Schweitzer Fachinformationen
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»Hab ich dir eigentlich schon gesagt, dass du im Schlaf so laut wie ein Bär schnarchst?«
Luca Brassoni öffnete schlaftrunken seine Augen, blinzelte zweimal vorsichtig gegen das helle Morgenlicht an, das durch die Öffnungen der Fensterläden schien und den Beginn eines neuen, verheißungsvollen Sommermorgens verkündete. Dann drehte er sich mürrisch auf die andere Seite seines Kissens, um sich aber gleich darauf aufrecht hinzusetzen und auf seine Uhr zu schauen.
»Verdammter Mist, schon halb acht! Warum hast du mich nicht eher geweckt?«
»Madonna, was schimpfst du mit mir, du hast geschlafen wie eine Baby, da wollte ich dich nicht wecken!«
Maria zog die Bettdecke etwas höher über ihre nackte Brust, rollte mit ihren dunklen Augen, wickelte sich schließlich komplett in das Laken, stand auf und marschierte mit gespieltem Beleidigt sein Richtung Badezimmer.
»Ich gehe mich duschen, du kannst ja schon mal einen Espresso aufsetzen. Ein Cornetto wäre auch nicht schlecht!«
Sie hauchte ihm einen Luftkuss durch den Türrahmen zu und verschwand hinter der Badezimmertür.
Der Commissario brummte verstimmt, schnappte sich dann aber seine Jeans und sein Hemd und schlüpfte in seine Schuhe. Nun musste er auch noch Cornetti beim Bäcker besorgen. Das hatte er davon, dass er sich mit einer Kollegin eingelassen hatte. Maria Grazia Malafante war die Sekretärin seines Chefs, bildhübsch, aber leider auch verheiratet und ausgestattet mit sehr viel Selbstbewusstsein. Ständig kommandierte sie ihn herum und hatte Sonderwünsche.
Ihr Mann Stefano, ein Anwalt, war für zwei Tage auf einer Fortbildung, so waren sie gestern Abend nach einem romantischen Essen am Canale Grande in seiner Wohnung gelandet.
Luca Brassoni konnte Marias Reizen einfach nicht widerstehen, aber er befürchtete, dass das Ganze zu keinem guten Ende führen würde.
Der Commissario war zweiundvierzig, geschieden, von kräftiger Statur, aber attraktiv. Zur Vollendung seines guten Aussehens fehlte ihm jedoch der kleine Finger der linken Hand, den er im Alter von zwölf Jahren in der Metzgerei seines Onkels Paolo verloren hatte, als sein Cousin Marco ihm demonstrieren wollte, dass er schon ebenso gut wie sein Vater große Fleischstücke mit dem Hackmesser zerteilen könnte.
Brassonis Hand hatte zu allem Unglück ein Stück zu nah neben dem Schweineschinken gelegen. Das war inzwischen vergeben und vergessen.
Seufzend schloss er die Wohnungstür im ersten Stock seines Apartments im Stadtteil Dorsoduro hinter sich zu. Er wohnte in der Calle del Degolin, einer ruhigen Straße nahe dem Zattere, der beliebtesten Uferpromenade der Venezianer.
Freundlich grüßte er die Nachbarin aus dem zweiten Stock, die ihr Einkaufswägelchen umständlich hinter sich herzog und wahrscheinlich auf dem Weg zum Billa-Supermarkt war, wie der Commissario vermutete.
»Guten Morgen, Signora Vasconti. Was für ein schöner Tag heute!«
Die alte Frau hob abwehrend die Hand.
»Diese Hitze, Commissario, in meinem Alter verträgt man das nicht mehr so gut. Deswegen gehe ich frühmorgens einkaufen. Den Juli und den August verbringe ich fast nur in der Wohnung. Sie sind noch jung, wenn ich in Ihrem Alter wäre, würde ich jeden Tag zum Lido rausfahren!«
Luca Brassoni schmunzelte.
»In meinem Alter hat man keine Zeit für den Strand. Die Arbeit ruft, und das sechsmal die Woche. Aber ich wünsche Ihnen trotzdem einen schönen Tag!«
Die alte Frau nickte ihm kurz zu und verschwand dann hinter der nächsten Calle.
Brassonis Laune hatte sich dank des kurzen Gesprächs und des herrlichen Wetters plötzlich um einhundert Prozent gebessert. Pfeifend betrat er den Bäckerladen, bestellte drei Cornetti und ein großes Baguette, plauderte angeregt mit Laura, der dicken blonden Verkäuferin, über die neuesten Artikel in der Tageszeitung und machte sich beschwingt auf den kurzen Rückweg zu seiner Wohnung. Immer wieder schaute er in den wolkenlosen blauen Himmel, atmete die unvergleichliche, würzige Luft Venedigs ein und sagte zu sich selbst, dass er ein glücklicher Mann war, hier leben zu dürfen.
Eine leichte Brise strich ihm zärtlich über den haarlosen, rasierten Kopf, während er auf sein Wohnhaus zulief. Er steckte den Schlüssel in die Haustür, ging durch den schmalen Flur die Treppe rauf in die erste Etage, öffnete seine Wohnungstür, zog sich die Schuhe aus, legte den Schlüssel auf die Ablage und betrat die Küche.
Aus dem Bad hörte er leise Musik. Dann wurde der Föhn angemacht, und Brassoni widmete sich wieder dem Frühstück. Für Maria Grazia machte er einen Espresso mit aufgeschäumter Milch, für sich selber schwarz mit viel Zucker. Die beiden Tassen, die Hörnchen und das Baguette sowie etwas Butter, Besteck und zwei Gläser Marmelade balancierte er auf einem Tablett zum Esstisch im Wohnzimmer.
