Schweitzer Fachinformationen
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Ich saß auf einem Heuballen, hatte die Knie ans Kinn gezogen, die Arme um die Beine geschlungen und sah zu, wie mein Halbbruder Mase ein junges Rassepferd dressierte, das ihn gerade in den Wahnsinn trieb. Es lenkte mich von meinen Grübeleien ab, und das tat gut. Ich ertappte mich sogar dabei, dass ich mich mehr darum sorgte, Mase könnte sich den Hals brechen, als um meine eigenen Probleme.
Der Abend würde noch früh genug hereinbrechen. Mein Handy würde klingeln, und dann würde meine Mailbox mit einem Signalton das Eintreffen einer weiteren Nachricht von Grant verkünden. Die Stunden darauf würde ich mit gemischten Gefühlen an die Wand starren. Ich hätte mir seine Nachrichten so gern angehört. Ich vermisste ihn. Ich vermisste seine Stimme. Vermisste sein Lächeln mit den hübschen Grübchen in den Wangen. Aber es ging nicht, selbst wenn es ihm leidtat – und daran zweifelte ich nach den vielen Telefonanrufen und den Versuchen, an der Security vorbei in Dads Haus zu gelangen, nicht mehr.
Er litt unter Verlustängsten, ganz klar. Wenn ich ihm erzählen würde, dass ich unser gemeinsames Kind unter dem Herzen trug und die Geburt möglicherweise nicht überstehen würde, dann würde er, so fürchtete ich, denselben Schritt vorschlagen wie Mase. Einen Schritt, den mir übrigens auch die Ärzte nahelegten.
Ich liebte Grant Carter über alles. Aber genauso innig liebte ich jemanden anders. Ich legte mir die Hand auf den Bauch. Noch war er flach, aber ich hatte bei der Ultraschallaufnahme schon das kleine Leben darin gesehen. Wie konnte man von mir erwarten, es abzutreiben? Ich liebte es doch schon! Genauso wie seinen oder ihren Vater. Ich hatte nie damit gerechnet, so etwas jemals erleben zu dürfen. Das war ein Traum, den ich eigentlich schon vor Langem begraben hatte.
Ich wollte dieses Kind. Ich wollte Grants Kind das Leben schenken. Ein wunderbares, ausgefülltes Leben. Ein Leben voller Liebe und Geborgenheit. Meine Großmutter war strikte Abtreibungsgegnerin gewesen, und ich hatte mich immer gefragt, ob sie in meinem Fall anderer Meinung gewesen wäre. Aber es war mir nie in den Sinn gekommen, ich könnte mit einem Mann, den ich liebte, ein Kind zeugen. Mit einem Mann, der in mir Wünsche weckte, die ich nicht haben durfte.
Natürlich hatte ich manchmal Angst, die Ärzte könnten recht behalten und ich würde die Geburt nicht überleben. Ich aber glaubte an dieses Kind. Ich wollte es lieben, in den Armen halten und ihm die Gewissheit geben, dass ich für sie oder ihn alles tun würde. Ich wollte ein eigenes Kind, und zwar so sehr, dass ich fest davon überzeugt war, es zu bekommen und zu überleben. Ich würde das schaffen!
Ich hätte mir nur so gewünscht, dass Mase Verständnis gehabt hätte. Ich hasste es, wenn die Furcht in seinen Augen aufflackerte, wann immer sein Blick auf meinen Bauch fiel. Natürlich liebte er mich und hatte eine Heidenangst, mich zu verlieren. Aber er hätte Vertrauen haben müssen, dass ich es hinbekam – dass ich mit schierer Willenskraft Schwangerschaft und Geburt überstehen würde. Als hätte Mase meine Gedanken gehört, sprang er vom Pferd und sah zu mir herüber. Mit besorgtem Blick, wie immer. Ich beobachtete, wie er das Pferd zurück in den Stall führte. Wir waren den ganzen Vormittag hier draußen gewesen, und nun war es Zeit für das Mittagessen.
