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Der klare Tagesanbruch brachte frostige Luft mit sich, durch die das dröhnende Gebrüll eines Regimental Sergeant Majors schallte. Die in den Royal Barracks stationierte Dubliner Garnison war das Herz des britischen Militärs in Irland. Eine Kompanie Infanteristen marschierte im Takt der Kommandos. Den Rhythmus seiner Befehle unterstrich der Sergeant Major durch das Klicken seines Marschierstocks, dessen Messingspitze er exakt in der gewünschten Schrittlänge aufsetzte.
«Ihr seid Soldaten des Royal Irish Regiment of Foot! Keine Liebesdienerinnen, die den Arsch zusammenkneifen, damit das Höschen nicht runterfällt! Abteilung - kehrt! Links, links, links, rechts, links. Dreißig Zoll, die Damen! Dreißig Zoll pro Schritt, wenn ich bitten darf!»
Die Männer wurden bei ihrer Strafübung von ihrem Kompanie-Sergeant begleitet. Es war die Konsequenz einer nachlässigen Ausrüstungs- und Waffeninspektion, dass sie auf dem Exerzierplatz dem berüchtigten RSM Herbert Thornton ausgesetzt waren. Er stand in einem furchtbaren Ruf, und was noch schlimmer war: Er war Engländer. Ein großer Teil des Regiments bestand aus walisischen und irischen Soldaten.
«Ihr werdet in Südafrika gegen gottesfürchtige Niederländer kämpfen, und zwar in deren Hinterhof, und ihr werdet sterben wie Soldaten, nicht als der syphilisverseuchte Abschaum, der ihr seid!» Thorntons Stimme donnerte.
Irgendwo in den schwankenden Reihen flüsterte ein Infanterist seinem Kameraden zu: «Ich hätte gern alle Syphilis der Welt, wenn ich bloß das Vergnügen erleben dürfte, sie mir einzufangen.»
Der Aufmerksamkeit eines Regimental Sergeant Majors entging nichts. «Der da! Mulraney!» Der Marschierstock wies zielsicher auf einen Punkt in der Masse der Männer. «Sergeant McCory!»
Der Blick des Unteroffiziers folgte der Richtung, die der meistgefürchtete Mann des Regiments anzeigte. «Abteilung - halt!», gab er den Befehl.
Genagelte Stiefel knallten auf den Boden. Mulraney stand bewegungslos. Schweiß tropfte ihm von der Nase, der raue Uniformstoff scheuerte, und er wünschte inständig, dass er nie auf die Idee gekommen wäre, in die Armee einzutreten.
Vom Stall der Dubliner Garnison aus beobachtete ein Soldat die Disziplinarmaßnahme auf dem Platz. Er war nur mit einem Unterhemd bekleidet, wandte sich ab, hustete und spuckte in das dampfende Stroh. Dieser dumme Bauer Mulraney würde es nie begreifen. Wie konnte man so blöd sein, auch nur einen Mundwinkel zu verziehen und den leisesten Mucks von sich zu geben, wenn der RSM die Parade abnahm? Thornton konnte allein mit seinem Gesichtsausdruck Züge zum Halten bringen. Und er konnte aus tausend Metern Entfernung den Arsch einer Fliege zucken sehen.
Er harkte schmutziges Stroh aus dem Pferdestall. «Ich bin Infanterist in einem Infanterieregiment und räume hier deine Scheiße weg», sagte er zu der kastanienbraunen Stute und schob sie mit der Schulter zur Seite, um die durchnässte Einstreu zu entfernen. «Der Colonel wird auf dir reiten, und ich kann mir aus irgendeiner hinteren Reihe dein Hinterteil ansehen. Ist das vielleicht gerecht? Nu beweg dich mal, Mädchen, sonst gibt's heute keinen Apfel für dich.»
Die Stute schnaubte freundlich und beschnupperte seine Tasche.
Weiter hinten im Halbdunkel des Stalls stand Edward Radcliffe vor einer anderen Box und wartete, während ein Stallbursche einen Fuchswallach für ihn sattelte. Als der Junge den Gurt anzog, blickte Edward über den Widerrist des Pferdes hinweg zu seinem Freund, der einige Jahre älter war als er. Lawrence Baxter sah geduldig zu, wie die Pferde vorbereitet wurden.
«Du klaust Äpfel in der Küche, Flynn, oder was?», fragte Baxter den Burschen.
Der setzte seine Arbeit unbeirrt fort und verlas mit den Zinken der Mistgabel das Stroh auf dem Boden. «Das mach ich, Lieutenant. Sie ist eine anspruchsvolle Stute, nicht? Wie alle schönen Frauen.»
«Und mein Vater sieht über solche Diebstähle hinweg? Es ist ein Dienstvergehen.»
«Bestimmt ist es das, Sir. Aber ich glaube, der Colonel hat ein kleines Problem mit seinem linken Auge. Er sieht nicht mehr gut, seit er in Indien diesen Schlag auf den Kopf bekommen hat.» Der Bursche führte Edwards Pferd durch die gepflasterte Stallgasse. «Heute wird gewettet, nicht, Lieutenant?», wagte Flynn zu fragen.
«Du bist ein frecher Nichtsnutz, Flynn. Ich frage mich, wie du dir in den ganzen Jahren das Wohlwollen des Colonels erhalten hast. Die königlichen Regularien verbieten Offizieren, mit anderen Dienstgraden zu spielen. Das weißt du.»
Flynn neigte bestätigend den Kopf. «Aber Sie sind nicht im Dienst, oder?»
Baxter schaute Edward an und grinste. «Willst du einen kleinen Einsatz wagen?»
