Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Mit einem jähen Ruck blieb der Bus stehen. Ein seltsames Puffen ertönte, einmal, zweimal, dreimal, so als würde der Motor erschöpft schnaufen.
Dann war es still. Unheimlich still.
Im Inneren des Busses herrschte Chaos.
Taschen und Rucksäcke waren aus den Gepäckfächern gefallen und lagen überall verstreut herum. Auf den Sitzplätzen kauerten fünfundzwanzig Mädchen und Jungen sowie ein Lehrer. Ganz vorne umarmte die Busfahrerin mit gesenktem Kopf das große Lenkrad. Alles und alle sahen ausgesprochen durchgeschüttelt aus.
Von außen flutete gelbes Sonnenlicht durch die Fensterscheiben, wanderte sanft über die Gesichter der Kinder und ließ Staubpartikel in der Luft tanzen.
Nach und nach öffneten sie die Augen. Jemand durchbrach die Stille mit einem leisen Stöhnen.
»Aua.«
»Mann, du liegst auf meinem Ohr.«
»Sind wir da?«
»Ja, in der Hölle.«
Frau Krachleder, die Busfahrerin, hob den Kopf. Kein roter Staub wie beim letzten Mal. Sie blickte nach rechts, wo Lehrer Rosenkranz sich aus seiner gekrümmten Haltung löste und aufrichtete wie eine Pflanze, die dem Licht entgegenwuchs.
»Alles in Ordnung?«, krächzte sie.
Der Lehrer räusperte sich. »Ja. Bei Ihnen?«
»Hmmmm«, brummte sie und wandte sich Giovanna und Giovanni zu, die hinter ihr saßen und immer noch das magische Stäbchen umklammerten. »Und bei euch beiden?«
Die Zwillinge schienen verwirrt. Giovanni hob wie in Zeitlupe die Hand und zeigte mit dem Stäbchen nach draußen. »Sieht irgendwie nicht aus wie . zuhause, oder?«
Giovanna presste die Nase ans Fenster. »Aber wo sind wir?«
Herr Rosenkranz nahm das kostbare Stäbchen an sich und reichte es der Busfahrerin. Dann löste er seinen Gurt. »Wer weiß, vielleicht in einer Ecke von Deutschland, die wir bisher nicht kannten .?«
»Das wage ich zu bezweifeln«, erwiderte Frau Krachleder und verstaute das Stäbchen im Handschuhfach. Sie griff zum Handmikrofon, das vorne im Cockpit befestigt war. »Reisegruppe Odenwald, alles okay dahinten?«
»Ja.«
»Ich weiß nicht.«
»Vielleicht.«
»Glaub schon.«
»Mein Arm tut weh.«
»Odenwald?«
Frau Krachleder lächelte. Was auch immer nun wieder passiert war und wo auch immer sie gelandet waren: Sie hatten es offensichtlich überlebt. Das war doch schon mal ein erleichternder Gedanke und überhaupt das Allerwichtigste.
»Mayumi Nagata, sind Sie hier irgendwo?«, erkundigte sie sich.
Keine Antwort.
»Ist sie immer noch nicht da?«, fragte jemand ganz hinten. Sie hatten gehofft, dass sie endlich wieder mit der sympathischen Referendarin vereint werden würden. Aber anscheinend hatte das nicht geklappt.
»Wo sind wir?«, riefen mehrere Kinder gleichzeitig. Ursprünglich, vor gefühlt einer Woche, hatte sich die 6G der Jules-Verne-Schule an einem schönen Herbstmorgen auf eine ganz normale Klassenfahrt begeben. Doch dann war sie aufgrund einer völlig verrückten, magischen Verwicklung nicht wie geplant im Odenwald, sondern weit weg in Australien gelandet. Etwas, was nur sehr selten passierte, nämlich ein sogenannter Hanzatsu, hatte sich ereignet. In Australien hatte sich ein abenteuerliches Erlebnis ans andere gereiht - sogar verfolgt wurden sie am Ende! Glücklicherweise waren sie entkommen. Mithilfe von Mayumis magischen Stäbchen, den O-Hashi, hatten sie versucht, nach Hause zurückzukehren, aber mit ziemlich großer Sicherheit war das gründlich schiefgegangen.
Frau Krachleder und Herr Rosenkranz tauschten einen langen, fragenden Blick. Ihre Mundwinkel zuckten, ganz leicht nur, aber die Kinder in den vorderen Busreihen sahen es trotzdem. Und jetzt - huschte da etwa ein schelmisches Lächeln über das Gesicht des Lehrers? Frau Krachleder zog die Augenbrauen hoch, presste eine Hand an den Mund und wandte sich ab. Offenbar wollte sie ihre Gefühlsreaktion nicht vor der ganzen Klasse zeigen. Aber was genau fühlte sie eigentlich? Erleichterung, natürlich, dass alle noch lebten, so viel war sicher. Aber darüber hinaus? Die Wahrheit war, Hilde Krachleder war sich selbst nicht sicher. Wie alle anderen war sie hauptsächlich mächtig verwirrt. Allem Anschein nach waren sie nicht wie geplant in Deutschland gelandet und auch die Referendarin Mayumi Nagata hatte sich im Laufe dieser missglückten Heimreise, also Kikoku, bedauerlicherweise nicht wieder zu ihnen gesellt.
»Tja. Ich würde sagen, wir sehen uns erst einmal um.« Frau Krachleder betätigte den Knopf für die Türen. Die Kinder streckten ihre Glieder und rappelten sich eins nach dem anderen hoch. Einige begannen, die herumliegenden Taschen und Rucksäcke zurück in die Gepäckablagen zu stopfen.