Kurz darauf erschien Maria, lehnte sich liebevoll an ihn, zog sich einen Stuhl heran und nahm einen Schluck Espresso. Ihre Haare waren noch feucht, sie duftete nach Duschgel und Shampoo. Brassoni betrachtete sie mit gemischten Gefühlen, während er sein Cornetto mit Butter und Marmelade bestrich. Es war manchmal schön mit ihr, aber er würde auch froh sein, wenn er seine Wohnung wieder für sich hatte. Schlimm genug, dass er auf der Arbeit so tun musste, als wären sie nur Kollegen. Auf Dauer wurde das Ganze anstrengend, aber er wusste nicht, wie er es ihr beibringen sollte. Sie war sehr impulsiv und er befürchtete ein großes Drama, wenn er mit ihr Schluss machte. Er hatte sich blitzschnell in sie verliebt, und genauso schnell hatte er erkannt, dass sie eigentlich nicht zueinanderpassten. Obwohl er Maria sehr gern mochte, wollte er weder ihre Ehe zerstören noch eine feste Beziehung mit ihr eingehen. Aber jedes Mal, wenn er das Thema ansprach, stellte sie sich auf beiden Ohren taub. Und er hatte auf keinen Fall vor, sie zu verletzen.
Maria tunkte ihr Cornetto in den Espresso, biss Stück für Stück genüsslich ab, wischte sich mit einer Serviette die Krümel vom Mund und stand dann auf.
» Caro, ich muss los, sonst komme ich zu spät. Wir sehen uns später im Büro. Danke für alles!«
Sie gab ihm einen langen, leidenschaftlichen Kuss, der nach Kaffee und Hörnchen schmeckte,
dann war sie auch schon verschwunden.
Luca Brassoni atmete auf. Er würde sich schnell rasieren, unter die Dusche hüpfen, sich frische Sachen anziehen und dann zum Polizeirevier fahren.
Als er gerade tropfnass aus der Duschkabine stieg, hörte er sein Handy klingeln.
Rasch griff er sich ein Handtuch, trocknete sich notdürftig ab und lief, feuchte Fußabdrücke auf dem Holzfußboden hinterlassend, zu seiner Hose, die im Flur lag.
Er fischte sein Handy aus der Tasche und drückte im letzten Moment die Annahmetaste.
»Pronto! Chi parla? Ach, du bist es, Maurizio. Was gibt’s?«
»Luca, wo bleibst du? Wir haben einen neuen Fall. Man hat unweit der Accademia-Brücke, direkt vor dem Eingang der Galleria dell’ Accademia, einen Toten gefunden. Wie es aussieht ein Tourist, vermutlich Deutscher. Er kann nicht lange dort gelegen haben, du weißt ja, wie viel Betrieb in dieser Gegend ist. Trotzdem muss der Mord in einer Zeit passiert sein, als kaum jemand unterwegs war. Es gibt keine Zeugen. Der Kioskbesitzer hat ihn gefunden. Und der Tote…, na ja, so was habe ich noch nicht gesehen. Er hat eine frische Tätowierung auf der Brust und…, also, du solltest selber einen Blick darauf werfen!«
»Ich bin in zehn Minuten da, Maurizio. Sperrt alles weiträumig ab, bevor der Touristenstrom alle Spuren verwischt.«
»In Ordnung Luca, bis gleich!«
Brassoni legte das Handy auf den Esstisch, auf dem noch die Reste des Frühstücks warteten. Dafür war jetzt keine Zeit mehr, wegräumen würde er heute Abend. Eilig putzte er sich die Zähne, zog sich Unterwäsche, ein frisches Hemd und eine helle Hose an und machte sich zu Fuß auf den Weg zur Accademia. Die von Miozzi erbaute hölzerne Brücke war einer der Lieblingsorte des Commissario. Von dort aus hatte man einen herrlichen Ausblick entlang des Canale Grande auf die Kirche Santa Maria della Salute. Und an das Geländer der Accademia-Brücke hatte er vor vielen Jahren wie tausend andere Verliebte ein Schloss mit den Namen seiner damaligen Freundin und seiner Wenigkeit gehängt. Gehalten hatte die große Liebe trotzdem nur drei Monate, bis er für ein Jahr wegen des Studiums nach Deutschland gegangen war.
Luca Brassoni hatte deutsche Vorfahren. Seine Großmutter mütterlicherseits stammte aus
der bayrischen Stadt Bad Tölz und hatte Ende der Vierzigerjahre einen italienischen Ingenieur aus Venedig geheiratet, der für einen großen Konzern in Süddeutschland arbeitete. Da seine Großmutter ihre Heimat und ihre Familie nicht verlassen wollte, entschied man sich, in Bad Tölz zu bleiben. Brassonis Mutter, das einzige Kind seiner Großeltern, zog es dagegen schon als junge Kunststudentin nach Venedig zurück, wo sie seinen Vater, einen bekannten Maler und Bildhauer, kennenlernte und schließlich heiratete. Als kleiner Junge hatte der Commissario jeden Sommer einen Teil seiner Ferien in der schönen Stadt an der Isar verbracht, Steine in den Fluss geworfen, Libellen gefangen und in der Küche seiner Oma vom Kaiserschmarrn genascht.
Als die Großmutter starb, war er 14 Jahre alt. Die schönen Erlebnisse in dem idyllischen Ort hatte er nie vergessen, und so entschloss er sich als junger Student, ein Jahr lang nach München zu...
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