Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Eine moderne Odyssee - lebensklug, inspirierend, optimistisch
Der 20jährige Antonio Grillo aus dem sizilianischen Bergdorf Gesso ist ein sanfter junger Mann mit strahlend blauen Augen, der von Freiheit träumt. In seiner Heimat werden Statuen der Madonna verehrt, aber seit er gehört hat, dass man in Amerika eine Statue als Tribut an die Freiheit errichtet hat, steht für Antonio fest: Er will mit dem Schiff in die Neue Welt. Seine Reise im Jahr 1923 gerät bald zur Odyssee, wechselvolle Ereignisse und ungewöhnliche Begegnungen bringen ihn in ebenso gefährliche wie haarsträubende Situationen. Doch dank seiner Fantasie und seines unerschütterlichen Glaubens an das Gute ersteht vor Antonios Augen vor allem eine traumartige Welt voller verheißungsvoller Wunder...
»Welch eine Freude, dieser Roman (...) ein grandioses Epos von bezaubernder Schönheit« La Repubblica
»Eine epische Geschichte über das Abenteuer eines jungen Mannes, über Menschlichkeit und die Kraft der Natur, die zugleich auf moderne Weise von Aufbruch und Hoffnung erzählt« Rai Cultura
Es stand einmal, und steht noch immer, ein Haus in den Hügeln von Gesso auf Sizilien, zu seinen Füßen das Meer und die Liparischen Inseln, und dort lebte 1923 ein argloser Bursche mit Namen Antonio Grillo.
Er hatte eine kluge, schöne Stute namens Aurora und zwei weiße Gänse, und diese Tiere, die liebte er sehr.
Doch vor allem liebte er die Freiheit.
Schön, wem er gefiel, mit blauen Augen, die man gesehen haben musste, kein Freund vieler Worte. Nie geriet er in Wut, er hasste Krieg und betrachtete die Welt mit großer Zartheit. Frauen, Tavernen und Glücksspiel, das alles liebte er. Raufereien mied er wie die Pest, und wenn er im Dorf eine sah, dann ging es mit seinem Pferd in gestrecktem Galopp zum Meer hinunter. Viele sagten, er könne mit Tieren sprechen.
Wer bis hierher gelesen hat und denkt: Antonio Grillo aus Gesso ist eine Märchenfigur, der liegt nicht ganz richtig. Dies ist kein Märchen, sondern die Geschichte eines einfachen, ehrlichen Jungen von zwanzig Jahren.
Antonio Grillo war der Bruder meines Großvaters Placido, vieles weiß ich über die beiden, anderes habe ich mir ausgedacht. Familienpapiere, die in einer Kommode aus Kirschholz lagerten, haben das Bild abgerundet. Sechzehn Schubladen voller Briefe, Papiere und Fotografien sind immer noch dort, in dem einsamen Haus mit dem Meer zu Füßen.
Und nun mag die Geschichte beginnen.
Am ersten Frühlingstag, dem 21. März 1923, wurde Antonio zwanzig Jahre alt. Die ganze Familie war versammelt auf der Terrasse des Hauses, der Schirokko wehte warm an diesem Nachmittag, und der Stromboli rauchte vor sich hin. Die Liparischen Inseln lagen friedlich im Wasser. Ein Schwarm Vögel kreiste über dem Mandelbaum im Obstgarten und ein weiterer über den Ruinen der byzantinischen Burg, die langsam, aber stetig noch heute verfällt.
Antonio mit den zauberhaften blauen Augen wandte sich an seinen Vater.
»Lieber Vater, heute, am 21. März ist mein zwanzigster Geburtstag, und bald gehe ich für immer fort«, sagte er, das Meer still zu Füßen.
»Was redest du da, mein Sohn? Du verlässt Gesso und Sizilien, um wohin zu gehen?«, wollte der Vater, Lio Grillo, bestürzt wissen.
»Nach Amerika.«
»Das sind bittere Worte für mich. Warum willst du denn fort?«
»Weil ich einen Traum habe, der Freiheit heißt.«
»Was soll denn das sein, Freiheit?«
»Etwas ungeheuer Schönes, vielleicht wie eine Traube voller Sterne im Bauch. Frei, das ist ein Blauwal in den Tiefen der Meere. Nicht frei, das ist ein Frosch in einem brodelnden Weiher«, erwiderte Antonio.