Sein Stiefvater hatte ihm im rückwärtigen Teil seines Anwesens ein Stück Land geschenkt, auf dem Mase sich ein kleines Blockhaus gebaut hatte. Ich konnte von Glück reden, dass es in seinem hundertzwanzig Quadratmeter großen Haus zwei Schlafzimmer gab. Niemand wusste von diesem Haus, denn es lag ziemlich abgelegen und vor neugierigen Blicken geschützt. Und das war gut so, denn die Medien wussten inzwischen, dass ich Kiros Tochter war, und daher konnte ich nicht mehr so leicht abtauchen. Als eines Tages die Pressegeier an der Haustür von Mase’ Mutter klopften, erklärte sie ihnen einfach, sie seien hier verkehrt, und wenn sie sich nicht auf der Stelle wieder verzögen, werde sie die Polizei rufen.
Seitdem herrschte Ruhe. In die Stadt gingen wir nicht, und ich versteckte mich weiterhin in Mase’ Blockhaus. Abgesehen von den Besuchen beim Frauenarzt, zu denen Mase’ Mutter mich fuhr, lebte ich völlig abgeschieden. Dad hatte ein paarmal angerufen, doch ich hatte ihm nichts von der Schwangerschaft erzählt. Ich selbst wusste ja auch erst seit Kurzem davon.
Mase wollte es Kiro erzählen, da er davon überzeugt war, dass Dad mich zu einer Abtreibung würde überreden können. Doch da lag er falsch, an meinem Entschluss war nicht zu rütteln. Mein Herz hatte sich längst entschieden. Und wenn mein Überlebenswille doch nicht reichte, würde mein Kind immerhin geliebt werden. Die einzige Person, die mich bei meinem Entschluss unterstützte, hatte mir versichert, sie werde dieses Kind großziehen und es lieben, als wäre es ihr eigenes.
Maryann Colt war eine Mutter, wie jedes Kind sie verdiente. Wenn ich als kleines Mädchen meinen Halbbruder Mase besuchte, backte seine Mutter uns Plätzchen und machte Picknicks mit uns. Wenn sie uns abends ins Bett steckte, küsste sie Mase auf die Wange und sagte, dass sie ihn liebe, und machte dann mit mir dasselbe. Als gehörte ich auch zu ihnen.
Und Maryann wusste, was es bedeutete, Mutter zu sein. Sie verstand mein Bedürfnis, dieses Kind zu beschützen. Als mir die Ärzte die Schwangerschaft bestätigten, hatte sie mir die Hand gehalten. Ihre Tränen rührten von Freude, nicht von Trauer. Sie hatte meine Freude geteilt. An diesem Abend hatte ich zum ersten Mal erlebt, wie Mase und seine Mutter sich stritten. Maryann hatte sich auf meine Seite gestellt, als ich erklärte, für mich komme eine Abtreibung nicht infrage. Mase war außer sich gewesen und hatte mich gebeten, mir das Ganze doch noch mal gründlich zu überlegen.
Ich wusste, mit Grant gäbe es noch viel heftigere Diskussionen. Es brachte nichts, mir einzureden, er habe mich vergessen oder ich sei ihm inzwischen egal. Ich wusste es besser, schließlich rief er noch täglich an und hinterließ eine Nachricht. Er schien das Risiko eingehen zu wollen, jemanden wie mich zu lieben, trotz meines Gesundheitszustands. Durch die Schwangerschaft würde das Risiko einer Verschlechterung bedeutend steigen. Letzten Endes glaubte ich nicht, dass er diesem Druck gewachsen wäre. Dafür hatte ich seine Worte bei unserer letzten Begegnung noch zu gut im Ohr. Wir hatten unsere Chance vertan.
