Schweitzer Fachinformationen
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Denise war schon zwanzig Minuten zu spät, und es wäre nicht das erste Mal, dass sie mich warten ließ, um dann überhaupt nicht mehr aufzutauchen. Wäre da nicht dieser eisige Regen gewesen, der mit Ketten aufs Pflaster schlug, ich wär längst abgehauen, statt dessen blieb ich dort, am Times Square, unter der Markise des Lyric Theatre oder dem, was davon übriggeblieben war, bei den Dealern und Huren, darunter auch zwei Transvestiten.
Ich zitterte, schlug meine Arme um den Körper wie ein Eskimo und beobachtete Kids aus dem Wohnheim, die lachend in die Pfützen auf dem Asphalt sprangen und sich gegenseitig das Dreckwasser ins Gesicht spritzten, als hätten wir einen kochend heißen Sommertag. An die Scheibe des Kartenverkaufs gelehnt, schlug ich den Kragen meines Jacketts hoch und hielt mir die Ohren, während der Wind rasiermesserscharf in meine Kopfhaut schnitt. Sieben Tage ging das jetzt schon so, nasskalt und eisig wie gefrierende Pisse, und alle Pillen oder Biere dieser Welt konnten dieses Zittern nicht vertreiben. Mit hängender Zunge trottete ein Hund vorbei, lahm von einer Seite auf die andere schwankend wie ein Pendel. Aus seinem Maul hing ein langer Speichelfaden, und sein verfilztes braunes Fell war talgig. Er wackelte weiter, die Nase im Wind, als eine ältere Hure auf den Bordstein zuging. Der Hund stakst e hin zu ihr und schnüffelte an ihrem Schritt, die anderen lachten und meinten, er sei wohl ihr nächster Freier. Ein Buick fuhr heran, und sie scheuchte ihn weg - niemand kriegt es umsonst, nicht einmal ein Hund. Auf der anderen Seite der Straße wischte ein durchnässter, zerlumpter Bettler bei Rot die Windschutzscheiben der Autos ab; das Schild einer Bar, die verrammelt war, wurde vom Wind gejagt, BIN JETZT DOWNTOWN, damit war alles gesagt. Ich sah Autos und Trucks dahinkriechen, Dreckwasser und Zeitungen an den Straßenrand klatschen, die roten Nippel vom Laden gegenüber blinken; und alles spielte sich ab hinter diesem Vorhang aus Regen, als mich plötzlich dieses äußerst seltsame Gefühl überkam, als wäre ich nackt und jemand würde mich berühren, nicht mit Händen, sondern mit Gedanken. Wie Lichtstrahlen, die durch trübes Wasser dringen. Ich blickte zur Seite, bemerkte den Hund, nur wenige Schritte entfernt; er fixierte mich, als wollte er sprechen. Ein Schimmer lag in seinen Augen, so seltsam vertraut, ein echtes Wiedererkennen, als wäre er mir schon mal begegnet, nicht als Hund, sondern als etwas oder jemand anderes. Er lächelte mich an, glänzende, graue Augen mit silbrigen Einsprengseln, blinkend wie Glimmer von Mondgestein oder Chirurgenstahl, schnitten eiskalt durch meine empfindliche Haut wie durch Papier, tiefer und tiefer, trieben den Schmerz in meinen Kiefer. Ein Kid kam herüber, um den Hund zu streicheln; der Hund sprang ihm an die Brust, leckte sein Gesicht, und der Junge trat ihm in die Eier, und das Tier schoss mit einem gequälten Jaulen davon. Ein Transvestiten-Girl machte einen Schritt, wollte sich einmischen, als eine blitzende Klinge Luft und Regen zerschnitt. Das brachte sie schnell zum Schweigen. Eine Polizeistreife bog um die Ecke, fuhr nach Westen zur Achten, die Kids setzten sich Richtung Broadway in Bewegung. Ich stand da und versuchte, unschuldig auszusehen, als die Cops mich von oben bis unten musterten. Urplötzlich knallten die Roten rein: Ein Hammer aus Glas. Zerschmetterte meine Augen, und die Straße kippte zur Seite. Durch wirbelnde Halluzinationen purpurner Acid-Trips, geometrische Flutwellen buntstiftfarbener Autos und kunstseidener Trucks, Transvestitenhuren an ihren freien Tagen, mit orangenen Hüten und Federboas in Rot, in Rattenpelzen mit Angorakragen, Bilder, Malereien, Pornostreifen mit abgetrennten Gliedern und zuckenden Kometenschweifen, trieb ich schlitternd auf sich verflüssigenden Straßen, wo Kinder weinten, verwahrlost und allein gelassen, mein Hirn, eine faulende Masse, die Kehle verstopft mit Galle und Blut, welkende Venen, Speichel, braun und zäh wie Melasse, fegten mich in die paranoide Glut - in diese beschissene Fotze der Monomanie - nur dort fühlte ich mich gut wie sonst nie, also desinfiziert mein Herz mit Jod.
