Schweitzer Fachinformationen
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Lenny flitzte die kurvenreiche Landstraße entlang, und hielt nach Straßenschildern Ausschau, aber Meile für Meile sah er lediglich dichte Wälder, die auf beiden Seiten in die Höhe ragten. Er war seiner Wegbeschreibung zur richtigen Ausfahrt nach Trapper Woods gefolgt, hatte aber bisher weder ein anderes Auto noch irgendwelche Anzeichen von Zivilisation gesehen. Er wollte sich gerade erneut seiner Wegbeschreibung widmen, als er auf einmal ein uraltes Schild auf der Seite erblickte, auf der eine Straße vor ihm aus dem Wald auftauchte.
TRAPPER WOODS, gegründet 1782.
Lenny verlangsamte seine Fahrt. Nach einer Kurve erblickte er endlich die Anfänge einer Stadt. Er hielt sich rechts, folgte einem anderen Schild - dieses Mal für die Hauptstraße - und fuhr direkt auf einen reizenden kleinen Boulevard zu. Malerisch wie eine Postkarte, mit unfassbar sauberen Bürgersteigen und sorgfältig erhaltenen Gebäuden. Anstelle von Handelsketten, gewöhnlicher Architektur oder Fast Food-Restaurants bestand das Geschäftsviertel von Trapper Woods aus bescheidenen Häusern, die alle in einer Reihe auf quadratischen, sehr gepflegten Rasenflächen standen. Hier waren vor allem kleine Einzelhandelsgeschäfte zu finden; direkt dahinter lag ein einladender Stadtplatz mit Bänken, einem öffentlichen Park und einem kleinen Brunnen. In dessen Mitte befand sich die Statue eines grauhaarigen Grenzers, der eine Flinte in seinen Händen und eine Waschbär-Mütze auf seinem Kopf trug, und förmlich einem Roman von James Fenimore Cooper entsprungen zu sein schien.
Auf einer nahegelegenen Straße, die auf einem großen Hügel in der Ferne lag, erkannte er eine Poststation, das Rathaus und eine Bücherei. Sie alle glichen historischen Gemäuern aus einer anderen Ära, die im Laufe der Jahre sorgfältig restauriert und saniert worden waren. Sollte Trapper Woods eine eigene Polizeistation und eine Feuerwehr haben, befanden sich diese offensichtlich irgendwo anders in der Stadt, da Lenny von ihnen nicht das Geringste sah.
Er lenkte den Wagen nun in eine leere Parklücke und betrachtete einen Moment lang seine Umgebung. Es gab so gut wie keinen Verkehr; und er zählte nur drei Personen, die die Straße entlangschlenderten. Dieser Platz war das absolute Gegenteil zum stockenden lauten Verkehr und den über Manhattans Bürgersteige strömenden Menschenmassen, an die er so sehr gewöhnt war. Aber in Anbetracht aller Dinge war dies vielleicht gar keine schlechte Sache.
Lenny stieg jetzt aus dem Auto in die brutale Kälte hinaus und überquerte eilig die Straße zu einer Rechtsanwaltskanzlei an der Ecke.
Kaum war er durch die Tür getreten, befand er sich auch schon in einem nüchternen Empfangsbereich.
Eine Frau mittleren Alters hinter einem Schreibtisch, schaute ihn jetzt über ihre halben Brillengläser hinweg an und lächelte. »Guten Morgen! Kann ich Ihnen vielleicht helfen?«
»Guten Morgen«, sagte Lenny und bemerkte, dass sie, obwohl sie drinnen arbeitete, lange weiße Handschuhe trug. Er versuchte, nicht auf ihre Hände zu starren; vielleicht litt sie ja an einer Hautkrankheit oder etwas Ähnlichem. »Mein Name ist Leonard Cates, ich würde gern Mr. Kinney sprechen.«
Die Frau nahm nun ihre Brille ab, legte die Papiere, mit denen sie beschäftigt gewesen war, zur Seite und griff zum Telefon, das an der Ecke ihres Schreibtisches stand. »Einen Augenblick, bitte.« Sie gab die Information telefonisch weiter, legte auf und wies auf drei bequeme Stühle an der Seitenwand. »Mr. Kinney wird gleich bei Ihnen sein.«
»Danke.« Er zog seine Handschuhe aus und nahm den Schal ab.
Sie zeigte jetzt auf einen langen Tisch an der Rückwand, auf dem eine Kanne Kaffee, Styroporbecher, Papierservietten und eine Schachtel mit Donuts standen. »Bedienen Sie sich ruhig.«
Lenny goss sich daraufhin einen Becher Kaffee ein und wollte sich gerade einen Schokoladen-Donut aus der Schachtel nehmen, als ein ungefähr sechzig Jahre alter, äußerst gepflegter Mann in einem teuren maßgeschneiderten Nadelstreifenanzug aus seinem Büro trat. »Mr. Cates?« Mit zwei schnellen Schritten kam er auf Lenny zu und reichte ihm die Hand. »Alec Kinney.«
Lenny schüttelte die Hand des Mannes, die sich wie ein Schraubstock um seine eigene schloss. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, sagte er ein wenig gequält.
Mr. Kinney ließ ihn los und zeigte zu seinem Büro. »Kommen Sie doch herein.«
Kinneys Büro war geräumig und so ansprechend eingerichtet wie eine Anwaltskanzlei in einer Großstadt. Ein riesiger Mahagoni-Schreibtisch, eine Couch mit passenden Stühlen und eine voll ausgestattete Bar befanden sich darin. Mehrere gerahmte Diplome und Auszeichnungen hingen an den Wänden, die Jalousien an den beiden großen Fenstern, die auf die Hauptstraße hinausgingen, waren zwar heruntergelassen, sperrten die Morgensonne aber nicht komplett aus.
