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Das Dorf Krana in Arkadien scheint am südlichen Rand der Hochebene zu schweben, die das Herzstück der Peloponnes darstellt, der alten Morea. Von dort oben blickt man auf eine endlose, in sattes Grün abfallende Landschaft hinunter, die von himmelblauen dunstig dampfenden Flüssen bis hin zum sonnendurchglühten Messenien durchzogen wird - ein berühmtes, mythenträchtiges Land, das Telemachs Pferde einst durchstreiften. Auf dieser Höhe, zwischen den steil abfallenden Schluchten und der unüberwindlichen Klamm, lockert auch die Malaria ihren fiebrigen Griff, und die Gluthitze, welche die Ebene beherrscht, lässt nach.
Nachdem ich viele Monate lang zuerst in Attika in der Nähe von Megara, dann zwischen den rosafarbenen zierlichen kleinen Villen von Korinth und der Brücke über dem Kanal in Krana umhergewandert war, sah ich jetzt, zu Beginn der neuen Jahreszeit, mein kleines, in diesem Ort etabliertes Kommando. Während dieser Zeit hatte die Abteilung nahezu ununterbrochen Verwirrung und Veränderungen erlebt, doch das alles war, wie schon beim Einsatz in Reggio, von dürftigem Einsatz wie von dürftiger Geschichte gekennzeichnet. Am Ende war es Major Nappa gelungen, sich nach Athen zu verdrücken, zusammen mit seinem stiefelleckenden Adjutanten, und er überließ mir das zwischenzeitliche Kommando und einen Haufen Scherereien. Doch nach gut einem Jahr brachte die Ankunft eines neuen Majors als Kommandeur einen neuen Bestimmungsort für uns mit. Und ich sah, wie meine verschwindend kleine Schwadron von wenig mehr als hundert Männern noch schlimmer verstreut wurde als die, die ich zu Anfang des Kriegs in Bay hatte. Hatten wir uns dort oben in unmittelbarer Nähe unserer Grenze und in geradezu sicheren Zeiten befunden, so waren hier unsere gefährlichen Befestigungen, die viele Kilometer voneinander entfernt lagen, oberhalb einer Anzahl von Schluchten, die sich vom Zentrum von Tripolis bis zur Küste von Kiparissia ausdehnten, weniger wirkungsvolle Verteidigungsstellungen als vielmehr einladende Köder für Krieger, die nach Lebensmittel und Waffen gierten.
Es gab sieben dieser Befestigungen, und jede hatte zehn bis zwölf Männer zur Überwachung der Überführungen, Tunnel oder Brücken der schlichten Eisenbahn, die sich in unendlichen Kehren und Kurven zwischen diesen Bergfalten durch die gesamte Halbinsel schlängelt und sie vom Kanal bis Kalamata durchzieht. Die wenigen Lanzenreiter, die mir im Kommando verblieben waren, hätten nicht nur die Kranken vertreten oder die Ruheschichten ersetzen, sondern auch das Vorratslager, das Waffenlager und die Transportmittel in Ordnung halten sollen. Das würde selbst dann unmöglich gewesen sein, wenn sie nicht unablässig auf ihren Rundgängen gewesen wären, wie es der Fall war, nachdem sie vorher schon die Fron der Einholung der Lebensmittel aus den Zentrallagern und deren Verteilung an unsere Wachposten auf sich genommen hatten. Die Straßen waren in einem unglaublich schlechten Zustand und gefährlich, die Unterbrechungen häufig, die Züge fuhren nach unkalkulierbaren Zeitplänen und nur am Tag, und wenn die Männer einmal abgefahren waren, verschwanden sie für zwei bis drei Tage, danach war schon der zweite Nachschub fällig, obwohl die erste Lieferung noch nicht einmal zu Ende gebracht war. Außerdem war es etwas anderes, in Säcken oder Körben die notwendigen Mengen für hundert Mann abzuholen, als alles zu sieben Teilen in Dosen und Flaschen zu transportieren; besonders lächerlich aber, wenn es immer wärmer wurde und viele Nahrungsmittel in der Hitze schnell verdarben. Mir wurde klar, dass die Abhilfe für diesen unhaltbaren Zustand bis dahin in der Nachsichtigkeit der verschiedenen Kommandeure gegenüber Razzien bestanden hatte, welche die Truppe in Hühnerställen, in Gemüsegärten und sogar auf griechischen Märkten durchführten, wodurch jede Gruppe sich und ihren Wachposten mit Nahrungsmitteln versorgte. Doch die Zeiten hatten sich langsam geändert, nach und nach, während sich die dunklen Wolken über dem Schicksal der Achsenmächte immer mehr zusammenzogen. Dass sich die Beziehungen mit dem Dorf verhärten und wir damit früher oder später das Wagnis von Repressalien heraufbeschwören könnten, war ein Risiko, mit dem ich mich so beschäftigen musste, als wäre es mein persönliches Problem.
Was mich angeht, sah ich mich erneut auf eine nahezu völlige Isolierung zurückgeworfen, wiewohl ich kontinuierlich zu Pflichten gezwungen war, die deren Einheitlichkeit zwar sprengten, nicht aber meine Meditation. Vom ersten Augenblick an hatte mich die außergewöhnliche Ähnlichkeit der Natur dieser Halbinsel tief mit der berührt, die ich in Licudi kennengelernt hatte. Da gab es die gleichen kahlen strengen Berge, die gleiche spärliche, aber auch prachtvolle Vegetation, die Olivenhaine, die Weinberge, den rötlichen Sand und überall das gleißende Licht und das Flimmern der fernen Buchten. Die Kraft der Blüten überraschte. Die Geranienspaliere waren so hoch wie Häuser und so lang wie Straßen. Die Eukalyptusbäume schütteten Sturzfluten von staubtrockenen Blättern herunter, die sich mit dem aus der Erde hervorwuchernden Unterholz verflochten. Die stillen Stunden der Sonne bekamen etwas blendend Eindrucksvolles, die Nächte etwas Magisches und Urzeitliches.
