Schweitzer Fachinformationen
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"Du bist außer Herz nur noch Herz!" Wir mussten lachen. Eine Mitarbeiterin hat einen Kollegen herzhaft bewundert und zugleich heftig kritisiert. Er hatte die Fähigkeit, in jede Begegnung eine Extraportion Herz hineinzulegen. Leider konnte er seine Umgebung damit auch ordentlich nerven, vor allem dann, wenn sich das berufliche Alltagsgeschäft damit nur schwer vereinbaren ließ. Ein Herz haben, kann tatsächlich leicht in Verruf kommen, wenn es mit einer Überdosis Gefühl und Schlampigkeit verwechselt wird. Dennoch: Bei Menschen mit Herz staunen wir über ihre Offenheit und ihr Mitgefühl, ihre Aufgeschlossenheit und Lebendigkeit.
Herzmenschen sind Game-Changer. Sie unterscheiden sich von jenen Typen, die kaltherzig nur die Interessen ihres Egos durchziehen. Das Herz macht den Unterschied. Es fühlt sich gut an, wenn jemand herzhaft gegenwärtig ist - in einem Gespräch oder in einer Situation, wo Herzblut gefragt ist. Wenn auf das Herz gehört wird, dann stellen sich fast automatisch Wertschätzung und Höflichkeit ein. Diese unmittelbar gefühlten Herzqualitäten sind alles andere als selbstverständlich.
Herz steht für Engagement und Leidenschaft. Ob ein Installateur, eine Ärztin oder eine Pflegekraft ihren Beruf mit Herz ausübt oder nicht, macht den Unterschied. Bildung, Betreuung, Sozialarbeit, Seelsorge und jede berufliche Tätigkeit schaut mit Herz anders aus. Ganz offensichtlich hängt die Qualität von Begegnungen und Beziehungen vom Herz-Faktor ab. Wir wissen, dass Herz- und Lieblosigkeit verletzen und reine Fassaden früher oder später ohnehin durchschaut werden. Speziell Kinder und Menschen mit mentaler Beeinträchtigung spüren, ob Herz im Spiel ist oder nicht - und sie verstehen die Sprache des Herzens.
Er war erst 14 Wochen alt. Aufgrund einer psychischen Erkrankung mussten Valentins "Baucheltern" ihren Sohn mit Downsyndrom einer Pflegefamilie anvertrauen. Er fand Aufnahme bei einem Tiroler Ehepaar, das selbst bereits drei eigene Kinder hatte, wenn auch teilweise schon am Weg zum Erwachsenwerden. Als sie mehrmals den dringenden Aufruf nach Pflegefamilien hörten, schenkten sie insgesamt in Folge drei Kindern mit Trisomie 21 ein neues Zuhause: Stefan, Anna und zuletzt Valentin. Obwohl er, ebenso wie seine "Geschwister", die für Downsyndrom-Menschen so typische Herzensstrahlung mitbrachte, spürte man bei ihm immer eine eigenartige Belastung, fast einen inneren Kampf ums Überleben. Zahlreiche Aggressionsschübe hatten meist mit seiner Sprachlosigkeit zu tun. Seine Herkunftsfamilie ist den Roma zugehörig, seine "Muttersprache" ein Roma-Dialekt. Die Wende kam unverhofft, als Valentin 15 Jahre alt war: Eine junge "Roma-Tirolerin" kam als Dolmetscherin zu Besuch. Sie spielte Valentin die "heimliche" Hymne der Roma vor. Plötzlich jedoch zuckte dieser mittlerweile kräftige junge Kerl total aus, gab fürchterliche Laute von sich und bewarf die Zuhörenden mit allem, was er in die Hände bekam. Die Besucherin schaltete die Musik aus und warf nun ihm Bälle zu, wobei sie einfache Worte in ihrem Roma-Dialekt aussprach: links, rechts, oben, unten, eins, zwei, drei, . Und überraschend für alle: Valentin reagierte genau mit den richtigen Bewegungen. Eine tiefe, heilsame Beziehung schien geglückt zu sein. Vollkommene Beruhigung und Ergriffenheit im Raum. Nach mehr als vierzehn Jahren wurde erstmals mit ihm wieder in seiner Muttersprache gesprochen! Obwohl sie Valentin nie bewusst erlernt hatte, konnte er verstehen. Mittlerweile eignet er sich seine Sprache mithilfe einer Lehrerin recht erfolgreich an. Und ein großer Teil seiner schwierigen Geschichte ist für ihn dadurch leichter geworden, sein Leben für ihn lebbar. Jedes Mal, wenn ich Valentins Familie besuche, staune ich über die Ehrlichkeit und Urfröhlichkeit, die mir dort begegnen, eine "Körpersprache des Herzens", die allen guttut.
Das Herz bezeichnet die Mitte des Menschen. Es ist so viel mehr als der faszinierende Hohlmuskel, der beständig Blut durch unseren Körper pumpt. Die Einheit von Geist, Psyche und Körper wird in diesem symbolischen "Zentralorgan" am deutlichsten spürbar. Alles schlägt im Herzen auf, muss dort verarbeitet und auch wieder abgegeben werden. Wir denken, erfahren und handeln ganzheitlich, körperlich - ein Leben lang mit Herz!
Das Herz galt im semitischen Kulturraum als Sitz der Affekte - Umschlagplatz und Nährboden für Emotionen aller Art. Gleichermaßen wurde im Herzen Verstand, Gedächtnis und Wille verortet. Im alten China hielt man das Herz nicht nur für den Ursprung der Gedanken und Gefühle, sondern auch für das intellektuelle Zentrum des Menschen. Konfuzius wird der schöne Spruch zugeschrieben: "Wohin du auch gehst, geh mit ganzem Herzen." Generell bezeichnet das Herz in den alten Kulturen die Innenperspektive des Menschen im Gegensatz zu allem, was nach außen gerichtet ist. Die heutige Forschung bestätigt dies mit dem Postulat von einem "Gehirn-Herz".
