Schweitzer Fachinformationen
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GEGENWART
Das Hotel Heger in Gemünd war genauso schlicht und solide wie sein Name. Weder einfach noch ungemütlich, aber schlicht in dem Sinne, dass es genau wusste, was es war: ein Aufenthaltsort, den Menschen wählten, weil sie die Umgebung erkunden wollten. Man bekam hier bequeme Betten, große Zimmer, saubere Duschen und ein Restaurant geboten, das sich auf lokale Gerichte spezialisiert hatte.
Im Hotel Heger wusste man, dass man es meist mit einem älteren Publikum zu tun hatte. Im Restaurant war es bei warmem Wetter angenehm kühl und bei kühlem Wetter behaglich warm. Wer alleine essen musste, konnte sich mit dem großen Angebot an Tageszeitungen die Zeit vertreiben. Auch das Personal vermittelte den Eindruck, hier willkommen zu sein - die Angestellten waren durch die Direktion aufgerufen, jeden Gast mit Namen anzusprechen und Wünsche wie ein zweites Kopfkissen zu vermerken, damit man beim nächsten Besuch das Zimmer entsprechend herrichten konnte.
Auf dem neben dem Hotel gelegenen Parkplatz waren silberfarbene Autos der Marke Mercedes auffallend überrepräsentiert, meist aus einer der kleineren Baureihen, nichts Protziges. Man sah hier keine Alufelgen, keinen Schnickschnack, dafür aber liebevoll gepflegte Fahrzeuge, die beim Vertragshändler gewartet wurden.
Umso stärker stachen die vier Autos mit Kölner Kennzeichen ins Auge, die am späten Nachmittag das Hotel erreichten. Doppelauspuffanlagen entließen ihre Abgase laut blubbernd in die kühle Eifelluft und am Heck angebrachte Aufkleber deuteten darauf hin, dass die Besitzer der Fahrzeuge eine innige Liebe zu Fußballclubs wie Galatasaray oder Besiktas Istanbul hegten.
Der Rezeptionistin bereitete der Anblick Unbehagen, und einen Moment lang hatte sie darüber nachgedacht, einfach zu behaupten, das Hotel sei ausgebucht, als die zwölf Insassen der Fahrzeuge nach sechs Doppelzimmern fragten. Aber es war ein Wochentag im Oktober, und der Wetterbericht verhieß nichts Gutes - andere Gäste waren wohl nicht zu erwarten. Außerdem war der Wortführer der zwölf, ein Arslan Demir, ausgesprochen höflich gewesen und dazu im Besitz einer Kreditkarte - fast hatte sie sich später geschämt, sich so von ihren Vorurteilen leiten zu lassen.
»Möchten Sie für heute Abend vielleicht auch Plätze in unserem Restaurant reservieren?«, fragte sie, nachdem sie die Zimmerschlüssel ausgehändigt hatte.
»Danke, aber das ist nicht notwendig«, antwortete Arslan Demir lächelnd. »Wir haben bereits eine Verabredung.«
Mit Hilfe von Jan Römers Beschreibung fand Arslan das alte Haus problemlos, in dem Baders Jagdgemeinschaft residierte. Nachdem er sich dort umgeschaut hatte, entschied er, dass der Hof der perfekte Ort für das Aufeinandertreffen war. Hier würden die Kerle ihre Autos parken, hier hatte er genügend Platz. Alles andere würde sich ergeben.
Das Hotel war für Arslan nur eine Vorsichtsmaßnahme gewesen. Falls die Typen heute nicht auftauchen sollten, konnten er und seine Leute dort in Ruhe ausschlafen und es am nächsten Tag erneut versuchen. Alles, was er jetzt noch tun musste, war warten.
Als die untergehende Sonne die Hochebene berührte, kamen sie. Sie kamen mit einem dunklen Geländewagen, der mit hohem Tempo den Pfad entlangraste, der zum Haus führte. Kurz darauf konnte Arslan den Fahrzeugtyp auch identifizieren. Ein Porsche Cayenne. Das müssen sie sein, dachte er. Dann überschlug er, womit sie es zu tun bekamen.
Ein einzelnes Auto.
Maximal fünf Personen.
Kein Problem.
Er entschied sich spontan für eine Planänderung und wies die anderen an, sich hinter den dichten Büschen zu verstecken, die den Hof von zwei Seiten umgaben. Als nichts mehr von ihnen zu sehen war, setzte er sich mit seinem Bruder Erkan und Dario, einem guten Freund, auf die kleine Bank, die dem Wohnhaus gegenüberstand. Er lockerte seine Muskeln und ließ die Schultern kreisen. War jetzt völlig entspannt.
Zwanzig Sekunden später drang das Brummen des PS-starken Motors in den Hof. Adrenalin schoss ihm ins Blut und schärfte seine Sinne. Es ging los.
Michael Leifgen stellte den Geländewagen im Hof ab und schaltete den Motor aus. Neben ihm saß René Hässler, sein Zwillingsbruder André hockte auf der Rückbank und blickte gelangweilt aus den dunkel getönten Seitenscheiben. Beides gute Jungs, dachte Leifgen, intelligent und abgezockt - kein Wunder, dass Bader große Stücke auf sie hielt. Ein bisschen Erfahrung noch, ein paar Bewährungsproben, und sie würden bereit sein, da mitzumischen, wo das große Geld verdient wurde.
Er schmiss sich eine weitere Pille ein und stieg aus. Streckte seinen massigen Körper, schlug die Autotür zu und ging auf das Wohnhaus zu. Dann blieb er ruckartig stehen. Auf der Bank dem Haus gegenüber saßen drei südländisch aussehende Typen, regungslos wie Schaufensterpuppen, und blickten ihn an.
Niemand kam hierher.
Niemand traute sich das.