«Gern, Sir», antwortete Flynn. «Der Colonel vertraut mir sein Pferd an, weil er weiß, dass es niemanden im Regiment gibt, der die Stute mehr liebt. Ich setze auf Mr. Radcliffe, vielen Dank, Lieutenant.»
Unversehens entfuhr Edward ein lautes Lachen, dann setzte er eine ernstere Miene auf, als Lawrence Baxter ihn mit gespielter Entrüstung ansah.
«Glaubst du, dass Master Radcliffe heute das bessere Pferd hat, Flynn?», fragte Baxter.
Flynn ließ die Forke ruhen und streifte getrockneten Pferdemist von seinen Stiefeln. «Nee, liegt nicht am Pferd, Mr. Baxter, Sir.»
Nach den Maßstäben der britischen Armee war sein Feixen geradezu unverschämt und eine Anmaßung, die ihm einen Strafmarsch mit voller Ausrüstung und hundertsechzig Schritten pro Minute auf dem Paradeplatz einbringen könnte, von dem noch immer die bellenden Befehle des RSM herüberschallten. Aber der junge Mr. Baxter war, anders als die gewöhnlichen Jungoffiziere, kein harter Hund. Der Sohn des Colonels war streng, kein Zweifel, aber unerfahren. Neu im Regiment, musste er noch Fuß fassen; der Alte dagegen griff, was Private Gerald Flynn betraf, umsichtig, aber unnachgiebig durch. Anscheinend hatte er sich den Burschen irgendwann zur Brust genommen und ihm erklärt, was es mit dem Abschaum auf sich hatte, der mit einem zwölf Zoll langen Bajonett am Gewehrlauf an seiner Seite kämpfen würde. Aber Flynn hatte noch viel zu lernen, und Lieutenant Lawrence Baxter war noch grün hinter den Ohren, was dem jungen Soldaten einigen Spielraum ließ, bis er irgendwann zu weit gehen und sich die verdiente Strafe einhandeln würde.
Baxter nahm dem Burschen die Zügel seines Pferdes ab. «Ich werde sicher das Vergnügen haben, dich deinen Einsatz verlieren zu sehen, Flynn. Da wirst du auf eine Menge Ale und eine Hure von der Harcourt Street verzichten müssen.»
Vom Paradeplatz war die Stimme des Sergeants zu hören. «Mulraney! Du bist wohl auf der Ha'penny Bridge aus deiner Mutter und gleich auf den Kopf gefallen! Über Weihnachten machst du Sonderwachdienst, du gottloser Idiot!»
Flynn zog sich in den Stall zurück. Wenn Sonderdienste verteilt wurden, ließ er sich besser nicht blicken. Aus den Augen, aus dem Sinn. Die mit den Streifen im Abzeichen kannten Flynn als Drückeberger.
Baxter und Edward führten ihre Pferde über die gepflasterte Gasse nach draußen. Sie beobachteten die Kompanie, die eine Kehrtwendung vollzog und auf das andere Ende des Platzes zumarschierte. Ihre exakten Schritte, die Perfektion ihrer Wendung beeindruckten Edward. Für ihn waren diese Soldaten die besten der Welt.
«Ich wünschte, ich könnte dich nach Südafrika begleiten», sagte er.
«Um gegen ein Häufchen Farmer zu kämpfen?», fragte Baxter, der sich am Zaum seines Pferdes zu schaffen machte.
Die nüchterne Bemerkung seines Freundes versetzte seinen Vorstellungen von heroischen Taten einen Dämpfer. «Es sind mehr als fünfzigtausend, Lawrence. Sie haben letzte Woche in Colenso fünfhundert Mann von Harts Brigade abgeschlachtet!»
«Eine solche Woche wird sich nicht wiederholen. Hart ist ein mutiger Mann, aber er hat einen Fehler gemacht und seine Truppe schlecht geführt. Glaub mir, Edward, das Land ist so riesig, dass die fünfzigtausend darin verschwinden wie Ameisen in der Wüste. Es ist ein närrischer Krieg, und ich fürchte, wir werden gar nicht mehr zum Kämpfen kommen.»
«Dennoch . Es ist ein Abenteuer», erwiderte Edward hoffnungsvoll.
Baxter nahm die Zügel auf. «Es wird größere Schlachten als diese geben. Warte ein paar Jahre ab und beende deine Ausbildung. Dann kannst du deinen Vater bitten, seinen Einfluss geltend zu machen, um dich in der Royal Irish unterzubringen.»
«Mein Vater würde niemals seinen Einfluss nutzen.»
«Dann werde ich irgendwann meinen darum bitten. Wir werden zusammen dienen. Als Waffenbrüder. Wie wäre das?»
Vor den Toren versahen zwei Soldaten ihren Wachdienst und ließen die Blicke über die geschäftigen Straßenhändler und die Bettler schweifen. Scharen von Kindern bevölkerten die Szene und versuchten diverse Habseligkeiten an den Mann zu bringen. Die meisten waren Waisen, andere hatten Eltern, die im Gefängnis einsaßen. Die Kinder waren zerzaust, unterernährt und froh über jedes Almosen, das sie einen weiteren Tag in ihren heruntergekommenen Unterkünften überleben ließ. Die Wachen wussten, dass die fenischen Terroristen ein Straßenvolk wie dieses mit Leichtigkeit unterwandern konnten. Ein Straßenkünstler stieß mit seinem Stock einen Schwarzbären an, der einen Maulkorb trug und sich auf den Hinterbeinen aufrichtete - der schnelle, scharfe Schlag gab dem Tier einen Vorgeschmack auf die Heftigkeit, mit der es später in seinen Käfig zurückgeprügelt würde. Der Mann hielt die Kette, die durch den...
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