In der altägyptischen Religion war das Herz auch das Gewissen des Menschen. Nach dem Tod wurde es vor dem Thron des Osiris gewogen, um seinen Güte- und Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Wurde es zu leicht befunden, gab es keinen Eintritt ins Jenseits. Bei der Einbalsamierung legten die Ägypter nach der Entfernung der Eingeweide das Herz wieder zurück in den Körper. Es sollte am Jüngsten Tag Zeugnis über seinen Träger ablegen. Das Ideal war ein "Steinherz", das kalt und hart für Besonnenheit und Stabilität steht. Das Herz im Mikrokosmos des menschlichen Körpers verglichen die Ägypter mit der Sonne im Makrokosmos der Gezeiten. Alles hängt mit allem zusammen.
Eine irritierend drastische Praxis begegnet uns bei den aztekischen Menschenopfern im alten Mexiko: Durch eine große Schnittwunde griff man in die Brust des Todgeweihten, um das frisch pulsierende Herz herauszunehmen und es als Weihe- und Opfergabe dem Sonnengott entgegenzustrecken. Aus dem blutigen Opfer erhoffte man sich neue Kraft für einen neuen Lebenszyklus. Und in Indien gilt das Herz als Ort des Kontaktes mit Brahman, der Personifikation des Absoluten.
Diese kulturhistorische Skizze ließe sich noch lange fortsetzen. Sie zeigt deutlich die transkulturelle Bedeutung des Herzens. Überall werden mit dem Ur-Wort Herz die Ur-Fragen des Menschseins benannt.
Im Alten Testament begegnen uns die Ausdrücke für "Herz" (hebräisch lev) über 850-mal. Davon schon 130-mal in den Psalmen, diesen faszinierenden jüdischen Gebeten, in denen der Mensch sein Herz vor Gott ausschüttet. Einer meiner Favoriten ist der Psalm 139, in dem es heißt: "Würde ich sagen: Finsternis soll mich verschlingen und das Licht um mich soll Nacht sein! Auch die Finsternis wäre nicht finster vor dir!" Und ein paar Zeilen weiter wendet sich das Urvertrauen in eine Bitte: "Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne meine Gedanken!" (Ps 139,23)
Das Herz bezeichnet im biblischen Sinn immer die Mitte der menschlichen Person. Ähnlich wie im kulturellen Umfeld ist es der Ort der Emotionen und Wünsche, Ängste und Sehnsüchte, aber auch Ort des Denkens und der Entscheidungen. Alles, was wir gewöhnlich dem Kopf und Intellekt zuschreiben, wird in der Bibel im Herzen des Menschen angesiedelt: Erkennen, Verstehen, Bewusstsein, Gedächtnis und jegliches Urteilsvermögen. Das Herz ist auch die Kreativwerkstatt und das Innovationszentrum. Künstlerische Begabung ist dem Menschen von Gott "ins Herz gelegt".
In den Büchern des Alten Testaments gibt es kein eigenes Wort für "Gewissen". Das Herz ist der eigentliche Verhandlungsplatz über Gut und Böse. Die Bereitschaft zum aufmerksamen Hören wird dem Herzen zugeschrieben, aber ebenso die Möglichkeit, sich zu verschließen und in sich zu verkrümmen. Im Herzen jedes Menschen laufen wie in einem Zentralbahnhof alle "Züge" zusammen. Mithilfe dieses Bildes werden wir über eine verträgliche Frequenz der ein- und ausfahrenden Züge, über Waren- und Gütertransporte, Ruhezonen und chaotische Abläufe, Ankünfte und Abschiede nachdenken müssen. Das Herz muss mit allem zurechtkommen.
Etwas salopp ausgedrückt: Das Herz ist Verhandlungsplatz, Bahnhof - und Heiligtum. Im Herzen berühren sich Mensch und Gott. Es ist nach Ignatius von Loyola die Mitte, wo Schöpfer und Geschöpf ungehindert miteinander verkehren können. Ja, Gott selbst wird im jüdischen und christlichen Glauben ein Herz zugesprochen. Er ist nicht einfach der unbewegte Beweger, wie in der Philosophie des Aristoteles, sondern ein leidenschaftlich agierender Gott. Er erfreut sich an seinen Geschöpfen, lässt sich aber auch von deren Not und Elend bewegen - ja, es geht ihm zu Herzen! Diese über Jahrhunderte gewachsene Gewissheit findet in der Person des Jesus von Nazareth ihren Höhepunkt: Gott selbst hat in ihm ein menschliches Herz angenommen und Herz gezeigt, wurde angreifbar und verwundbar.
Nicht zufällig befindet sich das Herz genau in der Mitte zwischen Kopf und Bauch. Es vermittelt und klärt die Vielfalt der Emotionen und versucht eine Orientierung in der Fülle von Informationen und externen Impulsen. Das Herz ist permanent gefragt, es integriert und vernetzt. Das Herz muss in allem, was auf uns einströmt, uns gefühlsmäßig betrifft oder triebhaft bewegt, Position beziehen - einen Impuls aufgreifen oder verwerfen. Das Herz steht für die Freiheit des Menschen, die es gegenüber vielen Zugriffen zu verteidigen gilt. Als vernunft- und herzbegabte Wesen sind wir nicht nur von Instinkten und...
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