbst beeinflusst, dann ist die Beobachtung bereits eine Intervention und kann nicht mehr neutral gesehen werden. Daher muss jede Beobachtung zunächst ihr eigenes Erkenntnisinteresse aufdecken, denn dieses bestimmt bereits, wie sich das System verhalten wird.
Um es an dieser Stelle praktisch werden zu lassen: "Worauf man seine Aufmerksamkeit richtet, davon bekommt man mehr." Das ist ein Leitspruch in unserem Unternehmen, den wir aus der Veränderungsarbeit mit Appreciative Inquiry entliehen haben. Was sagt dieser Satz? Systeme, Menschen, Familien oder Organisationen liefern immer das, worauf die Aufmerksamkeit liegt. Das lässt sich hervorragend beobachten, wenn Organisationen Qualitätsprogramme starten: Plötzlich werden mehr Fehler gefunden. In einer Organisation, in der das offene Gespräch über Fehler möglich ist, werden mehr Fehler gefunden als in einer, in der das nicht "erlaubt" ist (vgl. Edmondson 2024). Das Beobachten hat die Fehler nicht erzeugt - nein, jetzt dürfen sie benannt werden und werden nicht mehr zugedeckt.
Strategie ist eine Methode, mit der eine Organisation so beeinflusst werden soll, dass sie sich in ihrem Umfeld vorteilhafter positionieren kann. Damit wird Strategie zu einer systemischen Disziplin.
Im systemischen Denken trägt die Beziehung zwischen den Teilen also die eigentliche Bedeutung. Welchen Stellenwert die einzelnen Teile haben und wie sie für das System wirken, zeigt sich nur durch die Vereinbarungen und Absprachen zwischen den Teilen.
Auf Organisationen umgelegt bedeutet das: Die Vereinbarungen zwischen den Mitgliedern einer Organisation sind entscheidender als die Mitglieder selbst. Das klingt freilich schrecklich: Die Menschen sind in einem System zwar die Ausgangs- und Endpunkte, doch für die Organisation sind lediglich die Beziehungen zwischen diesen Menschen entscheidend? Tatsächlich ist genau diese Eigenschaft wesentlich, damit eine Organisation bestehen kann: Menschen können die Organisation jederzeit verlassen, daher muss diese einen Weg finden, um die Beziehungen selbst in diesem Fall aufrecht erhalten zu können. Das geschieht durch Rollen und Positionen, die von Menschen eingenommen werden, und die "Konservierung" von Absprachen in Form von Memos, Notizen und Dokumenten.
Ein anderer Beweis für diese These findet sich in jeder Aufstellungsarbeit. Wie kann es sein, dass bei gruppendynamischen Aufstellungen jene Menschen, die einspringen und Personen gewissermaßen als Platzhalter repräsentieren, die Gefühle und Themen dieser Personen empfinden und sogar ausdrücken können? Offenbar spüren die Menschen durch die Aufstellung die Beziehung zwischen den tatsächlich handelnden Akteur:innen, und darin steckt die Information.
Das US-amerikanische, tomatenverarbeitende Unternehmen Morning Star nimmt dieses Netz aus Konversationen, das zwischen den Mitgliedern des Systems entsteht, sehr ernst. Die Zusammenarbeit der Mitarbeiter:innen wird daher von diesen selbst durch "Contracts" geregelt. Alle Funktionen der Organisation handeln ihre Arbeitsbeziehungen aus und schreiben die...
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