»Und was hast du vor?«
»Ich will Wunder jagen in der ganzen Welt.«
»Du willst also wirklich fort? Für immer?«
»Ja, ich will nach Amerika. Für immer«, antwortete Antonio.
Der Vater schloss die Augen und sank schweigend in seinen Korbstuhl zurück.
Ein Sonnenstrahl traf auf das Porzellan und die Silberlöffel auf dem Tisch, alles war erfüllt von Licht. Pferde wieherten, Vögel flatterten umher, Spinnen webten ihre Netze, und eine Amsel flog zu ihrem Nest im Feigenbaum. Die Reblinge über ihren Köpfen waren noch kahl.
Antonio sah in die Wolken.
Der Vater ins Nichts.
Die Frau des Vaters, Donna Tina Oliva, hob ihre zu Boden gefallene Häkelarbeit auf, die Katzen spielten mit Wollfäden, und der Bruder Placido hatte eine Handvoll Kirschen in der Faust und eine Handvoll Erinnerungen im Kopf.
Das war alles, was sich Vater und Sohn an jenem Tag sagten, in der Sonne, die den Himmel ausbleichte über den Liparischen Inseln und dem weinfarbenen Meer. So ist es Brauch auf Sizilien nach einer derartigen Verkündigung: Schweigen oder die große Tragödie.
An jenem Abend wurde geschwiegen.
Jeder war in seine Gedanken vertieft.
Ein zarter Mond stieg auf.
Sanft legte sich die Nacht über die Berge.
Sie ist immer sanft, die Nacht.
Vom gigantischen Mandelbaum rief eine Eule.
Wie in jeder Nacht schlug die Kirchturmuhr in Gesso die Stunden, es läutete die Glocke, Esel riefen ihr I-ah, Säuglinge weinten, und dann stand alles still.
Antonio fand keinen Schlaf in jener Nacht unter seinem Leinenlaken, übermannt von einer Woge aus Freude, Glück, Hoffnung und unhaltbarer Angst. Die Reise seines Lebens stand kurz bevor, und das fühlte sich an wie ein brodelnder Gefühlsvulkan.
Also öffnete er die Augen und blickte über die Bucht, mit seinen unglaublichen Augen, die ihre Farbe änderten, je nachdem, was sie sahen.
Tiefblau, wenn er aufs Meer blickte.
Azur, wenn er in den Himmel blickte.
Dunkelgrün bei Nacht.
Grau, wenn ihn Verzweiflung überkam.
Durchscheinend in der Welt der Wunder.
Das war seine Lieblingswelt, die mochte er lieber als die richtige Welt.
Er öffnete also die Augen und sah über die Bucht.
Die Hügel badeten im Mondschein, die nahen Dörfer hingen an den Berghängen wie Krebse, eine Welt der Frösche im brodelnden Weiher, und der Wildbach Gallo sah aus wie eine Natter, die das Weite sucht, so wild schlängelte er sich bis zum Meer hinunter. Auf dem fernen Ätna lag eine Lavaschicht und die Spitze ganz oben war schneebedeckt, die Melodie einer Trompete schwebte aus einer alten Burg, die Luft war frisch, roch ein wenig nach Stall und war angefüllt mit dem Bimmeln unzähliger Glocken und Glöckchen von Schafen und Ziegen.
Die Gänse schnatterten die Sterne an, das Pferd schlug im Stall aus, und eine Eule sang ihr Schu-hu.
Einige träumen Schönes in der Nacht.
Einige haben Albträume in der Nacht.
Doch die Nacht geht immer vorüber, schön oder weniger schön, und am Morgen danach saß die Familie wieder beisammen auf der Terrasse, jeder mit einer Tasse frisch gemolkener Ziegenmilch und einem zimtgepuderten Kringel vor sich. Der Himmel rosig, die Inseln friedlich, doch von den Menschen konnte man das nicht behaupten.
»Warum willst du denn so weit fort?«, wollte der Vater wissen und strich sich über den grauen Schnauzbart.