Das alles befeuerte den Geist zwar auf untergründige Weise, doch indem sie ihn in ausgreifender Toleranz einschloss, sonderte sie ihn auch ab. Während die Kommandos in Athen in einer gedankenlosen Euphorie lebten, hörte für uns der Krieg auf, eine innere Gesetzmäßigkeit zu sein, in der wir allerdings unseren notwendigen, wenn auch bescheidenen Platz einnehmen sollten; und die unmittelbar deutliche Erfahrung kehrte zurück und machte uns zu den einzig Verantwortlichen für unsere Handlungen und für das Leben von uns allen. Nichts hätte meinen Gedanken und innersten Beweggründen mehr entsprochen, als an die Orte geführt zu werden, die ich für mich selber gewählt hätte, während die alten Zuneigungen meiner Jugend - das Sediment der Kultur, so wie sie mir von den Mönchen am Giglio vermittelt worden war - sich auf einen einzigen Namen stützen konnten: Griechenland. Und schon verwandelte sich in meiner Phantasie diese risikoreiche Unternehmung in eine Wallfahrt zu den Ursprüngen - reich an bangender Sorge und an Mühen, so wie die, welche ich gemeinsam mit den einfachen Menschen von Licudi auf den Gipfel ihres Berges unternommen hatte.
Auf dem Papier hatten auch wir ein Kommando für die Gruppe, doch wenn ich mich schon an sieben Wehrbefestigungen auf einer Strecke von fünfundvierzig Kilometern erfreuen durfte, so hatte der neue kommandierende Major seine vier Schwadronen sehr weit verstreut stationiert - eine in Patras, die zweite zur Bewachung der Brücke über den Isthmus von Korinth, die dritte in Nauplia, oberhalb der Ostküste der Morea, und die vierte war meine, fast am anderen Ende der Halbinsel. Der Major war ein Adeliger aus den Marken, ein guter und tüchtiger Mann mit einem starken Pflichtbewusstsein, aber schon in vorgerücktem Alter und ungeeignet für die Kommandorolle. Er war mit der kleinen schwarzen Plakette mit dem Malteserkreuz dekoriert und besaß immerhin so viel Würde, dass er der Einberufung nicht entgehen wollte, aber seine moralischen Kräfte reichten jetzt gerade noch aus, seine persönliche Niedergeschlagenheit zu überwinden, auch weil er über alle Maßen am Mangel all der Bequemlichkeiten litt, auf die er bis dahin niemals hatte verzichten müssen. Er hatte lediglich zwölf Männer bei sich, aber kein einziges schweres Maschinengewehr. Mit uns war er ziemlich unzuverlässig über das Spinnennetz der Feldtelefone verbunden. Hätte er die dreißig Wehrbefestigungen seiner Abteilung inspizieren wollen, hätte er dafür nicht weniger als sechs Wochen gebraucht. Daher hatte er sich irgendwie an die übergeordneten Kommandos in Tripolis angehängt, die ihn in Ruhe ließen. Als er von seinem heimatlichen Jesi aufbrach, um hierherzukommen und sich in den Rachen des Löwen zu werfen, hatte der gute Mann sich mit einer Kiste Lambrusco versorgt, den er unvorsichtigerweise in den zwölf Tagen seiner Reise durch den Balkan ausgetrunken hatte. So setzte er seine Hoffnung auf die berühmten griechischen Weine, musste aber zu der Einsicht gelangen, dass ihm nicht nur die, sondern selbst das Wasser fehlte.
Ich empfand auf christliche Weise durchaus Mitleid mit dem Major (einem Edlen Costa Oliviero - daher dem Frieden zugeneigt, sofern mich meine Erinnerungen aus Schülertagen nicht täuschten) und erlebte noch einmal die Ängste, die ihn, als er mit der Eisenbahn durch die Balkanländer fuhr, dazu brachten, seinen kostbaren Vorrat an Lambrusco zu verheizen: von der chaotischen Rangiererei in Mestre, erdrückt von einer geradezu afrikanischen Sonne, durch die wilde Bergwelt von Urvölkern, zeichnete sich das beunruhigende Schauspiel einer Frontlage ab, die, wie zahlreiche Indizien vermuten ließen, vor dem völligen Zusammenbruch stand. Die Bewachung dieser Eisenbahnstrecke, der einzigen Brücke, die Griechenland mit Mitteleuropa verband, oblag den Deutschen. Doch sie, die logischer denken und agieren als wir, vergeudeten ihre Einheiten nicht mit der Überwachung dieser mehr als tausend Kilometer langen gefährlichen Eisenbahnstrecke, die Klagenfurt von Saloniki trennen, wo ihr Oberkommando residierte, um das Schachbrett des Mittleren Ostens und des türkischen Heeres zu kontrollieren. Die Deutschen hatten nur an den sichersten Orten große Materiallager angelegt und ausreichende Truppeneinheiten aufgestellt, weil sie überzeugt waren, es sei praktischer und schneller, die Bahnlinie jedes Mal dann zu reparieren, wenn sie...
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