Etwas trommelte auf meinen Kopf, ich öffnete die Augen, sah hoch - die tropfende Markise erschien mir wie eine chinesische Folter aus Brasilien -, und ein Glied aus der Kette der Regentropfen bohrte sich in mein Auge, also ging ich rüber ins Peeptown, immerhin konnte ich von dort aus Deni se sehen, falls sie noch auftauchen sollte. Schob mich durch die Gänge, gab mich gelangweilt und züchtig, überflog die Magazine, wie man es im Wartezimmer eines Arztes tut, blätterte in den verschwitzten Geschlechtsakten und spürte keine Regung in mir, wie ein schlaffer Schlauch aus Fleisch - bis Yudi mit dem Kastenmal mir sagte, ich solle es kaufen oder weglegen. Ich wollte es wegschmeißen, und zwar direkt auf den Boden, um es ihn aufheben zu lassen. Doch nichts hier war dieses Aufhebens wert, also ging ich zu Jackie's und hing dort mit den Stammkunden herum. Natürlich waren Dezmond und Wally und Paris und Harper da, und an der Bar saß Wallys fette Schwester Camille, mit diesen melonengroßen Titten, die sich einem aufdrängten. Camille wäre ganz niedlich gewesen, wenn sie ein paar Pfund abgenommen und sich den Kopf abgeschlagen hätte. Dezmond und Wally spielten Billard mit neun Kugeln, während Harper auf der Jukebox stand und eine Birne in der Deckenbeleuchtung auswechselte.
»Hey, warum drehst du statt dieser kleinen 40er nicht einfach eine 75er rein? Hier drin ist es dunkel wie im Arsch!« schrie Dezmond Jackie an.
»Weil ich nicht euer Beleuchter bin«, schrie Jackie zurück.
»Yeah, du bist nur n beschissener Armleuchter!« antwortete Dezmond, und alle lachten.
Ich setzte mich an die Bar, einen Hocker entfernt von Camille, die mich bat, ihr einen Drink auszugeben, was ich auch tat, und bevor sie noch um irgend etwas anderes bitten konnte, glitt ich vom Hocker und ging rüber zu Dezmond, der sein Queue mit Kreide einrieb.
»Was 'n los mit dir?« fragte er, denn meine Klamotten pissten förmlich auf den Boden. »Reicht dein Verstand nicht, aus dem Regen zu gehen?«
Als er zum Stoß ansetzte, wrang ich mein Hemd über dem Tisch aus; er stieß die weiße Kugel ins Loch.
»Hey, Jackie, dieser Scheißtyp ruiniert deinen Tisch!«
Jackie warf uns einen dieser wütenden und zugleich ohnmächtigen Blicke zu. »Hey, Eddie«, brüllte er, »bist du 'n bisschen zurückgeblieben, oder was? Der Filz kostet Geld, und ich erneuer ihn nicht mehr. Wenn er wieder versaut wird, könnt ihr von mir aus alle im YMCA Pingpong spielen!«
»Tut mir leid, Jackie«, sagte ich und hielt dann den Mund, denn ich zitterte so heftig, dass meine Stimme bebte. Ich lehnte an der Wand, während Dezmond und Wally Pool spielten. Dezmond gelang wieder eine Serie, und Camille schlürfte ihren Scotch, fuhr quietschend mit den Zähnen übers Glas, brüllte ihren Bruder wegen einer Zigarette an, doch der ignorierte sie.
»Was 'n mit deiner Schwester?« sagte Dezmond zu Wally. »Hat sie eigentlich nie was auf Tasche? Die ist ja wie 'ne beschissene Slot-Maschine! Warum schaffst du sie nicht nach Atlantic City?« Und Paris und Harper lachten wie Heckle und Jeckle, während Wally sein Queue einrieb und die drei Kugeln versenkte. Ich ging auf die Toilette und kotzte meinen Drink aus. Machte das Licht an, entdeckte etwas Kotze auf meinem Schuh, wischte es mit Klopapier weg. Der flüchtige Blick in den Spiegel, mein Gesicht, schmal und bleich wie ein Totenschädel bei Nacht, versetzte mich richtig in Panik, also kotzte ich ins Waschbecken, um mich davon zu überzeugen, dass ich noch am Leben war. Dezmond kam herein und fragte, ob ich okay sei, und ich sagte ihm, ich sei nur etwas müde.
»Du bist heute so ruhig, alles okay? Hey, du solltest heute Abend noch was von den Roten organisieren, dann können wir noch 'n paar einschmeißen. Mann, das brennt vielleicht beim Pissen, wie Säure, weißt du, was ich meine? Hab gestern Abend Mexikanisch gegessen, mit Jalapenos und so, und immer wenn ich pisse, hab ich das Gefühl, da löst sich so 'n verdammter Stein. Hey, was hast 'n später vor, komm doch rüber, Lucille geht mit dem Kleinen zu ihrer Schwester, wir könnten 'n bisschen rumhängen und 'n paar Pornos gucken. Ich ruf dich an. Hey, wenn du nachher noch was von den Roten kriegst, bring welche mit, ja, ich will mindestens noch zwanzig kaufen. Hey, alles okay? Du siehst beschissen aus! Was hast 'n genommen, und warum hab ich davon nichts gesehen?«
Ich trocknete mein Gesicht ab, ging zurück in die dunstige Mischung aus abgestandenem Bier, schlechtem Atem und Körpergeruch, wo Camille ganz dicht an mich herankam. Sie trug niemals Höschen, und der scharfe Geruch der Muschi unter ihrem Kleid verursachte mir Übelkeit. Ich musste raus.
Ich hatte nichts vor und musste nirgendwohin, also ging ich zurück zum Strip, bis die Wirkung der Roten abgeflaut war. Ich stellte mich neben Hot Dog Vic, der ein Bein und die Hälfte seines Schwanzes - war s in Saigon oder Bayonne? - verloren hatte, wurde Zeuge, wie ein Regenschirm auf der Straße seinen Geist aufgab, als ein Lieferwagen seinen Motor startete und wegfuhr, und dahinter stand Denise mit finsterer Miene. Mein Lächeln änderte nichts daran. In ihren kniehohen Stiefeln und hautengen Jeans, mit dem weißen Kunstpelz und ihren langen, roten Haaren sah Denise ungeheuer gut aus, und so nebeneinander hätte uns niemand für Geschwister gehalten.
»Du kommst zu spät!« sagte sie mit einem...
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