»Weil ich die weite Ferne abenteuerlich finde«, gab Antonio zurück.
»Ja, weil du zwanzig Jahre alt bist«, seufzte der Vater.
Er ließ seinen Blick über die noch unreifen Aprikosen gleiten, die Schwalbennester, die ankernden Schiffe und über eine Handvoll weißer Boote, die sich auf dem Meer tummelten.
Die Frau des Vaters richtete die Heiligen-Anhänger an ihrem Hals und den bestickten Kragen. Kalt, wie sie war, so kalt, dass kein Lächeln und überhaupt nie etwas Gutmütiges über ihre Lippen kam, sagte sie: »Wenn du Gesso und deine Familie satthast, wenn du wirklich alles satthast, dann geh doch nach Messina, Lipari, Siracusa oder nach Palermo. Warum willste so weit fort?«
»Adler fliegen weit fort, Würmer nicht«, gab Antonio zurück, ohne sie anzusehen, denn er mochte sie nicht.
Sie war nicht seine Mutter, sie war bloß die Frau des Vaters. Seine richtige Mutter war 1903 gestorben, gleich nachdem sie ihn zur Welt gebracht hatte. Sie hatte ihm keine Milch aus ihrer Brust geben können, nicht einmal einen Kuss. Der Vater hatte rasch wieder geheiratet, um dieses kräftige Kind mit den blauen Augen großzuziehen, und ein Jahr später wurde noch ein Kind geboren, Placido. Tina Oliva hatte die beiden Kinder mit Milch, Biskuits und Vorwürfen aufgezogen, ihren eigenen Jungen überhäufte sie stets mit Zärtlichkeit, den anderen nie.
Antonio hungerte es nach Zärtlichkeit, mehr noch als nach Brot und Feigen.
An diesem Morgen wirkte Tina Oliva noch düsterer als sonst, ungefähr wie eine der schwarzen Katzen, die um ihre Beine strichen.
Auf den Hügeln standen die weißen Häuser wie jemand, der auf ein großes Ereignis wartet. Auf Sizilien gibt es immer jemanden, der auf große Ereignisse wartet, doch die Ereignisse warten auf nichts und niemanden, und die Abreise stand bald bevor.
»Wann? Wann . wann fährst du?« Der Vater klang wie eine gesprungene Schallplatte.
»In einem Monat, ja, ich glaube, ich fahre in einem Monat, und in Amerika will ich ein langes Leben leben.«
»Das Leben muss nicht lang sein, sondern reichhaltig«, stellte der Vater klar. »Ein reichhaltiges Leben ist viel mehr wert als ein langes«, fügte er hinzu.
Weisheiten, die ihm besonders gefielen, griff er gern noch einmal auf.
Er bot seinem Sohn Antonio Orangenmarmelade und Honig an, eine Schale Jasmineis und ofenwarmes Brot. Seinem Sohn Placido bot er dasselbe an.
»Geh nicht nach Amerika, hier auf Sizilien lässt du ein Paradies zurück, und du weißt nicht, was es da gibt, wo du hinwillst«, raunte der Vater. »Denk an das Obst, den Wein und die Blumen. Die Leute in Amerika reden, als hätten sie den Mund voll, in jedem Haus gibt es Waffen, und es wird mehr Milch als Wein getrunken . Außerdem haben die kein Olivenöl.«
Menschen, in deren Leben Olivenöl keine Rolle spielte, hielt Don Lio für ehrlos. Wie auch Menschen, die keinen Wein tranken.
»Gesso ist ein Paradies, und ob Amerika auch eins ist, kann man nicht wissen.«
»Lieber Vater, nichts kann mich aufhalten. Nicht die lieben Menschen und auch nicht mein Pferd. Nicht die sanften Felder, Trauben oder Wein . Etwas, das stärker ist als ich, zieht mich fort«, erklärte Antonio.
Der Vater ließ den Blick über das tiefblaue Meer gleiten.
»Die Strömung reißt uns Menschen mit sich fort«, bemerkte er. »Tausende von Strömungen reißen uns Menschen mit sich fort«,...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: ohne DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet – also für „glatten” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Ein Kopierschutz bzw. Digital Rights Management wird bei diesem E-Book nicht eingesetzt.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.