Schweitzer Fachinformationen
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»Frau wird nicht geboren, sie wird gemacht.«
Andrea Dworkin (1981)
Im Jahr 1999, im Jahr meines 16. Geburtstags, fanden drei kulturelle Ereignisse statt, die zu bestimmen schienen, wie man als junge britische Frau - als Mädchen - dem neuen Jahrtausend entgegenblicken würde. Im April wurde Britney Spears auf dem Cover des Rolling Stone abgedruckt, in pinkem Höschen und schwarzem Push-up, in der einen Hand einen Teletubby, in der anderen einen Telefonhörer. Im Mai wurde dann als Marketinggag eines Männermagazins ein achtzehn Meter hohes Nacktbild von Gail Porter, ihres Zeichens Moderatorin von Kindersendungen, auf den Londoner Palace of Westminster projiziert - in dem damals weniger als ein Fünftel der Abgeordneten weiblich waren. Und im September veröffentlichte DreamWorks Pictures American Beauty, einen Film, in dem ein Mann mittleren Alters immer wieder sexuelle Fantasien über die beste Freundin seiner Teenagertochter hegt. Der Film sollte später fünf Oscars gewinnen, unter anderem den für den Besten Film.
Aus heutiger Sicht scheinen alle drei Ereignisse von zwinkernder, postmoderner Ironie durchdrungen zu sein. (Fuchsienfarbene Satinbezüge? Ein Teletubby als Zeichen der Grenzüberschreitung?) Im Spears-Profil schwankt der Interviewer zwischen Lust - das Logo ihres BABY-PHAT-T-Shirts, so schreibt er, »spannte über ihrem üppigen Busen« - und der distanzierten Beobachtung, dass die Sexualität der Teenie-Idole zur Jahrtausendwende nur eine »sorgfältig ausgelegte« Falle sei, um Alben an leichtgläubige Dummköpfe zu verkaufen.[1] Die Projektion von Gail Porters Bild wurde von der Marketingagentur Cunning Stunts ohne ihr Wissen oder ihre Zustimmung ausgeführt. Sie wurde damals als riesengroßer, saukomischer Gag angepriesen und sollte bestätigen, dass Frauen gut genug waren für Softcore-Fotoshootings, aber nicht für die politische Arbeit. Lesters Fixierung auf eine Minderjährige wird in American Beauty als Paradebeispiel einer Midlife-Crisis dargestellt, obwohl der Film selbst Angelas Charakter zu nichts mehr als einer hocherotisierten Blumentischdeko verkommen lässt.
Ich nahm all das als Sechzehnjährige nicht bewusst wahr. Für mich war es nur allzu offensichtlich, dass Macht - zumindest die weibliche - sexueller Natur war. Es gab keine andere, oder zumindest keine wertvolle andere. Was aber noch entscheidender ist: dass die Art Macht, die in der Popkultur an der Schwelle zum 21. Jahrhundert fetischisiert wurde, nicht jene war, die man sich im Laufe seines Lebens aneignen konnte, etwa durch Bildung, Geld oder Berufserfahrung, sondern dass es um Jugend, Aufmerksamkeit und die Bereitschaft ging, mitzumachen - selbst wenn wir letztlich nur die Pointe sein durften.
Ich dachte bereits Anfang der 2020er-Jahre darüber nach, dieses Buch zu schreiben, als die Zeit nicht mehr linear wirkte, Fortschritt nicht mehr unabdingbar schien und jeder hässliche Trend, mit dem ich als Y2K-Teenagerin aufgewachsen war, seinen Weg wieder zurückgefunden hatte. Hillary Clintons gescheiterte Präsidentschaftskandidatur 2016, gefolgt von der Welle an Aussagen über sexuellen Missbrauch und Belästigung, die sich ein Jahr später in der #MeToo-Bewegung manifestieren sollte, verdeutlichten bestimmte Realitäten. Die Freizeitmisogynie der Nullerjahre war zurück, dieses Mal mit neuer Technologie und der Kulturfigur Andrew Tate an der Spitze, der einst in der Realityshow Big Brother teilnahm, während er parallel wegen Vergewaltigung unter Tatverdacht stand. Die Obsession der Klatschpresse mit Ehefrauen und Freundinnen wurde für TikTok neu erfunden, wo puppenhafte Frauen in affektlosen Monologen etwas über ihren finanziell abhängigen Traum eines »sanften, weiblichen Lebens« murmelten.[2] Die Body-Positivity-Bewegung, die alles dafür getan hatte, normalen Körpern in den Medien und im Einzelhandel den gebührenden Platz zu verschaffen, wurde schnell vom Aufschwung der Medikamente zur Gewichtsreduktion und einer neuen Frauengeneration mit schmalen Taillen und hervorstechenden Oberkörpern wieder verdrängt.