Während Kinney sich auf einem Drehstuhl aus feinstem Leder niedergelassen hatte und sich damit zu einem Aktenschrank herumdrehte, saß Lenny auf einem der passenden Stühle vor dem Schreibtisch und hielt seinen Kaffeebecher mit beiden Händen fest. Da seine Hand noch immer von dem irrsinnig festen Händedruck schmerzte, tat die Wärme gut, die von dem Becher ausstrahlte.
Kinney nahm nun einen Aktenordner aus dem Schrank heraus, drehte sich zurück zu seinem Schreibtisch und rollte näher heran. Der Anwalt entsprach überhaupt nicht dem Bild, das Lenny sich von ihm bei ihrem Telefonat gemacht hatte. Er hatte ein "Landei" erwartet, was Kinney aber nicht im Entferntesten war. Er war groß, schlank und stattlich, trug teuren Schmuck, war fachmännisch manikürt und hatte ordentlich gekämmtes silbergraues Haar und dazu noch einen passenden bleistiftdünnen Schnurrbart. »Ich weiß, dass dies keine angenehme Situation für Sie ist«, sagte er nun, »aber die Angelegenheit kann schnell und sauber abgewickelt werden. Nach der Testamentseröffnung geht jetzt alles automatisch auf Sie über. Ich benötige nur Ihre Unterschrift auf mehreren Standardformularen, danach können Sie schon wieder gehen. Der ganze Papierkram der Stadt, wie Steuerbescheide und dergleichen, liegt der Akte bei. Diese nehmen Sie nachher einfach mit und dann können Sie sich alles in Ruhe durchlesen. Haben Sie sich schon entschieden, was Sie mit der Immobilie machen werden?«
»Noch nicht.«
»Wenn Sie einen Makler brauchen, sagen Sie mir einfach Bescheid, dann kann ich für Sie den Kontakt zu einem wirklich guten herstellen.« Er öffnete den Ordner und breitete ihn auf seinem Schreibtisch aus. »Das Haus ist ungefähr zehn Minuten von hier entfernt. Es hat keine Zentralheizung, dafür aber einen Holzofen.«
»Gibt es dort Strom?«
»Aber natürlich! Er wurde aber, ebenso wie das Telefon, kurz nach Mrs. McElroys Tod abgestellt. Wenn Sie vorhaben, ein Weilchen dortzubleiben, kann dieses Problemchen aber ganz schnell durch einen Anruf beim Elektrizitätswerk und dem Telefonanbieter behoben werden. Oder Sie besorgen sich als Alternative erst einmal einige Kerzen oder eine schöne Öllampe. Bei Harrys Hardware ein paar Häuser weiter werden Sie gut beraten und haben eine große Auswahl.«
Lenny konnte sich nicht entscheiden, ob er Alec Kinney mochte oder nicht.
Er widmete sich wieder den Papieren. »Auf jeden Fall hat das Haus zwei Etagen, ein Schlafzimmer mit einem großen Bad, einen unfertigen Keller und steht auf einem drei Hektar großen Grundstück.«
Im Vergleich zu den als Appartement deklarierten Besenkammern, in denen er über die Jahre hinweg gelebt hatte, klang diese Immobilie nahezu palastartig. »Ich habe noch ein paar Fragen zu Sheena und hoffe, dass Sie mir diese beantworten können.«
»Ich will es gern versuchen, aber ich kannte sie nicht wirklich gut. Wir haben uns nur zwei Mal getroffen.«
»Wie lang hat sie denn in Trapper Woods gewohnt?«
»Nur etwas weniger als ein Jahr, nachdem sie von Massachusetts hierher gezogen ist. Sie hat das Grundstück aus dem Vermögen des ursprünglichen Eigentümers erworben, einem älteren Ortsansässigen, der wenige Monate vor ihrer Ankunft gestorben war. Da Mrs. McElroy in bar bezahlt hat, gab es bei ihrem Tod auch nichts in puncto Hypotheken zu regeln. Als ihr Vermögensverwalter kann ich Ihnen sagen, dass ihr nach dem Tod ihres Ehemanns eine ziemlich hohe Versicherungssumme ausgezahlt worden war.«
Ehemann?, dachte Lenny verwirrt. Er hatte zwar vermutet, dass sie verheiratet gewesen war und Kinder gehabt hatte, sich aber nie tiefere Gedanken dazu gemacht. Zum ersten Mal war es mehr als nur eine reine Idee - es war die Realität. Zahlreiche Bilder liefen daraufhin vor seinem geistigen Auge ab. Wer war ihr Ehemann gewesen? Wie war er? Waren sie glücklich gewesen? Obwohl er wusste, dass solche Gefühle vollkommen absurd waren, empfand er plötzlich eine seltsame Eifersucht.
»Er starb anscheinend bei einem Betriebsunfall«, fuhr Kinney fort, »und sie erhielt daraufhin eine beträchtliche Summe Geld aus seiner Lebensversicherungspolice. Da sie und ihr Ehemann allerdings einen beachtlichen Schuldenberg angehäuft hatten, hat sie diesen mit einem Großteil aus der Versicherung abbezahlt. Außerdem hat sie hohe Beträge für das Häuschen ausgegeben und danach vom restlichen Geld gelebt. Soviel ich weiß, ist sie nicht berufstätig gewesen. Zum Zeitpunkt ihres Todes belief sich ihr Guthaben nur noch auf bescheidene vierzigtausend Dollar. Nachdem ein paar Rechnungen und Ausgaben von ihr sowie mein Honorar und die Kosten für die von ihr gewünschte Überführung ihres Leichnams nach Massachusetts beglichen worden waren, wurden zwanzigtausend Dollar an ein Tierheim in Manchester gespendet und ihr Auto...
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