Und schon gar keine verdammten Ölaugen.
»Guten Abend«, sagte der in der Mitte Sitzende freundlich und stand auf, während Leifgen ihn mit professionellem Blick taxierte. Der Kerl war einen Kopf kleiner als er und sicherlich dreißig Kilogramm leichter. Ein Lebensmüder, dachte der Kampfsportler.
»Was wollt ihr Wichser hier? Verpisst euch, sonst .«
»Mein Name ist Arslan«, sagte der andere unbeeindruckt. »Und ich freue mich, dass wir gleich so offen miteinander sprechen können. Ich bin gekommen, um euch zu sagen, dass wir ab heute euer kleines Geschäft übernehmen werden. Die Schutzgelderpressungen und vielleicht«, er schaute sich um, »auch dieses hübsche Gelände hier.«
Im ersten Moment glaubte Leifgen, sich verhört zu haben. Wollte der Pisser ihm drohen? Beinahe hätte er gelacht. »Hat dir jemand ins Gehirn geschissen oder was? Ich .«
»Mir geht's gut, danke. Um dich mache ich mir Sorgen. Genauer gesagt, um deine Gesundheit.«
Das war's.
Sie wussten es jetzt alle.
Die drei größenwahnsinnigen Typen würden die Prügel ihres Lebens beziehen. Irgendwie mussten sie von der Schutzgeldsache erfahren haben und glaubten jetzt, sie könnten ein Stück vom Kuchen abgreifen. Aber er würde dafür sorgen, dass sie diesen Auftritt bereuten. Keiner drohte ihm ungestraft. Nicht, wenn er den Hof auf eigenen Füßen wieder verlassen wollte.
»Ihr zwei haltet euch raus«, sagte er grinsend zu den Hässler-Brüdern, die neben ihn getreten waren. »Diesen kleinen Wichser mache ich allein fertig. Aber ihr«, er zeigte in Richtung von Arslans Begleitern, »könnt gerne alle zusammen antreten.«
Die beiden anderen Kerle, die Leifgen ebenfalls für Türken hielt, blieben mit teilnahmslosen Mienen sitzen und wirkten, als wenn sie das alles nichts angehen würde. Nur dieser Arslan war einen Schritt näher gekommen und schaute ihn - er glaubte es nicht - fast spöttisch an.
Auch gut, dachte Leifgen.
Dann eben das Großmaul zuerst.
Mit wiegenden Schritten ging er auf den Türken zu und blieb einen Meter vor ihm stehen. Dann ging alles sehr schnell.
Um genau zu erkennen, wie Leifgen sich auf dem linken Bein halb um die Achse drehte, während sein rechter Fuß in Richtung von Arslans Gesicht fuhr, hätte man schon eine Zeitlupe gebraucht. Er konnte einen Schädel mit einem einzigen Tritt zertrümmern; das Problem war nur, dass der Kopf des anderen schon nicht mehr dort war.
Verdattert sah Leifgen, wie sein Gegner sich unter dem Tritt wegduckte, zeitgleich sein Gewicht verlagerte und mit der rechten Faust hart in sein Gesicht schlug. Es fühlte sich an, als hätte eine Dampframme sein Jochbein getroffen. Den zweiten Schlag, der ansatzlos folgte, sah er schon nicht mehr. Er fiel, schüttelte benommen den Kopf und blickte nach oben.
»Wenn du noch mal tanzen willst«, sagte Arslan und lächelte ihn an, »musst du wieder aufstehen.«
Wutschnaubend rappelte Leifgen sich hoch. Er hatte seinen Gegner unterschätzt. Noch einmal würde ihm das nicht passieren. Er verfluchte sich selbst dafür, in der endlosen Sekunde, bis er wieder auf den Beinen stand. Dann stürmte er los, ließ eine fürchterliche Gerade ab, die die Schulter seines Gegners jedoch nur streifte. Im Gegenzug fing er sich einen linken Haken auf den Oberarm ein, gefolgt von einer Rechten, die seitlich gegen sein Kinn traf. Der Kieferknochen knackte wie ein toter Ast.
Michael Leifgen stand einfach nur da, sein Arm war taub, der Kiefer wahrscheinlich gebrochen. Trotz der Schmerzen wollte er immer noch nicht glauben, dass dieser Kerl ihn fertigmachen konnte. Ein weiterer Schlag, der ansatzlos aus dem Nichts kam und ihn erneut zu Boden gehen ließ, erhöhte die Glaubwürdigkeit.
»Michael Leifgen, nicht wahr?«, sagte Arslan und beugte sich über ihn. »Du bist maximal zweitklassig. Viel Kraft, aber keine Geschwindigkeit. Dazu geistig komplett unbeweglich. Aber vielleicht schaffst du es ja wenigstens, eine Botschaft auszurichten: Sag deinem Herrchen, das wir jetzt da sind. Die goldenen Zeiten sind vorbei. Wir melden uns wieder, um euch zu sagen, wie die Dinge zukünftig laufen.«
Leifgens Kopf fühlte sich wie betäubt an, und er hatte den metallischen Geschmack von Blut im Mund. Dennoch war er nicht bereit, klein beizugeben. »Du Schwachkopf weißt nicht, mit wem du dich anlegst. Bader wird dich .«
Ein sanfter Tritt brachte ihn zum Schweigen. »Zerbrich dir nicht den Kopf; Denken ist sowieso nicht deine Stärke. Richte Bader einfach aus, was ich gesagt habe, klar?«
»Du bist tot, Kanake, hörst du? Du bist jetzt schon totes Fleisch!«
Aber Arslan hatte sich bereits abgewendet. Im Weggehen drehte der Türke den Kopf und stieß einen lauten Pfiff aus, worauf sich aus dem Dunkel der Bäume und dem Schatten der...
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