Alles Alte war nun wieder neu, fühlte sich aber dunkler und abgekoppelter denn je an. Die Aufhebung von Roe v. Wade 2022, des Abtreibungsrechts, bezeichnete den greifbarsten Rückschritt der Frauenrechte seit fünfzig Jahren. Aus kultureller Sicht konnte man dem Motiv der Stunde nicht entkommen, und es zeigte sehr genau auf, wie klein unser aller Ambitionen geworden waren. Erwachsene Frauen schenkten sich jetzt gegenseitig Freundschaftsbändchen und dechiffrierten Popsongs wie Codeknackerinnen für den Geheimdienst. Wir machten Mädelstrips, führten Mädelsgespräche, hatten die besten Mädelssommer unseres Lebens und stocherten in unseren Mädelsessen herum. Ich zog mir 2023 meinen besten millennialpinken Blazer an - den, den ich immer bei Podiumsdiskussionen trage -, um mich mit anderen Frauen vor einer erwachsengroßen Puppenschachtel anzustellen, alle gleichermaßen aufgeregt darüber, gleich Fotos von uns machen zu lassen, als könnte ein Augenblick der visuellen Solidarität den Verlust unserer reproduktiven Rechte wettmachen. Die Barbie-Welt, mit ihrem nur mit Frauen besetzten höchsten Gericht und der hegemonischen Weiblichkeit, verdeutlichte nur allzu sehr, dass wir immer noch nur mit ein paar mickrigen Brocken Macht herumspielten. Welche Frau würde da nicht gern, wenn sie die Wahl hätte, wieder ein Mädchen sein?
Viel zu viel an diesem Unbehagen kam mir bekannt vor. Es gab einen Zeitpunkt zu Beginn des 21. Jahrhunderts, als sich der Feminismus genauso nebulös und träge anfühlte, erdrückt von einer kulturellen Explosion des witzigen Extrems und der grellbunten Objektifizierung. In diesem Umfeld wuchsen Millennial-Frauen auf. Es legte fest, wie wir uns in unserer Haut fühlten, wie wir uns gegenseitig wahrnahmen und was wir dem weiblichen Kollektiv zutrauten. Es prägte unsere Ambitionen, unsere Selbstwahrnehmung, unsere Beziehungen, unsere Körper, unsere Arbeit, unsere Kunst. Ich erkannte, dass wir uns nicht vorwärtsbewegen können würden, ohne nicht vollständig zu begreifen, wie sehr uns die Kultur der Nullerjahre geformt hatte.
Mit diesem Buch wollte ich aus einer Perspektive der Kritikerin herausarbeiten, wie und warum jede Unterhaltungsform der Nullerjahre - Musik, Film, Fernsehen, Mode, Magazine, Pornografie - Mädchen die gleiche Botschaft vermittelte, und mit welcher Vehemenz wir diese internalisierten. Ich wollte verstehen, wie eine ganze Generation zu der Überzeugung hatte kommen können, dass Sex unsere Währung war, dass Objektifizierung Empowerment bedeutete und Frauen eine Witzpointe waren. Warum konnte man uns so einfach von unserer eigenen Unzulänglichkeit überzeugen? Wer gab den Ton an? Warum orientierte sich, jahrzehntelang und sogar bis heute, fast jedes kulturelle Produkt so dermaßen am männlichen Verlangen und der männlichen Lust?
Ich ging nicht unbedingt davon aus, dass ich alle Antworten finden würde. Vielmehr wollte ich hauptsächlich die neuere Geschichte umdeuten, und das auf eine Weise, die möglicherweise auch meine eigene Perspektive erweitern würde. Jedoch wurde mir vor allem deutlich, wie sehr Kultur, Feminismus und Geschichte auf separat verlaufenden Gleisen fuhren, die sich dabei gegenseitig durchdringen, stören und sogar zum Entgleisen bringen. Zudem faszinierten mich die Echos - die Verbindungen, Wiederholungen und Trends im Laufe der Zeit und über Genregrenzen hinweg. Sie hallen noch immer nach, während wir weiterhin unberechenbar zwischen Fortschritten und Rückschlägen hin- und herschwanken.
Im Rückblick scheinen all diese Trends und die Kultur, für die sie standen, untrennbar mit dem Aufstieg des Postfeminismus zusammenzuhängen. Dieser entstand in den 1980er- und 1990er-Jahren, weniger als explizite Ideologie, sondern vielmehr als Mechanismus für die Medienaufmerksamkeit und den Kapitalismus, und war eine Reaktion auf den Frauenaktivismus, verstärkt von dem Gefühl, dass die zweite und dritte Welle des Feminismus unsere kollektive Freiheit irgendwie einschränken würden. Susan Bolotin beschrieb 1982 im New York...
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