»Alter, schaut mal, mein Sitz!«, rief Milena plötzlich. »Ich liege!«
»Hä!«
»Was?«
Die anderen reckten die Hälse. Tatsächlich, Milenas Sitz hatte sich in eine Liegefläche umgewandelt.
Sofort untersuchten alle Kinder ihre Sitze.
»Hier! Da ist ein Griff an der Seite«, rief Mattis. »Den kann man nach unten drücken!«
Vierundzwanzig Jungen und Mädchen tasteten nach einem kleinen Hebel. Innerhalb von Sekunden lag die 6G in der Horizontalen.
»Haha.«
»Juchhu!«
»Cool!«
»Wie genial ist das denn?«
»Gute Nacht!«
»Ich kack ab. Leute, wir haben BETTEN!«
»Ja, aber immer noch kein Handynetz«, sagte Lilli und seufzte.
»Schaut mal, Aussie hat auch ein eigenes Bett!«, rief Alea, die die Klassenkatze während des Kikoku auf dem Schoß gehalten hatte. Nun lag Aussie neben ihr und streckte sich.
»Lol.«
»Schade, dass nicht noch ein Kratzbaum dran ist«, meinte Franz in vollem Ernst.
»Au ja, das wäre praktisch!«, stimmte Jamila lachend zu.
Alle redeten durcheinander. Die neuen Sitzliegen waren die Sensation. Bisher hatte die 6G in Australien draußen unter freiem Himmel geschlafen. Was wahrlich nicht schlecht, sondern ein Abenteuer ganz eigener Art gewesen war. Aber nun war ihr Bus quasi ein fahrendes Hotel und das fanden die meisten großartig.
»Na ja. Irgendwie auch gruselig.« Grace drückte den Hebel wieder nach oben und richtete sich auf. »Ich meine, wie geht das? Das waren bis eben doch nur Sitze, oder?«
Rio, der vor ihr saß beziehungsweise lag, wandte sich um. »Im Grunde müssten wir uns die Frage, wie das geht, die ganze Zeit stellen.« Er lächelte sie an.
Sein Freund Mattis nickte. »Ja, und deshalb stellt man sie sich am besten gar nicht.«
Frau Krachleder war inzwischen einmal durch den Mittelgang und wieder zurückgelaufen. Nachdenklich kratzte sie sich an der Stirn. »Ich habe die Sitzreihen gezählt. Es sind weniger als bislang«, stellte sie mit einem Grollen in der Stimme fest.
Sie klopfte gegen den Fahrersitz. Auch der besaß nun einen kleinen Hebel. Das gefiel Hilde Krachleder überhaupt nicht. Der Bus war so etwas wie ihr Heiligtum. Sie liebte ihn von Herzen. Und es stimmte ja auch, der silberne Komet, wie sie und die 6G ihn liebevoll nannten, war bisher ein sehr treuer und zuverlässiger Reisebegleiter gewesen. Er hatte sie durch die australische Wüste befördert und nie im Stich gelassen, obwohl Straßen und Strecken teilweise wahrhaftig eine Herausforderung für ihn gewesen waren. Nun besaß er zwar Sitze, die sich zu Betten umfunktionieren ließen, aber dafür fehlten gleich mehrere Plätze. Das fand Frau Krachleder ganz und gar nicht in Ordnung. Man hätte sie vorher fragen sollen, bevor eine Veränderung vorgenommen wurde!
»Schauen Sie mal, wir haben jetzt tierisch viel Platz, auch im Sitzen!«, rief Grace, die spürte, dass bei der Busfahrerin gerade die Laune in den Keller sank.
»Ja, und die anderen Plätze haben wir doch gar nicht gebraucht«, suchte auch Giovanna nach einem guten Argument.
»Momentan nicht. Aber was, wenn ich wieder zuhause bin und bei meinem Chef mit einer fahrenden Jugendherberge ankomme? Wisst ihr, was dann los ist?«
Ein paar Kinder versuchten, sich das vorzustellen, und kicherten. Herr Rosenkranz legte beruhigend eine Hand auf den Arm der Busfahrerin. »Machen Sie sich bitte keine Sorgen. Alles wird gut.« Er schenkte ihr einen freundlichen, aufmunternden Blick.
»Ihre Zuversicht möchte ich haben«, murmelte sie und stutzte. »Woher nehmen Sie die überhaupt? So kenne ich Sie gar nicht!«
Das stimmte. Sonst war eher Herr Rosenkranz der Bedenkenträger und Frau Krachleder im Gegensatz dazu die Optimistische, die auch in brenzligen Situationen die Nerven behielt. Irgendwie hatte sich der Lehrer seit dem langen, aufregenden Trip durch Australien ganz schön verändert.
»Ich weiß auch nicht«, erwiderte er jetzt und fuhr sich durch die zerzausten Haare. »Aber ich wäre bereit für ein weiteres Abenteuer.« Er zeigte nach draußen. »Also für den Fall, dass wir nicht in Deutschland, sondern immer noch im Zeit-Halt oder was auch immer sind. Und danach sieht es ja schon irgendwie aus.« Grinsend schaute er zu seiner Klasse, die sich begeistert auf den bequemen Liegen rekelte. »Und ihr? Seid ihr dabei?«
»Jaaaa!«, schallte es von allen Seiten.
»Kommt drauf an!«, tönte Korbinian.
»Du Obernervensäge«, schnauzte Franz den Klassenkameraden an. »Du bist auch nie zufrieden, oder? Kapierst du es nicht, solange wir auf Klassenfahrt sind, haben wir keinen Unterricht.«
Korbinian zuckte die Achseln....
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.