»Alles okay mit dir?«, riss Mase mich aus meinen Gedanken. Mit der Hand schirmte ich meine Augen vor der Sonne ab und blinzelte zu ihm auf. Er trug seine ausgeblichenen Jeans und ein blau kariertes Hemd. Eine feine Staubschicht bedeckte ihn, und nun schob er seinen Cowboyhut zurück und wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn.
»Ja, alles okay. Ich war mit den Gedanken nur gerade ganz woanders.«
Er streckte mir die Hand entgegen. »Komm, lass uns zu Mom gehen. Das Essen steht bestimmt schon auf dem Tisch.«
Maryann kochte jeden Mittag eine warme Mahlzeit. Sie war der Meinung, ihre Jungs bräuchten das, um draußen ganze Arbeit leisten zu können. Nach einem folgenreichen Sturz von seinem Traktor musste Mase’ Stiefvater noch immer einen Gehstock benutzen, auch wenn er keinen Gips mehr trug. Mase hatte nun schon eine ganze Weile seine Arbeit mit übernommen und schien erleichtert darüber, dass er allmählich wieder einsatzfähig war. Sein Stiefvater züchtete Mastrinder – eine echte Knochenarbeit. Und Mase hatte bislang nur Pferde dressiert.
Ich ergriff die Hand meines Bruders und ließ mich von ihm hochziehen. Ich würde ihm nicht gestehen, dass ich mich wegen meiner Appetitlosigkeit ziemlich schwach fühlte. Mir war zwar nicht übel von der Schwangerschaft, aber ich vermisste Grant und bekam daher kaum etwas runter. Zu gern hätte ich diese Zeit mit ihm gemeinsam erlebt. Ich wollte ihn lächeln sehen, lachen hören. Ich wollte mehr, als er mir geben konnte.
»Du hast schon seit Tagen nicht mehr gelächelt!« Mase ließ meine Hand los.
Ich brachte ein Achselzucken zustande. »Ich brauche dir ja wohl nichts vorzumachen. Ich vermisse Grant. Ich liebe ihn, Mase! Aber da sage ich dir ja nichts Neues.«
Nebeneinander gingen wir zu dem großen weißen Haus seiner Eltern. Es war rundherum von einer Veranda umgeben, und vor den Fenstern hingen Blumenkästen. Mase hatte eine Bilderbuchkindheit hinter sich. Er hatte die Art von Leben führen dürfen, die Leute wie ich nicht für möglich gehalten hätten, bevor sie es nicht selbst erlebt hatten. Solch ein Leben wünschte ich mir für mein Kind.
»Dann geh heute Abend doch einfach mal selbst ran, statt immer nur die Mailbox anspringen zu lassen. Er will deine Stimme hören. Wenigstens das kannst du ihm doch mal gönnen. Vielleicht geht’s dir dann auch besser«, meinte Mase.
Nicht zum ersten Mal drängte er mich, Grants Anruf anzunehmen. Ich hatte Mase nicht erzählt, warum ich Grant verlassen hatte, da ich befürchtete, dass er ihn dann hassen würde. Er würde Grants Reaktion nicht verstehen und sie ihm nie verzeihen. Dabei würden sie durch das Kind eines Tages derselben Familie angehören.
Und wenn ich nicht mehr da wäre …
»Harlow Manning, du bist so ein Sturschädel! Das ist dir doch wohl klar?« Er versetzte mir einen sanften Rippenstoß.
»Ich gehe ans Handy, wenn die richtige Zeit dafür gekommen ist. So weit ist es aber noch nicht.«
Mase seufzte frustriert auf. »Du erwartest ein Kind von ihm. Herrgott noch mal, das muss er doch wissen! Ich finde nicht richtig, was du machst.«
Ein paar Haare hatten sich aus meinem Pferdeschwanz gelöst, und ich schob sie aus dem Gesicht. Mase würde nicht kapieren, warum ich es Grant nicht erzählen konnte. Allmählich hatte...
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